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Nr. 2875

 

Die vereiste Galaxis

 

Er ist der einsamste aller Menschen – 131 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt

 

Christian Montillon

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Für die Ewigkeit

2. Leichen, die eigentlich gar keine sind

3. Die verlorene Zeit

4. Tiuphorische Tradition

5. Weite Reise

6. Ein unverhoffter Soccral

7. Wie es ist, einen Extrasinn zu fühlen

8. Überlegenheit

9. In die Ewigkeit hinabrollen

10. Begegnungen

11. Heureka!

12. Aus eigener Kraft

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung 233-COLPCOR

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Im Januar 1519 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) stand das Schicksal der Menschheit auf Messers Schneide: Die Tiuphoren, ein kriegerisches Volk, kamen durch einen Zeitriss aus der Vergangenheit in die Gegenwart der Milchstraße. Sie überzogen die gesamte Galaxis mit einem Vernichtungsfeldzug. Ihr Ziel: Sie sammelten die Bewusstseine getöteter Lebewesen – eine sogenannte Banner-Kampagne, für die kein Mensch einen Grund erfuhr.

Im Heimatsystem kam es zur entscheidenden Schlacht zwischen den Raumschiffen der Tiuphoren auf der einen und den Menschen sowie ihren Verbündeten auf der anderen Seite. In buchstäblich letzter Sekunde tauchten andere Tiuphoren auf – nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der Gegenwart. Sie ließen den »Ruf zur Sammlung« ergehen.

Die Schlacht endete, das Solsystem wurde vor dem Untergang bewahrt. Alle Tiuphoren räumten umgehend die Milchstraße. Zurück ließen sie eine verheerte Sterneninsel.

Einen hohen Preis musste die Menschheit für die Rettung bezahlen: Perry Rhodan opferte sein eigenes Leben und wurde zum Bestandteil eines tiuphorischen Banners. Nun beginnt die weite Reise in DIE VEREISTE GALAXIS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner befindet sich im Catiuphat.

Pey-Ceyan – Die Larin ist nicht immer einer Meinung mit Rhodan.

Shoer Venyeth – Der Xenoermittler befasst sich mit Körperbasen.

Knaudh – Der Orakel-Page wählt den Streit.

Paqar Taxmapu – Der Orakel-Page wählt das Gespräch.

1.

Für die Ewigkeit

 

Terrania ist für die Ewigkeit gebaut, und diese Ewigkeit geht heute zu Ende.

Perry Rhodan schaute auf einen Ozean aus Häusern, ein unendliches Meer aus Metall, Glas und Stein. Es war erstarrt. Ohne Leben.

Tot?

Rhodan war der letzte Mensch in Terrania, der Hauptstadt der Erde. In seiner Stadt.

Er ging einige Schritte, auf einer der Brücken, die sich in luftiger Höhe zwischen den Gebäuden spannten. Nun konnte er den Residenzpark sehen – die weiten grünen Flächen, die Sonnenspiegelungen auf dem See. Ein paar Vögel kreisten darüber, trieben mit ausgebreiteten Schwingen in der warmen Luft. Sie schrien, schrill und auf seltsame Art melodisch. Unmöglich, es auf diese Distanz zu hören.

Nein, verbesserte er sich. Es war jahrhundertelang unmöglich gewesen. Eine Ewigkeit lang. Doch nun sausten keine Gleiter in den verschiedenen Flugebenen geschäftig umher. Es fehlten die summenden holografischen Werbeschilder, die ihre Waren anpriesen. Aus den Restaurants drangen keine Musikstücke, die die Gäste anlocken sollten. Kein Lachen spielender Kinder erklang.

Warum auch?

Es war ja niemand mehr da.

Rhodan atmete tief ein. Die Luft schmeckte sauberer als sonst. Ein wenig salzig.

»Terraner«, tönte eine Stimme.

Er drehte sich um. Ein Roboter schwebte neben der Brücke, eine kugelförmige Maschine mit zwei Tentakelarmen, die sich ihm entgegenreckten und dabei auf- und niederfuhren, als wollten sie einen zornigen Lehrer nachahmen, der seinen Schüler beschimpfte. Sonnenstrahlen brachen sich auf dem metallenen Leib.

