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Nr. 3049

 

In der Zerozone

 

Donn Yaradua im Einsatz – auf der Spur von Terra

 

Susan Schwartz

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Khaiguna

2. RAS TSCHUBAI

3. Zerozone: Erste Erkundung

4. Ziel?

5. Ein Irgendwo im Nirgendwo

6. RAS TSCHUBAI

7. Metronetz Padfuur

8. Der Trajekt-Punkt

9. RAS TSCHUBAI

10. Der Trajekt-Registrator

11. Ein weiterer Handel

12. Khaiguna

13. RAS TSCHUBAI

14. Aufbruch der TESS QUMISHA

15. PALAGUN

16. Angriff

17. Knapp, sehr knapp

18. Passage

Fanszene

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine sogenannte Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher seines Raumschiffes RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten.

Weil er mehr über die aktuelle Situation wissen will, ist Rhodan mit der RAS TSCHUBAI in das sogenannte Galaxien-Geviert aufgebrochen. Dort haben die Mächte des Chaos, repräsentiert durch die Kandidatin Phaatom und ihr Hilfsvolk, die Phersunen, die Herrschaft übernommen. Und genau dort erhofft sich Rhodan Aufschluss über den Verbleib der Erde. Die Fährte endet IN DER ZEROZONE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Donn Yaradua – Der Metabolist führt sein Team in die Zerozone.

Iwán/Iwa Mulholland – Das psionische Multitalent kehrt heim und nimmt eine neue Abzweigung.

Jashol Zhaushun – Der phersunische Kommandant muss Erfolge vorweisen.

1.

Khaiguna

8. November 2046 NGZ

 

Das Portal stand weit offen, die Grassteppe des Tals dahinter war nicht mehr zu erkennen.

Mulhollands Stimme hallte in Donn Yaraduas Geist nach.

Es sei sein Geburtsrecht, hatte der Hermaphrodit auf die telepathisch übertragene und auch von Yaradua empfangene Frage geantwortet, mit welchem Recht er die Zerozone betreten wolle. Schon früher hatte Iwán/Iwa berichtet, es sei sogar dort geboren worden, in der »Lounge«, und aufgewachsen, bis es nach Ancaisin gelangt sei.

Yaradua, der sich unter einer »Lounge« eigentlich etwas ganz anderes vorstellte, war unangenehm berührt, den dazu gehörigen Ort zu betreten. Gewiss hatte Mulholland von der Zerozone – deren Begriff es geprägt hatte – erzählt, und Donn war bereits einmal bei einem Wehgang dabei gewesen, aber nun wuchsen die beiden Phänomene der Schmerzensteleportation und der Zerozone für ihn erst leibhaftig zusammen.

Die Antwort Mulhollands schien jedenfalls korrekt gewesen zu sein. Die ursprünglich nur leicht überdimensionierte »Öse« hatte sich daraufhin gewaltig erweitert und ihnen den Zugang gewährt.

Hinter der Öffnung zeigte sich nun ... Yaradua wusste nicht, wie er das, was er leibhaftig sah, in Worte fassen konnte.

Es war grau und gestaltlos, wie eine Knetmasse, die erst geformt werden musste. Kein Horizont und doch so etwas wie eine »Landschaft« mit Unregelmäßigkeiten, die Erhebungen sein konnten, und Wegen dazwischen. Ein Ort, der kein Ort war, dessen Ausmaße trotz des fehlenden Horizonts unendlich schienen.

Der Andersraum, so hatte Gucky ihn einst beschrieben, wenn er im Zuge einer Schmerzensteleportation hindurchgewandert war. Die Gabe dazu hatte er von dem sterbenden Lan Meota übertragen bekommen, der damals der einzige bekannte Schmerzensteleporter gewesen war.

»Worauf warten wir?«, riss eine vertraute Stimme Yaradua aus seinen Gedanken.

