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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

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Nr. 2386

 

Die Diskrete Domäne

 

Unterwegs bei den Telomon – ein Aktivierungswächter sucht nach seiner Aufgabe

 

Michael Marcus Thurner

 

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Wir schreiben den Januar 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4933 alter Zeitrechnung: Seit Monaten stehen die Erde und die anderen Planeten des Solsystems unter Belagerung. Einheiten der Terminalen Kolonne TRAITOR haben das System abgeriegelt, während sich die Menschen hinter den sogenannten TERRANOVA-Schirm zurückgezogen haben.

Währenddessen hat die Armada der Chaosmächte die komplette Milchstraße unter ihre Kontrolle gebracht. Nur in einigen Verstecken der Milchstraße hält sich weiterhin zäher Widerstand. Dazu zählen der Kugelsternhaufen Omega Centauri mit seinen uralten Hinterlassenschaften und die Charon-Wolke. Wenn die Bewohner der Galaxis aber eine Chance gegen TRAITOR haben wollen, müssen die Terraner unter Perry Rhodans Führung mächtige Instrumente entwickeln.

Und sie müssen einen Weg finden, nach Hangay vorzustoßen – dort entsteht eine sogenannte Negasphäre, was der Grund für die Aktionen der Terminalen Kolonne ist. In der Region zwischen Hangay und Milchstraße stoßen die Terraner auf eine besondere Kultur: die Telomon. Doch das Mesoport-Netz, das sie für ihre Reisen und den Transport benutzen, ist bedroht – ebenso DIE DISKRETE DOMÄNE …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Ama Zurn – Ein Aktivierungswächter erhält eine neue Aufgabe.

Alexim Afateh – Der Telomon gründet eine neue Diskrete Domäne und erlebt sein kleines Glück.

Lemaha Eliyund – Die Lebensgefährtin Alexims trägt sich mit dem Gedanken an ein neues Leben.

Synge Braumbolz – Die Witwe interessiert sich sehr für Ama Zurns Liebesleben – und das aller anderen.

Dendio Bauchel – Ein Telomon wächst über sich selbst hinaus.

Allanas-Dreen – Der Tad de Raud jagt im Namen seiner Präkog-Prinzessin die Unsichtbaren.

1.

 

Risse.

Ausgefranste Zackenrisse, breiter und tiefer werdend. Sie durchzogen das Magentarot. Zerfetzten es in kleinste Teilchen. Erzeugten Bilder, die Geist und Verstand verwirrten.

Alexim Afateh ahnte, dass im Dahinterraum ein Irgendetwas wartete, das so abgrundtief schlecht war, dass selbst sein Schutzgott Taggilla vor Angst gestorben wäre.

Wann ist es endlich vorbei?!, schrie er, ohne sprechen oder sich selbst hören zu können. Denn hier, im Inneren des Magenta-Korridors, gab es nichts.

Ein Moment wurde zur Ewigkeit. Er bestand bloß noch aus schrecklichen Gefühlen.

Hatte er einen Fehler gemacht, als er beschloss, den geheimnisvollen Mann nach Dynh Abhwelt zu bringen? Verriet er damit nicht eines der großen Geheimnisse seines Volkes? Würde das Mesoport-Netz endgültig zusammenbrechen? Und, nicht zuletzt: Brachte er Lemaha Eliyund, die stets seine Torheiten mitgetragen hatte, in Gefahr?

Der Transport, der eigentlich zeitlos verlaufen sollte, endete nach einer halben Ewigkeit unter azurblauem Himmel. Alexim konnte endlich ausatmen, konnte seinen Körper auf die Anspannung, die ihn im Griff hielt, reagieren lassen.

Er blickte auf den Mann auf der Trage, hatte keine Augen für die unwirklich schöne Landschaft von Dynh Abhwelt, in der sie plangemäß gelandet waren.

Das Wesen starrte ihn an. Es lebte.

2.

 

Mein Erwachen wurde von seltsamen Effekten begleitet.

Fünfdimensionalen?

Im Übergang zwischen Sein und Nicht-Sein empfing mein gequälter Kopf Impressionen eines zerreißenden Schlauchs, knallrot, der mich irgendwohin transferierte. Ich verstand es nicht, konnte die ersten Momente meines Neugeborenseins nicht genügend verarbeiten. Die Eindrücke vermengten sich mit Resten hässlicher Erinnerungen; solcher, deretwegen ich in den Schlaf geflüchtet war.

