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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Epilog

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

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Nr. 2390

 

Der Raum-Zeit-Router

 

Sie wollen die Opal-Station stehlen – Friedensfahrer in ungewohnter Rolle

 

Arndt Ellmer

 

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Wir schreiben das Jahr 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4933 alter Zeitrechnung. Seit Monaten stehen die Erde und die anderen Planeten des Solsystems unter Belagerung. Einheiten der Terminalen Kolonne TRAITOR haben das System abgeriegelt, während sich die Menschen hinter den sogenannten TERRANOVA-Schirm zurückgezogen haben.

Währenddessen hat die Armada der Chaosmächte die komplette Milchstraße unter ihre Kontrolle gebracht. Nur in einigen Verstecken der Galaxis hält sich weiterhin zäher Widerstand. Dazu zählen der Kugelsternhaufen Omega Centauri mit seinen uralten Hinterlassenschaften und die Charon-Wolke. Wenn die Galaktiker aber eine Chance gegen TRAITOR haben wollen, müssen sie mächtige Instrumente entwickeln.

Die neuen Verbündeten von Perry Rhodans Terranern, die Friedensfahrer, begeben sich unterdessen nach Hangay: Dort stoßen sie auf einen Kosmischen Messenger, dem es so wenig wie ihnen selbst möglich zu sein scheint, in diese Galaxis vorzudringen. Allerdings finden sie auch eine seltsame Station. Aus den Erinnerungen von Kintradim Crux geht hervor, dass es sich um eine seltene Einheit der Chaosmächte handelt: Sie ist DER RAUM-ZEIT-ROUTER …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger lüftet für Mondra seine Maske.

Mondra Diamond – Sie glaubt, von Kintradim Crux’ Einfluss befreit zu sein.

Polm Ombar – Der Revisor der Friedensfahrer kämpft an vorderster Front gegen die Truppen TRAITORS.

Kantiran – Der Garant der Friedensfahrer muss die richtigen Worte finden.

Ommegon – Ein Friedensfahrer hadert mit dem »neuen Kurs« des Geheimbundes.

Prolog

 

Bald, dachte Chyndor, der Patron der Friedensfahrer. Bald würde er Cala Impex, den ersten hoffentlich dauerhaften Stützpunkt seiner Organisation in der fremden Galaxis, erreichen.

Die ihm vorliegenden Daten klangen strategisch vielversprechend, inhaltlich aber dürftig, und nicht zum ersten Mal spürte der kleine, grünhäutige Heesorter beinahe so etwas wie Bedauern darüber, aus dem Korps der Friedensfahrer an deren Spitze getreten zu sein. Er wünschte sich etwas von der Freiheit zurück, die er bis dahin genossen hatte, und wusste zugleich, dass es für ihn nie wieder so sein würde.

Der knapp dreitausend Kilometer durchmessende Irrläufermond Cala Impex lag hoch über der Hauptebene Hangays im Halo dieser gewaltigen Galaxis, 60.833 Lichtjahre von ihrem Zentrum entfernt.

Hangay war zum Fokus der Hohen Mächte geworden, und was auch immer sich dort abspielte, es entspräche dem Zentrum eines Bebens, das sämtliche umliegenden Galaxien beeinflussen würde. Die Chaotarchen setzten alles daran, aus Hangay eine Negasphäre, eine Brutstätte des Chaos, zu machen, während ihre natürlichen Gegenspieler, die Kosmokraten, dies verhindern wollten, aber nicht zu tun vermochten, da ihre Einsatzkräfte an anderen, kaum weniger wichtigen Stellen des Universums gebunden waren. Hangay war die Schwachstelle der Kosmokraten, und das wussten die Mächte des Chaos oder hatten es sogar ganz genau so geplant. Die Einzigen, die eine hauchdünne Chance besaßen, in die Entwicklung einzugreifen, waren die Bewohner des lokalen Galaxienclusters – und die Friedensfahrer.

Der Bund der Friedensfahrer besaß bislang einen weiteren Vorteil: Er tauchte in den Kalkulationen von TRAITOR, jenem Instrument des Chaos, das gegenwärtig alle Aktionen dieses Sektors leitete, nicht auf. Während Galaxien wie die Milchstraße, Andromeda und Hangay dem Feind genauestens bekannt waren, kamen die Friedensfahrer aus einer anderen Gegend jenes Gebiets, das sie als »Universale Schneise« bezeichneten. Sie waren sozusagen der Joker im Spiel um die Negasphäre.