Eine Stimme, die ihn stets aufs Neue mit Wärme erfüllte und ihm Zuversicht schenkte.

»Alle einverstanden, dass wir hineingehen?« Er drehte sich in die Runde.

»Wozu der Aufwand, wenn wir jetzt zögern? Wie viele Einladungen brauchst du noch?«, fragte Farye Sepheroa, Perry Rhodans Enkelin. Sie grinste ihn auf eine ganz verschmitzte Weise an, wenn sie neugierig war und auf Entdeckung gehen wollte.

Iwán/Iwa nickte bekräftigend. »Selbstverständlich bin ich einverstanden.«

Die Antwort wunderte Donn Yaradua nicht, schließlich war Mulholland dort zu Hause gewesen, weshalb sollte es also zaudern?

Hoffentlich war es in der Lounge gemütlicher, als es hier aussieht, dachte Yaradua bei sich. Schreckliche Vorstellung, wenn Iwán/Iwa unter solchen Umständen seine ersten Lebensjahre verbracht hatte ...

Wavalo Galparudse und Bru Shaupaard, die beiden cairanischen Index-Bewahrer, führten mit der Außenhand gleichzeitig die Geste der Zustimmung aus, sie wirkten dabei leicht irritiert.

Donn Yaradua konnte sich selbst nicht erklären, weshalb er immer noch zögerte. Irgendwie schauderte es ihn davor, die Zerozone zu betreten. Ein kreatürlicher Instinkt vielleicht, der ihn vor etwas warnen wollte. Es war nicht sein erster Außeneinsatz und auch nicht die erste unbegreifliche Situation, der er sich gegenübersah. Was also war diesmal anders?

Iwán/Iwa hatte behauptet, in der Zerozone »einen Weltenschatten« gesehen zu haben und einige Eindrücke davon in Skizzen festgehalten. Von diesen ausgehend, musste es sich bei diesem Weltenschatten um die Erde handeln – es war bisher nur ein Indizienbeweis, aber es war alles, was sie hatten. Vielleicht die letzte Hoffnung.

Perry Rhodan und seine Mannschaft waren damit vielleicht am Ziel ihrer Suche nach einer Spur der seit Jahrhunderten verschwundenen Ursprungswelt der Menschheit angekommen.

Bisher waren sie immer nur nahezu ziellos im Dunklen herumgetappt. Zweifel nagten deshalb seit einiger Zeit an dem einen oder anderen, und wurden stärker, je länger die Suche ergebnislos blieb. So manch einer auf der RAS TSCHUBAI mochte den Sinn der Mission nicht mehr als gegeben sehen. Die Bemühungen wirkten fruchtlos.

Wer außer den Rückkehrern vermisste die Erde denn noch? Die Mannschaft der RAS TSCHUBAI war es doch, die sich an die neuen Gegebenheiten anpassen musste, nicht umgekehrt.

Über die Gerüchteküche an Bord wurde so manche Meinung verbreitet. Einige stimmten zu, dass es vielleicht besser wäre, die Konzentration darauf zu verlagern, wieder eine unabhängige Liga in der Milchstraße aufzubauen. Denn um die Terraner zu einen und ihre Bedeutung zu erneuern, konnte man auch eine andere Welt als neue Heimat nehmen. Eine Welt, die in der Jetztzeit mehr Bedeutung hatte und beliebter war als jenes für die Mehrheit der Terraner diffuse »Terra«, das aus den Geschichtsbüchern gelöscht worden war.

Ja, an den meisten Argumenten war durchaus etwas dran. Aber deshalb so tun, als hätte es die Erde nie gegeben?

Niemals.

Nun werden sie erfahren, dass man nicht so leicht aufgeben darf.

»Los geht's!«, rief Yaradua und aktivierte den Gravo-Pak seines SERUNS.

Sie flogen durch die erweiterte Öse in ein Etwas, das sich nur unwesentlich vom Nichts unterschied.

2.