Der von bedrohlich wirkenden Blitzen zerrissene Horizont erweiterte sich, machte einem Himmelblau Platz.

Himmel. Blau.

Irgendwo, hinter mir, strahlte eine Lichtquelle. Eine weiße Sonne, deren Strahlen über weit ausladende Äste dunkelgrüner Nadelbäume spielten.

Ein riesengroßes Etwas drängte sich in mein Gesichtsfeld. Das kugelrunde Ding, das mir die Sicht in den Himmel versperrte, schien von einem volltrunkenen oder irrsinnigen Bildhauer aus dem hässlichsten verfügbaren Stück Stein gebrochen worden zu sein.

Kantig war es, grob geschnitten, schief, beherrscht von zwei übergroßen Leuchtpunkten, in denen sich etwas spiegelte.

Allmählich verstand ich, und ich erschrak.

Ich blickte einem klein gewachsenen Geschöpf in die Augen. Das, was ich als Spiegelung erkennen konnte, war mein eigenes Gesicht.

»Öffnen«, sagte ich leise.

Mein Dormoid erwachte zum Leben. Das transparente Oberteil rollte sich leise knirschend zur Seite hin ein.

Der Kleingewachsene sprang beiseite, entfernte sich aus meinem Gesichtsfeld. Ich hörte sein aufgeregtes Schnattern, unterbrochen von einer ähnlichen, aber höher klingenden Stimme.

»Keine Angst!«, sagte ich, ohne zu wissen, ob man mich verstand.

Vorsichtig richtete ich mich auf. Die Bewegung fiel mir schwer. Sie entsprang eher dem Instinkt als meinem bewussten Zutun.

Instinkt?, richtete eine Stimme in meinem Kopf ihre hämische Frage an mich. Ein Geschöpf wie du – wie wir! – kennt keinerlei Instinkt. Es besitzt lediglich das, was ihm seine Erzeuger eingepflanzt haben.

Richtig.

Ich war ein Erzeugnis.

Schluss damit! Derlei Grübeleien halfen mir zurzeit nicht weiter. Ich musste mir so schnell wie möglich einen Überblick verschaffen, die mir völlig unklare Situation enträtseln. Danach würde sich die Zeit finden, in der ich mir über meine eigene Existenz klar werden konnte.

Ich stützte mich seitwärts auf die Ränder des Dormoids, kam auf die Knie, schob mich aus dem Behältnis. Mein Horizont erweiterte sich augenblicklich – und ebenso meine Verwirrung.

Was hatten die beiden dröge dreinblickenden Zugtiere links und rechts von mir zu suchen? Eines wandte sich mir mit desinteressiertem Blick zu, während das andere unbeeindruckt auf einem Grasbüschel kaute.

Transporttiere. Eingeschirrt, mit vielen Lederköchern bepackt. Stinkend, doch von keinen Insektenschwärmen umgeben.

»Habt keine Angst«, sagte ich neuerlich zu den Kleinen, während ich mich zur Gänze aus meinem Schlafgefährt stemmte.

Die beiden Wesen – zwei Beine, zwei Arme, überdimensionierte Köpfe auf winzigen Körpern – trippelten vorsichtig einige Schritte zurück. Ihre Füße erzeugten kaum ein Geräusch im saftigen Grün, das uns umgab.

Zu viele Eindrücke.

Zu viele Informationen.

Zu viel Verwirrung …

Konzentrier dich auf das Wesentliche!, sagte jene Stimme im Hintergrund meines Bewusstseins, die ich bereits einmal vernommen hatte.

Ich wusste, dass sie ein Aspekt meines eigenen Ichs war. Ein Ausdruck meiner Logik, die mich von den sinnverwirrenden Bildern, die auf mich einstürmten, zum Erkennen des Wesentlichen drängten.

Ich ignorierte die Kleinwüchsigen für den Moment. Von ihnen ging, das spürte ich, keine Gefahr aus. Ich richtete mein Augenmerk auf die Gebäude, die sich im Tal vor mir in die Höhe schoben.

Ich sah Dutzende blaue und goldene Türme. Spitz und schnörkellos deuteten sie in den Himmel. Rings um die Bauten befanden sich Blumenbeete, deren Blüten gelb und rot schimmerten. Die Stadt endete wie mit einem scharfen Messer abgetrennt. Der unbekannte Erbauer besaß wohl eine Vorliebe für Symmetrie und genaue Abgrenzungen.

»Womit habt ihr mich transportiert?«, fragte ich die beiden Kleinen, ohne eine Antwort zu erhoffen.