»Was kann ich für dich tun?«, fragte Rhodan.

Diese Frage verwirrte den Roboter offenbar; damit kam seine Programmierung zunächst nicht zurecht.

Rhodan lächelte. »Lass dir nur Zeit.« Irgendwie wusste er, dass er eine Menge davon hatte. Sonst nichts, aber jede Menge Zeit.

Nein, dachte er. Eben nicht! So viele Katastrophen standen bevor. Er musste sich beeilen, um Terra zu retten. Das gesamte Solsystem wartete gelähmt auf den Untergang.

Wie kam er darauf? Wenn es eilte, wieso ...

»Weshalb bist du noch hier, Terraner?«, riss ihn die Maschine aus den Gedanken. Schade – er fühlte sich, als wäre er gerade an einen wichtigen Punkt seiner Überlegungen gekommen.

»Ich weiß es nicht«, gab er zu.

»Die Evakuierung ist längst abgeschlossen«, sagte der Roboter. »Alle haben Befehl, Terra zu verlassen. Die Tiuphoren werden angreifen, und niemand kann sie aufhalten.«

»Das ist mir klar«, sagte Rhodan.

»Warum bist du dann noch hier?«

»Das weiß ich eben nicht!«, antwortete er zornig. Wie albern, Zorn auf eine Maschine zu empfinden.

Im Grunde war er auf sich selbst wütend.

Nun berührten ihn die Tentakelarme. Sie fühlten sich kalt an. Wie Schlaf. »Du musst Terra verlassen! Rasch! Sonst wirst du sterben. Die Verteidigerflotten können nicht bestehen.«

Kalt wie Schlaf.

»Womöglich gibt es noch ein kleines Evakuierungsboot.«

Schlaf und Tod.

»Ich kümmere mich darum, Terraner.«

Ja, Tod.

Wie hatte es die Maschine gesagt? Sonst wirst du sterben. Endlich begriff Perry Rhodan, dass es für eine Flucht längst zu spät war.

Er war bereits tot.

 

*

 

Tot zu sein, fühlte sich anders an, als er geglaubt hatte. Allerdings hatte er sich nie ernsthafte Gedanken über ein Danach gemacht. Doch dies hier, was immer es sein mochte, war kein Danach im Sinne einer Philosophie oder eines Glaubens.

Was er erlebte, hatte nichts mit Religion zu tun. Es war Wissenschaft. Aber nicht auf einer terranischen Grundlage, sondern ...

... sondern ...

Er wusste es nicht. Ihm war nur klar, dass er existierte. Ob er auch – lebte? Diese Frage konnte er nicht beantworten.

»Du musst gehen«, drängte der Roboter, der in Wirklichkeit keiner war.

Mein Bewusstsein bildet ihn sich nur ein, dachte Rhodan. Egal. Ein Gegenüber sorgte trotzdem für einen gewissen Trost, und sei es nur eine seelenlose Maschine aus Metall.

»Erzähl mir mehr«, bat er. »Nicht über das menschenleere Terrania und die Evakuierung des Solsystems. Das liegt bereits lange zurück, nicht wahr?«

»Denk nach!«, forderte der Roboter. »Du weißt es doch, oder?« An den Spitzen der beiden Tentakelarme öffneten sich Augen und schauten ihn an.

Nein, keine Augen.

Es waren Blicke in die Vergangenheit, die wie eine Holo-Aufzeichnung vor ihm abliefen.

Terrania, ja, ganz Terra war evakuiert worden – in den Tagen, ehe die Tiuphoren das Solsystem angegriffen hatten. Aber ... was dann?

Wie war es ausgegangen?

Ich habe das Ende nicht miterlebt. Weil ich gestorben bin.

Er sah in den Holo-Augen ein mächtiges Raumschiff seiner Feinde, einen fünf Kilometer langen Walzenraumer, der an die Achse eines gigantischen Rades mit nur vier dicken Speichen erinnerte. Das Schiff hieß SHEZZERKUD, und dessen Anführer, der Caradocc Paddkavu Yolloc, forderte Perry Rhodan auf, sich zu ergeben. An Bord zu kommen und sich auszuliefern.