RAS TSCHUBAI

6. November 2046 NGZ

 

Perry Rhodan ging auf dem COMMAND-Podest vor den leeren Besuchersesseln unruhig auf und ab.

Die hereinkommenden Meldungen waren nicht gerade beruhigend.

Die TESS QUMISHA war unter dem Kommando von Muntu Ninasoma und der Ersatzpilotin Farye Sepheroa vor drei Tagen nach Khaiguna aufgebrochen und hielt seitdem strikte Funkstille ein. Die RAS TSCHUBAI befand sich weiterhin im Ortungsschutz der Blauen Riesensonne, die sie Point Azur genannt hatten, zwei Lichtjahre vom Siuvarsystem entfernt.

Mittels gut abgeschirmter, kleiner Sonden blieb der Expeditionsleiter ungefähr auf dem Laufenden über den Zustand des Schiffes – intakt, beschädigt oder zerstört –, mehr aber auch nicht.

Doch die in größerem Radius umherschwirrenden Sonden übertrugen beunruhigende Informationen und bestätigten das, was die zentrale Ortung feststellte: Die Sonnensysteme in diesem Sektor Ancaisins verloren an Masse.

Man könnte sich die Situation schönreden, wenngleich Rhodan keine Argumente einfielen, die eine vernünftige Erklärung für gleich mehrere Systeme boten.

Cascard Holonder, der ertrusische Kommandant des Omniträger-Fernschiffes, stellte mit nüchterner Stimme und blumigen Worten fest: »Die Phersunen sind offensichtlich gerade in einem Erntezyklus. Sie sind dabei, die Himmelskörper dieser Region in Vektormaterie umzuwandeln.«

Oder anders ausgedrückt, die Phersunen, das Hilfsvolk der Kandidatin Phaatom, waren dabei, jener ihre bevorzugte »Speise« zuzubereiten, die ihr dazu verhelfen sollte, sich zur Chaotarchin weiterzuentwickeln. Da in der gängigen Kosmologie der Entwicklungsschritt vor einer Chaotarchin der einer Materiesenke war, ging man an Bord der RAS TSCHUBAI zunächst davon aus, dass Phaatom eine solche war.

Sich mit einer solchen Entität anzulegen, hatte keine besonders guten Erfolgsaussichten, und bisher gab es nur wenige Ideen, um sie aufzuhalten.

Ancaisin bot den Phersunen ein ausgezeichnetes Feld. Die komplette Konvertierung – oder Annihilation – der Galaxis würde der Kandidatin eine vorzügliche Speise liefern. Aber welchen Prozentsatz an notwendiger Kost würde das bringen? Wie viele Galaxien waren nötig, um zur Chaotarchin zu werden? Rhodan hatte nicht zum ersten Mal mit einem solchen Wesen zu tun, aber jedes war auf seine Art einzigartig, und ohne weitergehende Informationen war es selbst für ihn schwierig, eine angemessene Strategie zu entwickeln. Am besten würde eine andere Hohe Macht gegen Phaatom kämpfen – aber wer sollte das sei? Die VECU vielleicht? Aber die war nicht aufzufinden, vielleicht vollkommen entmachtet. Oder die Kosmokratin, die der VECU einst ihre Aufträge gegeben hatte und als Hauptgegnerin Phaatoms galt, Mu Sargai? Aber wie sollte Rhodan mit ihr Kontakt aufnehmen?

Eine kleine Schonfrist gab es. Der Aufwand hinter der Annihilation war gewaltig, es würde also sehr wahrscheinlich noch eine ganze Weile dauern, bis Ancaisin aus der Galaxienkarte gelöscht war. Welche Auswirkungen das auf die Konstruktion des Kosmos und die Wechselwirkungen mit dem zuständigen Kosmonukleotid haben würde, darüber konnte man nur spekulieren. Fest stand nur, dass sie nicht angenehm sein dürften.

So weit, so ... schlecht.