Dass sie mich mit ihren Zug- und Tragtieren hierher geschleppt hatten, stand außer Frage. Wie, warum und woher – dies waren Dinge, um die ich mich später kümmern würde.

Ich tat einen Schritt auf die Gebäude zu – und stürzte fast über die sanfte Böschung. Meine Beine fühlten sich müde an, auch wenn die Muskulatur während des Schlafs im Dormoid keinerlei Schwächung unterlegen zu sein schien.

Vorsichtig ging ich weiter, setzte Fuß vor Fuß, sorgsam auf die Koordination meiner Gliedmaßen bedacht.

Es dauerte nicht lange, bis ich die Bewegungsabläufe verinnerlicht hatte. Offenbar hatte mein Körper gewisse Dinge während der Schlafperiode vergessen und benötigte einige Zeit, um sich wieder an das Zusammenspiel von Befehlsimpulsen, Nervenreizen, Sehnen und Muskeln zu gewöhnen.

Ein schmaler, kaum erkennbarer Weg zog sich den Hügel hinab. Niedergetrampeltes Gras und beiseitegedrücktes Gehölz waren Zeichen dafür, dass dieser Pfad genutzt wurde. Selten, aber immerhin.

Etwas – oder jemand – zupfte mich am Ärmel. Ich blieb stehen und drehte mich um. Der Kleine, der hinter mir hergehechelt war, schien einem Kreislaufkollaps nahe zu sein. Er hatte sein kantiges Kinn weit vorgeschoben. Er wollte wohl energisch wirken und damit die Angst übertünchen. Seine Augen wirkten glasig, drohten aus den tiefen Höhlen zu fallen. Er ruderte mit den Armen, als gälte es, sich eines Rudels wilder Bestien zu erwehren – oder mir, dem Fremden, etwas Wichtiges zu erklären.

»Also gut, mein Freund. Du willst mir etwas sagen?« Unwillkürlich musste ich lächeln – und freute mich im selben Augenblick, dass ich die Gabe dazu besaß. »Es wird wohl eine Weile dauern, bis wir uns verständigen können. Hab bitte etwas Geduld und lass mich zuallererst diese Gebäude ansehen. Sie wirken … anziehend auf mich.«

Ja, das taten sie. Die farbenfrohen und verlassenen Häuser strahlten etwas aus, was in meinem Inneren nachhallte. Noch konnte ich dieses Gefühl nicht einordnen; wie so vieles, was rings um mich geschah. Eines allerdings stand für mich bereits jetzt fest: Die beiden Winzlinge stammten nicht aus der Stadt – und dennoch hatten sie damit zu tun.

Intuition. Ein neues Faktum, ein weiterer Teil meiner Persönlichkeit. Ich verließ mich auf Dinge, die sich mit heftiger Plötzlichkeit in meinen Gedanken manifestierten.

Falsch.

Meine Erzeuger hatten geplant, dass ich so reagieren musste. Ich sprach auf ganz bestimmte Reize an, die ich derzeit noch nicht greifen, nicht definieren konnte.

»Ich will euch nichts Böses«, fuhr ich in Richtung des Kleinen fort, in Gedanken ganz woanders. »Ich brauche bloß ein wenig Zeit, um mich zu orientieren. Mein Name ist … ist Ama Zurn.«

Eine weitere Erinnerung! Sie war einfach da, ausgelöst durch die Notwendigkeit, sie zu nutzen.

»Ama Zurn«, wiederholte der Kleine. Er nickte so heftig, dass ich befürchtete, der schwere Kopf würde sich vom Rumpf lösen. Indes deutete er auf einen Kopfhörer, den er sich um den Hals gelegt hatte und dessen faserdünnes Kabel in einem kleinen Kästchen mündete, das mit den spaßig anmutenden Hüpfbewegungen seines Besitzers mitschwankte.

Mikrotechnik! Ich schimpfte mich einen Narren ob meiner Nachlässigkeit. Längst schon hätte ich wissen müssen, dass mich die beiden Wesen nicht ohne Zuhilfenahme moderner Technik von meiner Schlafstätte hierher hätten verfrachten können. Ich funktionierte fehlerbehaftet. Ich hatte meine Erwecker aufgrund ihrer geringen Körpergröße minder eingeschätzt.

Ich schob das Verlangen, in die Stadt hinabzumarschieren und sie zu erkunden, vorerst nach hinten. Möglicherweise bekam ich hier und jetzt Antworten, die mir in weiterer Folge helfen würden, schneller zu mir zu kommen.