Das jedenfalls hofften sie.

Ein leichter Luftzug verriet Chyndor die Ankunft seines Begleiters. Der Friedensfahrer löste sich sanft aus der Gedankensteuerung seines Schiffes. Automatisch übernahm der Bordrechner die Kontrolle des Fluges. Chyndor schwenkte den Sessel herum und sah seinem silbernen Spiegelbild entgegen, das den kreisrunden Steuerraum betreten hatte.

Das längliche, trapezförmige Gesicht, die Körpergröße, das eine Auge, selbst der geschmeidige Gang – all das stimmte mit ihm selbst überein. Die Außenhaut jedoch glänzte chromfarben. Dadurch wirkte der Ankömmling nur bedingt wie ein Heesorter. Unmittelbar neben dem Eingang blieb er stehen.

In dem farbenfrohen Kontrollraum der ELLSUNTUR wirkte er eher wie ein Fremdkörper, obwohl er zum Inventar der OREON-Kapsel gehörte.

»Patron, wir erreichen bald das Ziel der Reise«, sagte die Gestalt, die eher einem Roboter als einem Androiden glich. »Hast du besondere Anweisungen für mich?«

»Nein, Gangroo. Nicht jetzt. Vielleicht bei unserer Ankunft, falls besondere Umstände am Ziel es erfordern.«

»Sehr wohl, Patron«, antwortete Gangroo freundlich und in seiner angenehmen, halblauten Sprechweise.

Chyndor schwenkte seinen Sessel in die Ausgangsstellung zurück. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Holokugel, die im Zentrum des Raumes zwischen den sechs orangefarbenen Sesseln hing. Sie zeigte sein Zielgebiet – Hangay mit seinen Abermillionen Sonnen.

»Rückkehr in den Normalraum in wenigen Augenblicken«, meldete der Bordrechner der Kapsel.

Chyndor wandte sein gelbes Auge dem grünen Wandsegment zu, in dem die normaloptische Darstellung der Umgebung auf einem großen Bildschirm erfolgte. Mit dem Eintauchen ins Standarduniversum brach die grelle Lichtflut der Galaxis über den Steuerraum herein.

Gleichzeitig schlugen die Hypertaster bis zum Anschlag aus. Sie zeigten nur für Experten und die Bordrechner verständliche Muster Dutzender Sektoren im Halo, wobei einige grelle, magentafarbene Linien ungewöhnlich stark und häufig ausfielen. Chyndor war kein ausgewiesener Fachmann in diesen Fragen, aber er wusste genug, um eine solche Darstellung nicht unbeachtet zu lassen. Alarmiert fuhr er den Sessel näher heran und deutete auf die Darstellungen.

»Was bedeutet das?«, fragte er.

»Störquellen, Patron; Ursache unbekannt.«

Die Entwicklung war neu für Chyndor. Es hielt ihn kaum noch in seinem Sessel. Ungeduldig trommelten seine Finger auf die seitlichen Wülste des Sessels.

»Cala Impex identifiziert und im virtuellen Fadenkreuz fixiert«, meldete der Bordrechner. »Ich leite das Bremsmanöver ein.«

Von dreißig Prozent Lichtgeschwindigkeit auf ein paar hundert Kilometer pro Sekunde herunterzubremsen, ohne dabei verräterische Emissionen ins All zu pumpen, das verlangte auch einem Raumschiff der Friedensfahrer einiges ab. Die OREON-Kapsel verbarg sich vor den meisten Ortungsgeräten zwar unter dem Schutz ihrer »Haube«, aber diese Sicherheit hatte Grenzen, ganz besonders in einer Galaxis, die im Fadenkreuz der Hohen Mächte stand.

Chyndor schickte einen gerafften und kodierten Hyperimpuls an die in tiefen Kratern des Mondes ausgelegten Antennen. Ein kurzer Antwortimpuls zeigte an, dass man seine Botschaft erhalten hatte. Die Art und Weise der verwendeten Kodierung beruhigte ihn gleichzeitig. In Cala Impex war alles in Ordnung.

Die ELLSUNTUR näherte sich dem Irrläufermond und glich ihre Geschwindigkeit der seinen an. Anschließend sank sie in einen Krater, dessen Boden sich für die OREON-Kapsel öffnete. Darunter erstreckte sich ein Schacht, der hinab zum Hangar des geheimen Stützpunkts führte.