Was Rhodan nicht einleuchtete: Wieso waren die Phersunen schlagartig ausgerechnet hier und jetzt tätig?

»ANANSI«, wandte er sich an die Schiffsseele, die einzigartige Semitronik der RAS TSCHUBAI. »Wie bewertest du die plötzlich auftretende Annihilation in unserer unmittelbaren Umgebung?«

»Ich halte dieses Phänomen nicht für einen Zufall«, lautete die Antwort.

Rhodan nickte. »Ich auch nicht«, bemerkte er grimmig.

Der Kommandant hob eine Augenbraue. »Klopft da jemand aufs Gras, um die Schlangen aufzuscheuchen?«

»Das ist zwar kein präzises Zitat, und wir jagen auch keine Schlangen, aber ich halte genau das für möglich«, antwortete Rhodan. »Ancaisin ist ein riesiges Feld. Als wir im Siuvarsystem angekommen sind, gab es keinerlei Aktivitäten der Zunichtemachung. Doch nun überschlagen sich die Meldungen geradezu. Das kann kein Zufall sein. Cascard, ich befürchte, man ist uns auf der Spur und möchte dabei gleichzeitig das Feld abgrasen. So will man uns zugleich leichter in die Fänge bekommen.«

In der Zentrale wurde es mucksmäuschenstill.

Als wäre noch eine Erklärung nötig, fügte Rhodan hinzu: »Synn Phertosh, der Advokat der Kandidatin, hat sich an unsere Fersen geheftet.«

»Aber ... wie?«

»Er hat die RAS TSCHUBAI markiert. Oder ... was wahrscheinlicher ist ... mich.«

Eine weitere Stimme erklang. »Oder mich.«

Gry O'Shannon hatte soeben die Zentrale betreten.

 

*

 

Gry O'Shannon war Spezialistin für exzeptionelle Formen von Materie. Ursprünglich war sie zur Analyse der durch die Proto-Eiris veränderten Hüllenstruktur der RAS TSCHUBAI an Bord gekommen. Inzwischen hatte sie sich zur Spezialistin für Graue Materie – mittlerweile wissenschaftlich korrekter als »Vektormaterie« bezeichnet und bei den Phersunen als Morphmaterie oder Phaatom-Speise bekannt – entwickelt, was zu einem momentan noch keineswegs beigelegten wissenschaftlichen Disput mit Sichu Dorksteiger führte.

»Iwán/Iwa Mulholland ist nicht mehr an Bord, bleiben also nur wir beide übrig – als ehemalige Gefangene Phertoshs, die sich aus seinem Kanzleigefängnis befreit haben«, fuhr O'Shannon an Rhodan gerichtet fort. Sie hatte die Abyssale Dispersion körperlich und mental gut überstanden – jedoch hatte sich als Konsequenz eine stärkere Affinität zur Vektormaterie gezeigt. Sie konnte sie besser wahrnehmen, als hätte sie eine Verbindung aufgebaut. »Ich wüsste sonst niemanden, der einen wie auch immer gearteten Marker an sich tragen könnte. Abgesehen von unserem Schiff, doch davon gehe ich genauso wenig wie du aus. Nicht wahr?«

»Ja«, musste er zugeben.

Sie blieb vor Rhodan stehen. »Es stellt sich also die Frage, wie wir herausfinden wollen, an wem es liegt, bevor wir das weitere Vorgehen überlegen können.«

»Du scheinst dir bereits Gedanken darüber gemacht zu haben«, meinte er.

»Nur auf dem Weg hierher – also sehr kurz. Doch es liegt nahe, wie wir das Ausschlussverfahren durchführen müssen. Und das gefällt mir ganz und gar nicht.«

»Wir werden in jedem Fall für höchstmögliche Sicherheit sorgen«, mischte Holonder sich ein.

»Lasst uns im Konferenzraum weiterreden«, schlug Rhodan vor.