Also redete ich, während der Kleine immer wieder aufgeregt nickte und auf sein Brustkästchen deutete. Es konnte nicht mehr lange dauern, und ein Grundwortschatz würde es der Translator-Einheit erlauben, einen Kontakt zwischen uns herzustellen.

»Abgeschlossen«, piepste es plötzlich aus dem Gerät. »Wortschatz bereit. Morpheme, Lexeme und formale Semantik vorhanden und hochgeladen. Kontakt von nun an möglich …«

Die Sprache, die das Gerät erlernt hatte … Lemurisch. Ja. So bezeichnete man die Sprache, in der ich mich seit jeher zu verständigen wusste.

»Taggilla ist mit mir!«, sagte der Kleine. »Endlich können wir miteinander reden.«

Er beendete die nervöse Zappelei, die ihn wie ein aufgezogenes Spielzeug wirken ließ.

»Ich bin Alexim Afateh, und das wunderhübsche Geschöpf hinter mir, diese Blume der Schöpfung, ist Lemaha Eliyund. Wir entstammen dem Volk der Telomon.«

»Und mein Name ist, wie gesagt, Ama Zurn.« Ich nickte und deutete zugleich eine Verneigung an.

»Freut mich, Übergroßer Xangwang.« Hier versagte die Übersetzungstechnik.

Alexim gab einen Laut von sich, den ich als abgrundtiefen Seufzer interpretierte. »Ich bin froh, dass wir dich wecken konnten. Und ich hoffe beim Bart des Taggilla, dass du tatsächlich so viel Uhaeff in dir trägst, wie der Mikro-Wissende anzeigt.«

»Uhaeff? Ich weiß nicht, was du meinst …«

»Ultrahochfrequente Energie. Sie hat uns auf deine Spur gebracht. Dein Behälter strahlt es aus …«

»Mein Dormoid?« Ich überlegte. »Ja, das mag sein.«

»Wir brauchen jemanden, der sich mit Uhaeff auskennt.« Alexim machte ein weinerliches Gesicht. »Unserem Volk droht der Untergang, und wir haben verlernt, uns selbst zu helfen.«

Er schwieg, zog die Unterlippe weit hinab, sodass er einen herzerweichenden Anblick bot.

Mir fiel es leicht, seine Physiognomie zu lesen. In vielen Dingen schienen die Telomon den Lemurern zu ähneln. Meinen Vorbildern zu ähneln.

»Mir ist vieles noch unklar«, wich ich einer direkten Antwort aus. »Ich muss zuallererst zu mir selbst finden.« Ich deutete hinab ins Tal. »Dort will ich hin. Irgendetwas zieht mich hinab. Ihr könnt mitkommen oder hier bleiben, wie es euch beliebt. Wenn ich in Erfahrung gebracht habe, was mir diese Stadt zu bieten hat, dann reden wir weiter. Einverstanden?«

»Du willst … And’rol betreten?« Alexims Augen rollten wild. »Das kannst du nicht, das darfst du nicht, das geht nicht!« Seine Stimme steigerte sich zu schrillem Diskant, schallte weithin über Wald und Wiese, brach sich an den Wänden der Gebäude, hallte als dumpfes Echo zurück.

Augenblicklich brach Alexim ab, flüchtete sich zu seiner Begleiterin, die mir wesentlich ruhiger und gefasster erschien. Sie drückte seine Rechte auf eine plumpe, kleine Gestalt im ledernen Holster an seiner Hüfte.

»Taggilla«, war das einzige Wort, das ich der geflüsterten Diskussion der beiden Telomon entnehmen konnte.

Sie kümmerten mich nicht weiter. Sollten sie tun, was auch immer sie wollten. Diese Unterhaltung erzeugte tief gehende Nervosität in mir. In der Stadt And’rol gab es Antworten. Solche, die mir wichtiger erschienen als jene nach meinem Erwachen und den Problemen des kleinen Volkes.

Ich drehte mich um, verbannte Alexim und Lemaha aus meinen Gedanken und konzentrierte mich auf die Stadt.

3.