Der Patron der Friedensfahrer staunte nicht schlecht, als er wenig später die vielen Dutzend OREON-Kapseln sah, die den Hangar füllten. Er verstand es als gutes Zeichen für die Zukunft und die Friedensfahrer.

 

*

 

Die mörderischen, dornengespickten Ranken schwebten reglos über dem Stahlplastik des Hangarbodens. Als Chyndor sich näherte, schüttelte sich das Gewächs und produzierte Geräusche, die an brechendes Glas erinnerten.

Chyndor wusste, dass das Pflanzenwesen keineswegs feindlich oder aggressiv war; wie er selbst gehörte es zu den Friedensfahrern, von denen kaum einer dem anderen äußerlich glich, die aber alle eine Philosophie einte. Eine Ranke streckte sich ihm entgegen und kringelte sich wieder ein.

»Willkommen, Patron«, raschelte es aus dem Geflecht.

»Danke, starrer Shala!«

»Folge mir und lausche«, säuselte der starre Shala, während er vor Chyndor herging. »Die Informationen dulden keinen Aufschub. TRAITOR beginnt, den Völkern von Hangay die Wege abzugraben. Es wird nicht lange dauern, dann kommen die Wurzelschneider und besorgen den Rest. Zahlreiche Einheiten TRAITORS sind schon da. Selbst ein Kosmischer Messenger hatte keine Chance, nach Hangay zu gelangen.«

Chyndor zuckte zusammen. »Ein Kosmischer Messenger? Und du bist dir ganz sicher?«

Kosmische Messenger waren »Boten« des Moralischen Kodes und übermittelten dessen Befehle, sorgten für die Stabilität des Universums; sie besaßen so wenig Bewusstsein wie der Kode selbst und dessen einzelne Kosmonukleotide – jedenfalls, soweit Chyndor wusste –, aber in ihnen ruhten die Grundfesten des Seins. Wenn einer Region des Kosmos der Kontakt zu den für sie vorgesehenen Messengern verloren ging … nun, das mochte vieles bedeuten, zuvorderst jedenfalls förderte es die Entstehung von Chaos und damit der Negasphäre.

»Wir erkannten ihn zunächst nicht als das, was er war, sondern nannten ihn Objekt Ultra.« Der Körper Shalas geriet in Aufruhr. »Das Ding tauchte kurz nach den Schiffen TRAITORS auf.«

Er berichtete Chyndor von den 1,2 Millionen Traitanks, die sich am Sektor D-MODA versammelt und diesen weiträumig abgeriegelt hatten. Zwei Tage nach ihrer Ankunft hatten sie begonnen, Störsignale in fast jedem Frequenzbereich zu senden.

»Die Signale verhindern exakte Ortungsergebnisse in einem Sektor von ungefähr fünfzig Lichtjahren Durchmesser«, informierte Shala den Patron. »Wir haben sofort Passivsonden in Marsch gesetzt. Anfangs gelang es ihnen, einen Teil der Störsignale wegzufiltern. Übrig blieben energetische Phänomene, wie sie für den RUFER in der Milchstraße charakteristisch waren.«

Chyndor versank übergangslos in dumpfes Brüten. Von Alaska und Kantiran wussten sie, was diese Phänomene bewirkten: Es handelte sich um Peilsignale in ferne Galaxien und fremde Universen.

»Dann kam der Kosmische Messenger«, fuhr der starre Shala fort. »Saedelaere geht davon aus, ein Reparaturmechanismus des Moralischen Kodes hätte ihn nach Hangay geschickt, um die Entstehung der Negasphäre zu verhindern.«

Die beiden ungleichen Wesen erreichten einen Antigrav, der hinab in die Steuerzentrale führte. Chyndor entdeckte mehrere Friedensfahrer, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte: Ulphander Groht, Massajewa, den Sauger, Phenigma und Toulause, aber auch Wesen wie Trizips, Edzep und einige andere. Sie standen oder saßen an den Kontrollterminals und behielten die Umgebung des Irrläufers im Auge.

Der starre Shala deutete mit mehreren Ästen auf einen großen Orterschirm. »Die Flotten TRAITORS scheinen bei D-MODA ihren Sammelplatz zu haben«, sprach er. »Auf dem Schirm hier drüben siehst du die zahllosen Fehlversuche des Kosmischen Messengers dokumentiert, nach Hangay hineinzugelangen.«

Chyndor stellte fest, dass die Hyperemissionen des Objekts mit der Zeit schwächer wurden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hatten sie beinahe ein Drittel ihrer ursprünglichen Stärke eingebüßt. Der Messenger schaffte es nicht bis ans Ziel. Er war ebenso zu spät gekommen wie die Friedensfahrer in ihren OREON-Kapseln, für deren Antriebssysteme rund 30.000 Lichtjahre vor Hangay Schluss war.

