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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Vorspiel

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Epilog

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

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Nr. 2385

 

Im Mesoport-Netz

 

Sie sind friedliche Händler – ihre Heimat ist von der Außenwelt verborgen

 

Horst Hoffmann

 

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Wir schreiben den Januar 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4933 alter Zeitrechnung: Seit Monaten stehen die Erde und die anderen Planeten des Solsystems unter Belagerung. Einheiten der Terminalen Kolonne TRAITOR haben das System abgeriegelt, während sich die Menschen hinter den sogenannten TERRANOVA-Schirm zurückgezogen haben.

Währenddessen hat die Armada der Chaosmächte die komplette Milchstraße unter ihre Kontrolle gebracht. Nur in einigen Verstecken der Milchstraße hält sich weiterhin zäher Widerstand. Dazu zählen der Kugelsternhaufen Omega Centauri mit seinen uralten Hinterlassenschaften und die Charon-Wolke. Wenn die Bewohner der Galaxis aber eine Chance gegen TRAITOR haben wollen, müssen die Terraner unter Perry Rhodans Führung mächtige Instrumente entwickeln.

Und sie müssen einen Weg finden, nach Hangay vorzustoßen – dort entsteht eine sogenannte Negasphäre, was der Grund für die Aktionen der Terminalen Kolonne ist. In der Region zwischen Hangay und Milchstraße stoßen die Terraner auf eine besondere Kultur – diese lebt unter anderem IM MESOPORT-NETZ …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Alexim Afateh – Der Händler aus dem Volk der Telomon reist von Planet zu Planet.

Lemaha Eliyund – Die kratzbürstige junge Telomon erweist sich als mutig und entscheidungsfroh.

Allanas-Dreen – Der Oberst der Tad de Raud sucht ein geheimnisvolles Volk.

Vorspiel

 

Allanas-Dreen spreizte die mächtigen ledernen Schwingen, stieß sich leicht ab und glitt hinauf in die seichten Aufwinde, die ihn sanft den Nabenturm seines Kommandoschiffs DROL NAGASSO emportrugen, bis zu dessen Spitze, wo in ihrer Sphäre die Präkog-Prinzessin Lariande residierte und den Nachwuchs gebar – unaufhörlich, ohne Pause und Unterlass. Den Nachwuchs eines Volkes, das auf dem Weg war, den Sternhaufen Orellana zu erobern.

Seines Volkes, der Tad de Raud.

Der Oberst Allanas-Dreen genoss den Auftrieb. Sein kräftiger, geschmeidiger Körper strahlte Kraft und Entschlossenheit aus, vereinte Eleganz mit Stärke. Seine Augen waren weit offen, schwarze Fenster mit stechend hellroter Iris. Fenster zu einer gierigen Seele.

Aus den Mini-Lautsprechern in seinen spitzen Ohren drang schwermütige Musik; Laute, die aufs erste Hinhören nicht zu der geschmeidigen Gestalt mit der straffen, düsterroten Haut der Jugend zu passen schienen. Doch rasch verwandelten sich die Klänge in Sinfonien voller Elan und Tatendurst, eine Watte aus Tönen, die den Tad de Raud immer weiter emportrug, bis er sein Ziel erreicht hatte.

Fast bedauerte er es. Innerhalb des zentralen Turms hinaufzugleiten, das war immer ein Erlebnis. Er genoss es. Es tat seinem Körper gut und schmeichelte seinem stürmischen Geist, war aber auch wie ein Symbol für das Aufstreben zu neuer Macht und neuen Grenzen.

Grenzen, die es zu überwinden gab, und Macht über ein Imperium, wie es einzig in Orellana sein sollte und würde.

Die Tad de Raud waren erst am Anfang ihrer Expansion, aber schon gehörten ihnen viele Sonnensysteme und Welten im Sternhaufen. Er würde es vielleicht nicht mehr erleben, aber Allanas-Dreen sah es längst vor sich: ein Reich der Kraft und der Macht. Eines Tages würde sein Volk den Sternhaufen beherrschen …

Orellana befand sich im äußersten Bereich der großen Galaxis Sporteph-Algir. Der Sternhaufen umfasste rund 55.000 Sonnensysteme. Schon das war eine schwindelerregende Zahl. Aber der Oberst dachte weiter. Orellana würde nicht das Ende sein. Wenn der Sternhaufen ihnen gehörte, würden die Flotten der Tad de Raud Kurs setzen auf Sporteph-Algir, und dann …

Es würde keine Grenzen mehr geben, die sie nicht einzureißen vermochten. Keine Gegner, mit denen sie es nicht würden aufnehmen können.