 

*

 

Sie diskutierten zu dritt die Möglichkeiten, die sie hatten, doch es blieb nur jene Option übrig, die bei O'Shannon auf wenig Gegenliebe stieß – obwohl sie sie selbst anregte.

Zwei Korvetten sollten die RAS TSCHUBAI verlassen, eine mit Gry O'Shannon, die andere mit Perry Rhodan an Bord. Als Lockvögel sollten sie verschiedene Routen fliegen und dabei herausfinden, inwiefern dies Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Annihilationen hatte.

Außerdem sollten weitere zehn Korvetten ausgeschleust werden, die robotisch gesteuert wurden und mit Transmittern ausgerüstet waren, mittels derer Rhodan und O'Shannon im Notfall schnell auf die RAS TSCHUBAI zurückkehren konnten. Anschließend sollten sich die Transmitter selbst vernichten.

Außerdem würde ein getarntes Geschwader spezieller, für längeren Einsatz gedachter InSos – moderner Investigator-Sonden –zur Unterstützung folgen.

Sie wählten zwölf Minor Globes aus, Kleinstkorvetten der JANUS-Klasse mit 30 Metern Durchmesser, die so weit automatisiert waren, dass eine Person als Besatzung genügte.

»Immerhin bietet mir der Ausflug Gelegenheit, in Bezug auf die Veränderung der Vektormaterie nachzuforschen«, sagte O'Shannon, während sie die Haare am Hinterkopf zusammensteckte. »Warum sie immer gieriger wird – vielleicht finde ich sogar heraus, was sie mir mitteilen will. Nur in einer Hinsicht habe ich Bedenken. Synn Phertosh könnte uns auf die Schliche kommen.« Ihren SERUN hatte sie bereits angezogen, sie prüfte die Kontrollen und Defensive, außerdem Deflektor und Ortungsschutz.

»Er wird neugierig sein«, erwiderte Rhodan. »Und wissen wollen, was genau wir vorhaben. Er wird reagieren.«

»Hoffentlich nicht zu schnell, damit ich vorher noch abhauen kann«, murmelte die Spezialistin. Sie war in der Ära des Misstrauens aufgewachsen. Cairanischer Friedensbund hin oder her – für Terraner war es kein leichtes Leben in der Milchstraße, und man wurde schon wegen geringfügiger Vergehen oder kritischer Äußerungen in der Öffentlichkeit einkassiert und auf eine Ausweglose Straße geschickt. Hinzu kamen die Ladhonen, vor deren Piraterie nichts und niemand sicher war. Unter solchen Umständen war es immer gut, eine Deckung oder einen Fluchtweg zu haben und stets auf dem Sprung zu sein.

O'Shannon fasste dadurch bedingt nur schwer Vertrauen, denn Kollaboration und Korruption waren überall vorzufinden. »Ich bin alles andere als eine Abenteurerin. Außerdem schließe ich einen offenen Fall gerne ab, bevor ich abtrete.«

Sie spielte damit selbstverständlich auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Rhodans Frau an.

Rhodan konnte es ihr nicht verdenken. Es ging ihr darum, Klarheit zu schaffen. Nicht darum, Recht zu behalten, so gut kannte er sie inzwischen, sondern um Rätsel aufzuklären und dadurch Gefahren zu minimieren.

Hinzu kam ihre familiäre Situation: O'Shannons Eltern waren mit der jüngsten Schwester seit Jahren verschollen und inzwischen für tot erklärt worden, und sie fühlte sich verantwortlich für die beiden verbliebenen jüngeren Geschwister. Dadurch hatte sie schon früh Erfahrungen gesammelt, die sie nun mit Anfang 30 zur gefragten Spezialistin werden ließen, die sich gut zu behaupten wusste.

Aber dass sie keine Abenteurerin war, nahm er ihr nicht ab. Ein lebhaftes Funkeln schien in ihren grünen Augen zu liegen, die einen perfekten Kontrast zu den kastanienbraunen Haaren bildeten. Sie war um mehr als einen halben Kopf kleiner als Rhodan, jedoch von gut trainierter Statur. Eine Kämpferin, die nicht so schnell aufgab, seien die Herausforderungen nun geistiger oder physischer Natur.