 

»Wir können ihn nicht so einfach zur Stadt vordringen lassen!«, jammerte Alexim. »Was haben wir getan, was für ein Monster haben wir da erweckt?«

»Beruhig dich gefälligst!« Lemaha fuhr ihm mit den Fingernägeln übers Gesicht. Schmerzhaft intensiv spürte er ihre innere Kraft, die sie ihm weitervermitteln wollte. »Am Holografischen Pförtner kommt er nicht so ohne Weiteres vorbei. Die Stadt kann sich sehr wohl selbst schützen, wie du weißt.«

Alexim nickte heftig, immer wieder. »Aber er ist so groß, so kraftvoll … er sieht so aus, als könnte er den Pförtner einfach beiseiteschieben.«

»Stärke allein ist nicht alles. Man benötigt mehr, um And’rol zu betreten.« Lemaha wirkte seltsam nachdenklich. Schließlich drehte sie sich abrupt beiseite und ging mit raschen Schritten zu den beiden Kamhalox zurück. »Hilf mir, Karratx und Morris abzuschirren; sie drehen sonst nach der anstrengenden Passage noch durch. Wir versorgen sie, schaffen dieses Dormoid-Dings beiseite und folgen anschließend Ama Zurn.«

Pragmatismus war eine Stärke dieser Frau. Sie wusste ganz genau, was wann zu tun war. Ging es den Tieren schlecht, ging es auch ihnen schlecht. Dieser Grundregel hatten sie Tribut zu zollen.

Also arbeiteten sie verbissen und zügig, um den Kamhalox nach dem Transport die notwendigen Annehmlichkeiten zu verschaffen. Dennoch übertrug sich ihre Unruhe auf die Tragtiere. Morris trat schließlich gutmütig in Alexims Richtung aus und entfernte sich ein paar Schritte, gefolgt von Karratx. Die Kamhalox rieben ihre Felle aneinander und suchten sich, der beengenden Traggestelle ledig, eine kleine Lache, aus der sie Wasser soffen und ihren Besitzern dabei verachtungsvoll die Hinterteile zuwandten. Beide hatten ein feines Gespür und mochten es nicht, wenn sie während der täglichen Pflege nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen.

Lemaha wollte hinterher, ihrem sonst so treuen Tier gut zureden und eine Seelenmassage verabreichen. Nur mühsam konnte Alexim sie davon abhalten. Die Kamhalox mussten warten.

»Schnell, schnell!«, feuerte er die geliebte Frau an, während sie den schmalen Weg hinabhetzten. Wo war Ama Zurn geblieben? Nirgends zeigte er sich, schien vom Erdboden verschluckt zu sein.

»Wir hätten ihn niemals allein lassen dürfen!« Alexim streichelte über Taggilla, spürte die fasrige Oberfläche seines Fetischgottes, beruhigte sich ein wenig. »Es kann nichts passiert sein. Es darf nichts passiert sein. And’rol weiß sich selbst zu schützen …«

»Jetzt halt endlich deinen Mund!«, fuhr ihn Lemaha an. »Du redest dich in Panik …«

»Halt!«

Eine Gestalt trat zwischen den beiden vordersten Türmen hervor. Winzig wirkte sie angesichts der gewaltigen Bauwerke. Und doch war der Holografische Pförtner doppelt so groß wie sie selbst.

»Die Stadt ist möglicherweise in Gefahr«, keuchte Alexim. »Hast du Ama Zurn gesehen? Den Riesen? Braune Haut, nahezu schwarze Haare. Glattes, langweiliges Gesicht. Und er stinkt gewaltig …«

Der Pförtner deutete ein Lächeln an, während er die Arme ausbreitete und sie am Weiterlaufen hinderte. »Natürlich haben wir ihn bemerkt. Dieser Tage kommen nicht allzu viele Wesen zur Stadt And’rol«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Und Fremde sind noch weniger unter ihnen.« Er zog die Stirn kraus, als dächte er angestrengt nach. »Um genau zu sein: Er ist der erste Nicht-Telomon, der And’rol betreten durfte.«

»Du … Ihr habt ihn passieren lassen?« Alexim beugte sich vor, kam mühsam wieder zu Atem.

»Selbstverständlich. Wir können ihn gut gebrauchen.« Der Pförtner ließ die Arme länger und länger werden, schubste sie vorsichtig ein paar Schritte zurück und versank schließlich in selbstvergessener Zufriedenheit, in der Alexim und Lemaha keinen Platz hatten. Der Zugang zur Stadt wurde ihnen einmal mehr verwehrt.

4.

 

Der Wächter der Stadt war ein Ebenbild der beiden Telomon, lediglich doppelt so groß. Er musterte mich von oben bis unten, stellte sich in Lemurisch als »Holografischer Pförtner der Stadt And’