Der Kommandant einer kleinen Flotte aus sieben Lüsterdrohnen kehrte in die Realität zurück. Orellana war der Anfang. Und bis ihnen der Sternhaufen vollständig gehörte, dauerte es seine Zeit. Die Tad de Raud waren, bei aller Kühnheit, keine Narren. Sie wussten, dass es Gefahren gab, die sich noch nicht zeigten.

Für Allanas-Dreen war dies zugleich eine Hoffnung: Er hatte eigentlich keine Chance mehr, sich in der Flotte zu profilieren. Nach hoffnungsvollem Anfang und schneller Karriere waren ihm zu viele Fehler unterlaufen. Geblieben waren ihm eine Reihe von Getreuen und, vor allem, seine Ideale sowie seine Besessenheit.

Er würde die geheimnisvollen Unbekannten finden, von denen er auf manchen Planeten gehört hatte. Auf den unterschiedlichsten Welten sprach man von ihnen – von seltsamen Wesen, die überall Handel trieben. Sie kamen nicht mit Raumschiffen, sondern auf vollkommen rätselhafte Weise, und sie verschwanden wieder auf die gleiche Art.

Die meisten Tad de Raud, die von ihnen gehört hatten, hielten die Wesen für Phantome oder Hirngespinste. Er nicht.

Wesen, die im Verborgenen existieren und agieren. Die von Planet zu Planet »springen« und Handel mit den dortigen Intelligenzen treiben.

Handel aber bedeutete Kontakt, und Kontakt hieß Informationen. Die Unbekannten sammelten und verbreiteten sie. Und Information war Macht, in Verbindung mit Wissen wurde sie zur Waffe. Diese Wesen bedeuteten eine latente Bedrohung. Und deshalb jagte er sie.

Der Oberst faltete seine Schwingen auf dem Rücken zusammen und betrat die aus zahllosen grüngoldenen Waben aufgebaute Sphäre. Hier gebar die Präkog-Prinzessin ein Junges nach dem anderen, keines größer als wenige Zentimeter, aber jedes ein zukünftiger Krieger, ein neuer Kämpfer für das Reich und ein expandierendes Volk.

Prinzessin Lariande war doppelt so groß wie ein gewöhnlicher Tad de Raud; sie hatte einen mehrfach verdickten Unterleib, dick geschmiert von Salben. Heerscharen von Tu’gas’t-Krebsen umwimmelten und umschmeichelten den in einem Gestell ruhenden Leib. Sie unterbrach ihre »Tätigkeit« nicht, als sie Allanas-Dreen vor sich sah, sondern sah ihm nur in die Augen, mit stumpfem, eher schläfrigem Blick.

Der Oberst bemühte sich, den betäubend süßlichen Geruch im Stock der Prinzessin zu ignorieren. Er konzentrierte sich auf sein Anliegen, wenngleich er kaum Hoffnung besaß. Zu oft schon war er hier gewesen.

Allanas-Dreen grüßte knapp, bevor er seine Frage stellte: »Wir haben ein neues System erreicht, in das uns die Hinweise meiner Informanten führten. Kannst du mir etwas sagen? Spürst … fühlst du etwas? Siehst du etwas?«

Ihre paranormalen Gaben … Manchmal fragte er sich, ob alles stimmte, was über die Präkog-Prinzessinnen gesagt wurde. Dass sie Dinge »sehen« konnten, die anderen Tad de Raud nicht zugänglich waren.

»Nein«, sagte die Prinzessin nur, ohne gegenwärtig zu wirken. Da sei nichts …

Allanas-Dreen kehrte in die Zentrale zurück. Der Bildschirm zeigte ein System, bestehend aus einer grünen Sonne mit drei Planeten, von denen einer in der Biosphäre lag. Es trug sogar Leben, eine technische Zivilisation.

»Wir gehen in eine Kreisbahn um den zweiten Planeten«, ordnete er dort an. »Wir werden jeden Quadratkilometer absuchen, und wenn es ein Versteck der Unbekannten gibt, werden wir es finden.«

Es waren die gleichen Worte, die er so oft bei solchen Gelegenheiten sagte. Sie würden den Planeten absuchen und am Ende wahrscheinlich wieder mit leeren Händen dastehen.