Er sah, wie er selbst diesem Befehl nachkam, wie er kapitulierte, weil es keine andere Wahl gab. Er verließ Terra, flog in einem Gleiter zur SHEZZERKUD, und er wusste, dass es vorbei war.

Nach all den Schlachten seines Lebens, nach all den verzweifelten Aktionen, war dies das Ende. Er ging besiegt dem Tod entgegen.

Aber er blieb nicht allein.

Aus den Holo-Augen schaute ihn eine Frau an, mit einem breiten Gesicht und wulstigen Lippen und doch auf eigenartige Weise verführerisch schön. »Ich begleite dich, Perry«, sagte sie. Ihr Name war Pey-Ceyan und sie gehörte dem Volk der Laren an. Eine gemeinsame, unfassbare Odyssee lag hinter ihnen.

»Warum?«, wollte der Rhodan in den Bildern der Vergangenheit wissen. »Du wirst sterben.«

»Werden wir das?«, fragte Pey-Ceyan. »Nichts ist für die Ewigkeit. Außer vielleicht ...«

Die Holo-Augen schlossen sich. Die Tentakelarme des Roboters fuhren surrend in den metallenen Kugelleib zurück. Ausgerechnet in diesem Augenblick. Wie ärgerlich!

»Ärgerlich?«, fragte die Maschine, als hätte sie Rhodans Gedanken gelesen. Eine eigenartige Vorstellung, wo sie doch ohnehin seiner Imagination entsprang. »Es endet hier, weil du es so willst.«

»Aber wieso?« Rhodan verstand nicht. Er schaute sich um. Das menschenleere Terrania war verschwunden. Es hatte so nie existiert. Nicht an diesem Ort.

»Such Pey-Ceyan«, sagte der Roboter, bereits halb durchscheinend, »und finde dich selbst. Wieder einmal.«

Zurück blieb nur ein seltsamer, konturloser Nebel, ein wallendes Nichts. Es fühlte sich einsam an, und verloren.

Immerhin vermochte Rhodan darauf zu gehen. Aber ging er tatsächlich, oder träumte er es nur? Wie konnte er die Beine bewegen – ohne einen Körper?

Während er darüber nachdachte, verschwanden die verschwommenen Schwaden und wichen einer Wiese. Das Gras wuchs in herrlich sattem Grün. Ein kleiner Fluss schlängelte sich hindurch, an den Ufern glitzerte Wasser noch weit zwischen den Grashalmen und den lustig bunten Blüten darin. Die Wurzeln eines mächtigen Baumes – eine Tanne, erkannte Rhodan, mit grobschuppiger Rinde – verwandelten einen festgetretenen Wanderweg in eine Stolperfalle.

Das Flüsschen gurgelte friedlich über ausgewaschene Steine. Es war angenehm. Es tat der Seele wohl. Trotzdem hörte Rhodan ein Weinen, das von flussabwärts zu ihm drang.

Er ging los, in diese Richtung, doch auch nach vielen Hundert Schritten wurde das Weinen nicht lauter.

 

*

 

Irgendwann wich die Wiese einem weitläufigen Getreidefeld. Er pflückte einen der hüfthohen Halme. Die Körner darin waren noch nicht reif, und sie rochen streng, wie faulend und mit stechend scharfen Chemikalien verseucht.

Das Getreide stand kerzengerade, von keinem Windhauch bewegt. Bei diesem Gedanken hob er den Blick. Über dem Feld spannte sich ein rotgoldener Himmel wie aus Kristall. War das eine feste Kuppel?

Kein Wunder, dass kein Wind weht, dachte Rhodan, und: Bin ich ganz allein hier? Ist dieser Ort nur für mich erschaffen?

Wieder hörte er das Weinen, und diesmal kam es eindeutig von jenseits des Flüsschens. Es stammte von einem Kind, das erkannte er nun deutlich. Er ging schneller, setzte erst vorsichtig jeden Schritt auf einen der glitschigen Steine und watete bald durch knietiefes Wasser, ehe er den Halt unter den Füßen verlor, immer weiter eintauchte und sogar unterging.