Und sie war in allem sehr gründlich, überließ nichts dem Zufall.

Endlich zeigte sich die Spezialistin mit der Inspektion zufrieden. »Gravo-Pak funktioniert auch ... damit gibt es immer einen Ausweg. Also dann, starten wir, bevor Khaiguna auch noch aufgefressen wird und die Zerozone womöglich gleich mit.«

Rhodan nickte. Die Kleinstkorvetten waren im oberen und unteren Teilwulst-Hangar des Gigantraumers untergebracht. Nach einem letzten Check trennten sie sich und bestiegen ihr jeweiliges Schiff, die robotischen Begleiter und die InSos waren ebenfalls bereit zur Ausschleusung.

Die Kurse waren festgelegt, und Rhodan hoffte, dass sie nicht zu lange warten mussten, um herauszufinden, wer die Phersunen anlockte – und sie beide es rechtzeitig zurückschafften.

»Systemausfall und Hüllenbruch«, übermittelte der Hangarchef seine besten Wünsche, bevor sie starteten.

3.

Zerozone: Erste Erkundung

 

Kaum waren sie hindurchgeflogen, setzten die Gravo-Paks aus.

Zum Glück schwebten sie nicht hoch, und zum weiteren Glück sorgten die stotternden, aber noch einigermaßen funktionierenden Antigravs dafür, dass sie sicher landen konnten und dadurch einem Absturz entgingen.

»Alle wohlauf?«, fragte Donn Yaradua in die Runde und drehte sich um. Er sah seine Begleiter, die jeder auf seine Weise Zeichen gaben, dass ihm nichts geschehen war.

Ganz selbstverständlich blieb die Leitung der Expedition bei ihm – und bei einer derartigen Einsatztruppe erstaunte ihn dies nicht wenig. Mulholland hatte Heimvorteil, die Index-Bewahrer Allüren, Farye kannte ihn besser, als er sich selbst ... Er schluckte. Dies war nicht der Zeitpunkt, sich mit seiner ... Beziehung zu Farye zu befassen. Oder mit Selbstzweifeln, die ohnedies niemanden etwas angingen.

Besonders erleichtert war er angesichts der Tatsache, dass die beiden cairanischen Index-Bewahrer nicht ausscherten – das mochte freilich auch daran liegen, dass sie hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt waren.

Was kein Wunder war. Ein Index-Bewahrer beherbergte in seinem Gedächtnis ein Schlüsselfragment zum Index der Vecuia. In diesem Index waren alle von der Vecuia entsorgten Relikte diverser Superintelligenzen aufgelistet. Aber die Vecuia gab es nicht mehr, sie war von den Phersunen zerschmettert worden, zumindest in Ancaisin, der cairanischen Heimatgalaxis. Um Zugang zu diesem Index zu erhalten, mussten sich – mindestens – fünf Index-Bewahrer mental zusammenschließen.

Mittlerweile gab es in Yaraduas Begleitung nur noch diese beiden, Galparudse und Shaupaard. Die drei anderen waren tot, und dass überhaupt weitere Bewahrer den Feldzug der Phersunen überlebt hatten, galt als unwahrscheinlich. Ausgerechnet in jenem Moment, als sie zu einem wichtigen Treffen wollten, war es zur vollständigen Auslöschung gekommen. Ohne die Terraner unter Führung von Perry Rhodan hätten auch Galparudse und Shaupaard den Tod gefunden.

Die Index-Bewahrer hatten bei ihrem Treffen den Speicher durchsuchen wollen, um eine Möglichkeit zu finden, die Superintelligenz VECU aus ihrem Gefängnis zu befreien. Dieses Vorhaben war vollständig zunichtegemacht.

 

*