Ein fremdartiges Gebilde erweckte die Aufmerksamkeit des Patrons. Er musterte es eine ganze Weile schweigend, verglich das Aussehen und die Proportionen des Giganten mit seinem Wissen und kam zu dem Ergebnis, dass er so ein Ding noch nie gesehen hatte.

»Das ist die Opal-Station, die plötzlich in der Nähe des Messengers auftauchte«, erläuterte der Starre. »Garant Kantiran und seine Freunde sind ins Innere des Gebildes vorgedrungen. Sie havarierte bei ihrem Erscheinen, wir führen das auf die Emissionen des Kosmischen Messengers zurück.«

Die Opal-Station erinnerte an die geöffnete Klaue eines Raubtiers, mit drei Krallenfingern und einem kürzeren Daumen, und das in einer gigantischen Größe. Der Durchmesser des Gebildes betrug an der weitesten Stelle zwanzig Kilometer. Einen solchen Typ Station hatte man bisher nicht unter den Einheiten der Terminalen Kolonne TRAITOR beobachtet.

»Ein Fehlsprung, wenn ich die Messwerte richtig deute.« Chyndor ließ sein Auge kreisen.

»Das sehen wir auch so«, bestätigte der Starre. »Die Station hat sich durch den Messenger in die Irre führen lassen. Ihre Funktion ist uns bislang unbekannt.«

»Sind Kantiran, Saedelaere und die anderen diesem Geheimnis nähergekommen?«

»Sie suchen zuerst nach einer Möglichkeit, den Antrieb flottzubekommen. Sie wollen die Station in Sicherheit bringen, nach Terra oder nach Char…«

Eine laute Stimme aus den Akustikfeldern der Steuerzentrale unterbrach das Pflanzenwesen. »Soeben fangen wir einen ultrakurzen Impuls aus der TASOR auf, die ihre Position verlassen und sich zwanzig Lichtjahre von der Station entfernt hat. Unser Brückenkopf auf der Station wird angegriffen. Und Mondra Diamond ist verschwunden.«

Also gab es doch Überlebende unter der Stationsbesatzung! Chyndor fuhr herum. »Wie viele sind wir hier?«

»Es sind seit dem Aufbruch des Garanten zweiundneunzig Friedensfahrer hinzugekommen, die derzeit keine Aufgabe haben, dazu acht OREON-Transporter mit jeweils fünf Androiden.«

»Achtzig von uns fliegen sofort zur Opal-Station. Die übrigen zwölf kümmern sich um den Sektor D-MODA. Mit der gebotenen Vorsicht, versteht sich. Der Rest bereitet sich vorsorglich auf eine Evakuierung von Cala Impex vor.«

Es war schlimm genug, dass die oberen Ränge TRAITORS durch die missglückte Gefangennahme des designierten Piloten des Chaotenders sehr wahrscheinlich von der Existenz der Friedensfahrer erfahren hatten. Es durften ihnen nicht auch noch Angehörige der Vereinigung in die Hände fallen. Wenn das geschah, konnte es innerhalb weniger Tage zur Zerstörung von Cala Impex und vor allem von Rosella Rosado kommen. Nicht einmal die Heiße Legion würde es verhindern können, wenn sich die Kolonne mit Gewalt den Zugang ins Heimatsystem der Friedensfahrer erzwang.

Chyndor beobachtete auf einem der Bildschirme, wie die Angehörigen von über neunzig Völkern nacheinander die Aufenthaltsräume und Kabinen verließen und sich auf den Weg zu ihren Kapseln machten. Ein paar der OREONS starteten sofort, ihre Insassen waren erst gar nicht von Bord gegangen.

Jedes dieser Wesen war allen anderen auf seine Art fremd, oft unergründlich unterschiedlich, und doch gehörten sie dem Geist nach zusammen. Friedensfahrer waren absolute Individualisten, oftmals auch Eigenbrötler. Die meisten fühlten sich nur dann richtig wohl, wenn sie allein in ihrem grünen Tropfenschiff durchs All flogen, einem neuen Auftrag entgegen.

Es war einer der Hauptgründe, warum der Geheimbund seit Jahrhunderten agierte und nie aufgefallen war. Solange sie keine allseits bekannte Größe waren, mussten sie sich keine Gedanken um ihre Existenz machen.