Aber vielleicht nicht. Denn einmal, das wusste er, würde er die Fremden finden, und dann war es aus mit ihrem Versteckspiel.

Für das Reich. Für sein Volk, das ihn verstoßen hatte. Aber er würde in die Geschichte eingehen, und sein Name würde unsterblich sein …

Oberst Allanas-Dreen wandte sich den Holos zu, in denen er die Oberfläche des Planeten nahen sah. Das Jagdfieber stellte sich ein, wie immer. Das Fieber und die Gier …

1.

Alexim Afateh: Anfang 1329 NGZ

 

Mit größter Vorsicht holte Alexim Afateh den Taggilla aus der großen Innentasche seines hellgrünen Kittels und legte ihn behutsam vor sich auf den warmen, weichen Boden, in dem die neue Saat bereits keimte. Dann ließ er sich auf die Knie nieder, faltete den Taggilla andächtig auseinander, glättete ihn mit beiden Händen und dankte ihm.

Seine riesengroßen Augen, dominierend in dem kleinen Gesicht, waren geschlossen, als er mit seinem Gott sprach. Er bedankte sich für die guten Geschäfte in Onnyx, für die Gnade des Wachsens und Werdens und – wie immer – für das Geschenk seiner Gesundheit an Körper und Seele.

Er fühlte, wie sich die Wärme in seinem Körper ausbreitete, die nicht allein von der Sonne kam, die vom blauen Himmel auf ihn herabschien. Er spürte das Einswerden mit Taggilla, mit seinem Schöpfer und Führer, und versank darin.

Diese kurzen Momente waren wunderbar. Er genoss sie, obwohl er sich dessen kaum bewusst war. Für kurze Zeit war das klare Denken wie ausgeschaltet, er tankte die heilenden Energien, die der Kontakt zu Taggilla in ihm aufbaute. Und er dankte und bat um Taggillas Gnade für die kommenden Tage.

Etwa eine halbe Stunde lang verharrte der Händler aus dem Volk der Telomon in seiner knienden Haltung, eine humanoide Gestalt von gerade einmal achtzig Zentimetern Größe, mit dunkelbrauner Haut unter dem grünen Kittel und wallendem rotem Haar. Dann öffnete er die Augen und hob langsam den Kopf, richtete sich auf und drehte sich um, nachdem er den Taggilla wieder in seiner Tasche verstaut hatte. Alexim Afateh atmete die klare, würzige Luft von Onnyx und lächelte versonnen, als sein Blick sich klärte und er die wartenden Männer, Frauen und Kinder des Mesoport-Dorfs zwischen ihren Hütten stehen sah.

Das Dorf war klein, wie alle Kolonien der Telomon. Die Hütten waren aus dünnen Stämmchen, Ästen, Zweigen, getrocknetem Gras und Lehm gebaut und wirkten nur auf den ersten Blick ärmlich. Die Telomon brauchten viele der Dinge, die für andere Wesen selbstverständlich waren, einfach nicht. Was sie zum Leben benötigten, wuchs auf ihren Feldern, die das kleine Dorf umgaben, oder kam aus den umliegenden Wäldern. Ihr Wasser fiel vom Himmel und wurde in großen Zisternen gesammelt. Und in ihren Hütten herrschte die Wärme, wie sie nur tiefe Zufriedenheit zu schenken vermochte.

Alexim Afateh drehte den Kopf und nickte Morris begütigend zu. Sein Kamhalox mit der typischen gelblich beigen Fellmaserung wartete ebenfalls. Auf dem Rücken des Tragtiers war ein Gestell mit mehreren Köchern festgeschnallt, die mit eigenen Vorräten und den Waren gefüllt waren, welche der Händler auf Onnyx getauscht hatte. Viele dufteten bis zu ihm herüber – seltene, schmackhafte Nahrungsmittel, wie sie nur auf Onnyx gediehen, und ebenso erlesene Kräuter und Gewürze.

»Es wird Zeit, Morris«, sagte der Telomon. »Wir reisen weiter. Wir können zufrieden sein – nicht wahr, alter Freund?«

Der Kamhalox grunzte gutmütig und schnaubte. Die kleinen Augen des wuchtigen Tieres, das ein Terraner wohl mit einem Ochsen verglichen hätte, funkelten unternehmungslustig. Morris war immer da gewesen, solange Alexim zurückdenken konnte. Schon sein Vater hatte mit ihm das Mesoport-Netz des Sternhaufens bereist. Er hatte das Tier aufgezogen und trainiert, bis der Kamhalox mithilfe des Kurz-Impulses jede Weiche des Netzes in Orellana fand und ihn zum Ziel brachte.