Im letzten Moment hielt er die Luft an. Wie konnte ein so kleiner Fluss so tief sein?

Er schwamm zurück zur Oberfläche, aber ehe er sie durchstieß, merkte er, dass er gar nicht atmen musste. Das Wasser war auch nicht kalt oder warm oder nass. Er empfand gar nichts, als wäre ein Großteil seiner Sinne tot.

Natürlich sind sie das. Ich habe keinen Körper mehr.

Der Gedanke schmerzte, also schob er ihn weg.

Bäume säumten das andere Ufer, und als er die Fluten verließ, schaute er an sich hinab. Die Kleidung – ein farbloses Etwas, das ihn an eine altrömische Toga erinnerte – hing völlig trocken an ihm. Seit wann trug er sie? Schon die ganze Zeit?

Die dicht belaubten Zweige über ihm verdeckten einen Großteil des rotgoldenen Kristallhimmels. Sie warfen einen angenehmen Schatten, ein wenig bläulich, ruhig und friedlich. Trost wisperte aus den Stämmen.

Von den dicken Ästen hingen Schaukeln und pendelten leicht hin und her. Auf manchen saßen Kinder.

Eines, ganz schwarzhäutig und mit spitzen Ohren am Hinterkopf, schniefte vor sich hin. Rhodan beugte sich zu ihm. »Habe ich dich weinen gehört?«

»Woher soll ich das wissen?«, fragte das Mädchen trotzig. Auf seiner Stirn funkelte etwas, eben noch tiefrot, jetzt blau mit nur wenigen vereinzelten roten Schlieren.

Es war ein Emot, erinnerte sich der Terraner – so nannte das Volk der Onryonen, dem dieses Kind angehörte, das Organ über ihren Augen, das je nach Farbe ihre Stimmungslage anzeigte.

»Hast du geweint?«, präzisierte Rhodan.

»Bin runtergefallen.« Nun deutete die Kleine auf ihre Knie. Sie trug eine kurze Hose, und die Haut war aufgerissen. Es kam kein Blut. »Schau!«

»Das tut mir leid.«

»Gibt Schlimmeres.« Das Mädchen schaute Rhodan mit traurigen Augen an. »Denk doch, wie jung ich bin, und schon tot. Ich vermisse die anderen aus meinem Schlafrudel.« Plötzlich ging die Sonne im Gesicht der Kleinen auf, als würde ihr etwas einfallen. »Kannst du mich anschubsen?«

»Natürlich.« Rhodan stellte sich hinter sie, packte die Halteketten der Schaukel, zog sie zurück und ließ los.

Die Kleine krähte vor Lachen. »Fester!«

Perry Rhodan tat ihr den Gefallen, und bald flog sie hoch hinaus und sauste nach unten, hoch hinaus und nach unten.

Auf den Schaukeln vor und neben ihm saßen nun weitere Kinder, manche onryonisch, andere waren Geschöpfe, wie er sie noch nie gesehen hatte. »Bist du böse?«, fragten sie ihn.

Was sollte er sagen? Nein? Konnten sie ihm das glauben? »Ich will euch helfen«, entgegnete er.

»Das kannst du nicht!«, riefen die Kinder und sprangen von den Schaukeln. Eines breitete samten schillernde Flügel aus und flatterte voran, die übrigen rannten ihm hinterher.

Nur das Onryonenmädchen blieb sitzen. Seine Schaukel pendelte aus. Die winzigen Hände umklammerten die Kettenglieder. Es sah traurig aus.

»Willst du mit mir kommen?«, fragte Rhodan.