In der Auseinandersetzung mit TRAITOR nützten diese Verhaltensweisen nichts mehr. Es wäre auch ziemlich weißäugig gewesen, so etwas zu glauben. Sie würden Opfer bringen müssen wie alle anderen auch. Der Patron hoffte, dass es auch dieses Mal gut ging – dort drüben in der Opal-Station, läppische 61.537 Lichtjahre von Cala Impex entfernt.

1.

 

Polm Ombar spähte in den Korridor hinaus, der den Brückenkopf der Friedensfahrer an der vorderen Seite begrenzte. Eine winzige, kaum erkennbare Bewegung auf der linken Seite erregte seine Aufmerksamkeit. Er weitete seine Schlitzpupillen, um mehr Licht auf die Netzhaut zu lassen.

Etwas kroch träge und in kleinen Schüben an der Korridorwand entlang. Es erinnerte Polm an einen Wurm, der sich nur mit Mühe fortbewegte, weil sein Körper zu sehr am Boden haftete. Ein harmloser Vorgang zunächst, dem er unter anderen Bedingungen und an einem anderen Ort keine große Beachtung geschenkt hätte.

In der Opal-Station TRAITORS jedoch erweckte er Misstrauen.

Ihm vor allen anderen Friedensfahrern war das Misstrauen längst zur zweiten Natur geworden; während die meisten versuchten, den Geist der Offenheit und Freundlichkeit zu umarmen, konnte er als Revisor des Bundes sich diesen Luxus nicht erlauben. Denn auch unter den Friedensfahrern gab es hin und wieder jemanden, der vom Pfad des Friedens abkam. Es waren glücklicherweise seltene Einzelfälle, aber darum nicht minder gefährlich. Es entstünde unübersehbarer Schaden, wenn solche Individuen im Namen der Friedensfahrer Unheil stifteten oder Verbrechen begingen.

Ein Name hatte sich dem Revisor besonders eingeprägt: Thau, der »Magier«, aus dem Volk der N’eichan, der in seiner Heimatgalaxis Sharitme Verbrechen begangen und damit gleich gegen mehrere Grundsätze des Geheimbundes verstoßen hatte. Eines davon war zwar erst jüngst abgemildert worden, schließlich stammten einige Friedensfahrer aus der Milchstraße und waren dort auch zugange, aber dies lag in der Natur ihrer Mission begründet: Das Unternehmen Negasphäre zwang sie regelrecht dazu; sonst jedoch durfte kein Friedensfahrer im Lebensbereich seines eigenen Volkes operieren, weil die Sorge bestand, jemand könne ihn politisch instrumentalisieren. Neutralität bildete die Arbeitsgrundlage für jeden Einsatz.

Das hatte Thau gewusst, und er hatte dennoch dagegen verstoßen. Die Friedensfahrer hatten Podgluda ausgeschickt, ihn zu fangen und nach Rosella Rosado zu bringen. Aber der N’eichan hatte Podgluda getötet und später auch die OREON-Kapsel zurückgelassen. Die Spur war abgerissen.

Thau suchten sie noch heute, und sie würden nicht aufgeben, bis sie Gewissheit über sein Schicksal hatten. Zunächst aber band der Kampf gegen die Mächte des Chaos im Raum Hangay die meisten Kräfte.

Polm Ombar schaltete die Kamera an seinem Schultergurt ein, dokumentierte den Vorgang draußen.

»Was ist los?«, rief Auludbirst. »Wen hast du im Visier? Die toten Mor’Daer?«

Ombar wandte sich um und sah zu dem langjährigen Gefährten hinüber, der in der Mitte der Halle saß und mehr an die Statue eines gut genährten Götzen erinnerte als an einen Friedensfahrer. Auludbirst bewegte kaum den breiten Mund, wenn er sprach. Dafür blähte sich sein violetter Kehlsack zu einem Gebilde, so groß wie sein Körper, auf. Und der war fast so groß wie der Revisor, ein wogender Berg auf vier kurzen Gliedmaßen, die hinteren fast so dick wie die Stützsäulen der Halle. Auludbirsts Kopf verschwand völlig hinter dem Kehlsack-Ballon.

»Mor’Daer sehe ich von hier aus keine«, antwortete Polm. »Da draußen fließt Gallert. Die Körper dieser Wesen in ihren grünen Anzügen scheinen sich endgültig aufzulösen.«