Ja, dachte der Händler, ich habe gut getauscht und gekauft. Mit meiner Ausbeute kann ich weiterreisen und zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Alexim gab Morris einen leichten Klaps auf den breiten Rücken. Dann setzte er sich in Bewegung. Der Kamhalox trottete brav und treu hinter ihm her.

Vor dem Dorfminster mitten in der Gemeinde blieb er stehen. »Noch einmal bedanke ich mich für die Gastfreundschaft und die Geschäfte«, sagte er höflich und verbeugte sich.

»Wir haben zu danken«, sagte der Dorfminster von Onnyx. »Dein Besuch war eine Ehre für uns, und die vielen Gespräche waren uns ein Labsal. Wir haben es genossen, mit dir an den Feuern der Hütten zu sprechen, bei altem Wein und wohlschmeckenden Speisen.« Er sprach für das ganze Dorf und strahlte jene Würde aus, die den gewählten Vorstehern jeder Telomon-Kolonie zu eigen war.

Alexim war gerührt. Ein Abschied fiel immer schwer, da konnten noch so viele neue Stationen und Welten vor ihm liegen. Er winkte den anderen Telomon zu, rund dreihundert kleine Wesen, und gab sich den letzten Ruck.

Mit dem voll bepackten Morris, der ihm auf dem Fuß folgte, begab er sich zur Dorfmitte. Die Mesoport-Weiche, eine Art »Nebelbank« von fünf Metern Durchmesser, bildete hier das Tor zu den anderen Welten Orellanas. Noch einmal blieb er stehen und sog die würzige Luft ein.

Dann überprüfte er seine Instrumente, ein längst zur Gewohnheit gewordenes Ritual. Der Mikro-Wissende, zwischen den roten Haarbüscheln am Kopf des Händlers befestigt, wo er ihm seinen Rat und die Antworten auf seine Fragen einflüstern konnte; das winzige Auge der Andury, das ihm alles zeigte, was die eigenen Sinnesorgane nicht wahrnehmen konnten; das ebenso kleine Ohr der Andury, mit dem er stets in Verbindung mit anderen Händlern und Telomon stehen konnte – alles war da und funktionsfähig.

»Also los, Morris«, sagte er endlich. »Imnova wartet …«

Der Kamhalox grunzte. Alexim ging in die Knie und sprang auf den Rücken des treuen Tiers, in den Nacken zwischen dem mächtigen Kopf und dem Traggestell. Morris trottete voran, in die Nebelbank hinein. Der Telomon spürte förmlich, wie Morris seine Para-Fähigkeiten aktivierte.

In seinen Gedanken formte er ein Bild der Gegenstation, an die er gelangen wollte, und strahlte dieses als mentalen Impuls an den Kamhalox aus. Er wusste, dass Morris im gleichen Moment diesen Impuls aufnahm und sein Ziel anvisierte.

Es war immer wieder ein faszinierender Augenblick, wenn sich die Welt scheinbar auflöste und die Reise durch das Kontinuum begann, das die Telomon zwar benutzten, aber wahrscheinlich nie würden begreifen können.

Das Mesoport-Netz …

Die einen sagten, dass es schon immer bestanden habe. Die anderen gaben sich überzeugt, dass erst ihre Vorväter, die Andury, es geschaffen hatten. Alexim Afateh wusste nur, dass er allein das Netz nie hätte nutzen können. Das überlichtschnelle Transportmedium war rätselhaft, den Telomon versperrt und fremd. Sie besaßen nicht die Fähigkeiten, es zu bereisen.

Wohl aber die Kamhalox …

Welche Fähigkeiten diese einsetzten, wusste allerdings keiner. Alexim formte in Gedanken ein Bild der Mesoport-Weiche, zu der er gelangen wollte, und Morris sorgte dafür, dass der Transport ablief.

Die Umgebung verschwand vor seinen Augen. Alexim spürte ein leichtes Ziehen im Hinterkopf und sah die roten »Wände« um sich herum aufblitzen, die »Wände« des Korridors, durch den sie glitten, tausendfach schneller als das Licht. Die Telomon nannten ihn gelegentlich den »Magenta-Korridor«, wegen dieser grellroten Färbung. Er blitzte um den Händler herum auf, schien sich zu stabilisieren, erschien für einen Moment sehr real …

… und dann war es auch schon vorbei.