»Nein. Wohin denn?«

»Ich beschütze dich. Du kannst nicht allein hierbleiben.«

»Ich bin schon immer hier, und ich werde es immer sein.«

»Aber ...«

»Wir sehen uns bestimmt wieder«, fiel das Mädchen ihm ins Wort. »Wie jedes Mal.«

»Treffen wir uns nicht eben zum ersten Mal?«

Die Kleine lachte. »Oh, Perry.«

»Woher kennst du meinen Namen?«

»Das fragst du so oft! Schubst du mich noch einmal an?«

Rhodan tat es und fragte aus einem Impuls heraus: »Wo soll ich hingehen?«

Das Kind wandte den Kopf nach links und nickte zu einer langen Reihe von Schaukeln. Die meisten waren leer, nur weit weg schien jemand zu sitzen.

Der Terraner ging los, und bald sah er, wer dort auf ihn wartete. Er kannte diese Frau. Er hatte vorhin noch an sie gedacht. Er hüpfte auf die Schaukel neben Pey-Ceyan, hielt sich an den Ketten fest. »Wie geht es dir?«, fragte er.

Sie schaute ihn lange schweigend an, ehe sie antwortete. »Wie soll es einer Toten gehen?«

»Hm«, machte Perry Rhodan. Er dachte kurz nach und begriff endlich, wo sie sich befanden. »Wir sind also tot. Das sollten wir ändern.«

 

*

 

»Das alles ist eine Illusion«, sagte Rhodan.

»Es ist nicht real«, stimmte die Larin zu. »Aber es ist auch kein Traum, kein Hirngespinst.«

»Wir sind im Catiuphat der Tiuphoren«, sagte er langsam und erklärte es sich gewissermaßen selbst, weil er sich endlich wieder erinnerte. »In einem ihrer Sextadim-Banner, wie sie ihren Sterngewerken vorauswehen. Dort, wohin sie die Geistkomponenten ihrer prominenten Opfer bringen, nachdem sie ihre Körper getötet haben.«

Pey-Ceyan streckte die Beine. So kam sie mit den Fußspitzen gerade auf den Boden. Sie stieß sich ab. Die Schaukel quietschte bei jedem Schwung.

»Das Catiuphat«, sagte sie nachdenklich. »Der Platz, an den die Tiuphoren selbst nach ihrem Tod unbedingt gehen wollen. Ihr Jenseits, das eine sehr reale, wissenschaftliche Grundlage hat. Wir waren schon einmal dort, freiwillig, vor unserem ...« Sie stockte. »... Tod. Wir sind in diese Gefilde eingedrungen und haben sie untersucht. Ausspioniert.«

»Damals haben wir es geschafft, anschließend in unsere Körper zurückzukehren!« Rhodan sprang von der Schaukel, streckte Pey-Ceyan die Hand hin, fing sie ab und zog sie ebenfalls auf die Füße. »Warum sollte es diesmal nicht auch gelingen?«

»Weil wir tot sind?«, schlug sie vor. »Wir halten uns nicht freiwillig hier auf. Beim ersten Mal hatten wir unsere Bewusstseine mithilfe der Technologie der Dakkar-Spanne transferiert. Nun haben uns die Tiuphoren getötet und ...« Sie senkte den Blick. »Ich weiß nicht, wie genau sie uns ins Banner übertragen haben.«

»Das mögen ja alles Gründe sein«, sagte Rhodan. »Doch davon lasse ich mich nicht aufhalten! Ich will zurück in meinen Körper, und du genauso. Und wir werden es schaffen! Das hier, Pey-Ceyan, ist nicht echt!«

»Das Catiuphat an sich ist sehr wohl real. Ein höherdimensionales Phänomen, aber deshalb keine Einbildung.«

Rhodan nickte. »Das weiß ich. Was wir sehen, stammt allerdings aus unseren Köpfen und stellt die Umgebung so dar, dass wir sie begreifen. Die Schaukel, die Bäume ... es gibt sie nicht.«

»Natürlich nicht. Doch diese Bilder machen es möglich, dass wir uns orientieren. Wir sortieren sogar andere Bewusstseine in diese Wahrnehmung ein. Hast du auch Kinder getroffen?«

Er erinnerte sich an das weinende, dann vor Freude lachende Onryonenmädchen. »Wir können ihnen helfen.«

»Sehr beschränkt.«

Er dachte an die Begeisterung auf dem Kindergesicht. »Ich habe eines der Kleinen getröstet. Es von seiner Trauer abgelenkt.«

»Wie die Trostreichen?«, fragte die Larin.

Diese Bezeichnung – die Trostreichen – stieß etwas in ihm an, aber er konnte es nicht fassen.

Pey-Ceyan seufzte. »Hast du sie wieder vergessen?«

»Wieso kannst du dich im Unterschied zu mir an sie erinnern?«

»Du weißt, ich habe eine leichte Parabegabung. Das hilft mir, das Catiuphat besser zu verstehen. Mich zu verankern. Du vergisst oft, seit unserer Ankunft ... jedes Mal, wenn du schläfst.«

»Wie lange halten wir uns schon hier auf?«, fragte Rhodan.

»Keine Ahnung! Es fehlt jeder Anhaltspunkt. Es gibt weder Tag noch Nacht, nichts, an dem sich die Zeit messen lässt. Immer derselbe rotgoldene Kristallhimmel.«

»Rotgolden«, wiederholte er nachdenklich. »Wie die Tiucui-Kristalle der Tiuphoren.«

»Ich weiß nicht, ob dieses Hypermaterial etwas damit zu tun hat, aber ich gehe davon aus.«

»Das Letzte, an das ich mich erinnere, ist die Schlacht ums Solsystem. Die Tiuphoren haben angegriffen. Gleichzeitig drohte die Vernichtung unserer Sonne durch die Perforationszone des Zeitrisses. Es war der 18. Januar. Wie lange liegt das zurück? Können wir schon seit Wochen hier sein? Oder Monaten?«

»Ich weiß es nicht«, wiederholte sie, und tiefe Frustration lag in ihren Worten.

»Was ist aus dem Solsystem geworden? Ist die Vernichtung ...« Er brach ab, als ihm klar wurde, dass Pey-Ceyan darüber ebenso wenig wusste wie er. Sie waren gestorben, alle beide, ehe die Entscheidung gefallen war. »Wer sind diese Trostreichen?«, fragte er stattdessen.

»Du erinnerst dich, dass das Catiuphat in mehreren Stufen existiert? Wie in konzentrischen Kreisen, die Schicht für Schicht immer tiefer hineinführen. Wir halten uns im äußersten Bereich auf, den wir Torus I nennen oder ...«

»... die Kinderstube«, fiel Rhodan ihr ins Wort. »Aber nicht wegen der Kinder, sondern weil dort die Bewusstseine ankommen, die in die Sextadim-Banner geschickt werden.«

Sie nickte, eine allzu terranische Geste; so terranisch, dass er sich eine Sekunde lang fragte, ob er sich auch Pey-Ceyan nur einbildete. »Sie kommen hier an, sie leiden, sie haben Angst, sie sind gequält und voller Pein. Doch es gibt Wesen, die sich ihrer annehmen, die sie trösten und sie weiterführen wollen – in Torus II.«

»In die Aufsicht,« murmelte Rhodan. Er erinnerte sich nun an diese Bezeichnung, die sie selbst während ihres ersten, freiwilligen Vorstoßes ins Catiuphat intuitiv gewählt hatten.

Eine ganze Weile gingen sie schweigend weiter, über eine Wiese, die sich zunehmend dürrer und ausgetrockneter zeigte.

»Ich bezweifle allerdings«, sagte Pey-Ceyan schließlich, »dass die Trostreichen für uns Trost bereithalten. Für die Tiuphorenkrieger zweifellos ... aber nicht für die Bewusstseine ihrer Gegner, die sie als Kriegsbeute vor sich herwehen lassen. Und schon gar nicht für uns.«

»Wie sind wir ins Catiuphat gekommen?«, fragte Rhodan. »Wie wurden wir von den Tiuphoren getötet?«

Sie schwieg eine ganze Zeit lang. »Ich weiß es nicht. Vielleicht haben sie uns die Köpfe abgeschlagen oder unsere Körper zerstrahlt. Wahrscheinlich gibt es nichts mehr, in das wir zurückkehren könnten.«

Die Kinder kamen wieder zu ihnen. Vorneweg noch immer das eine geflügelte –