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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2316

 

Rivalen der Kolonne

 

Ein Planet wird verwertet – der Duale Kapitän begegnet seinem Intimfeind

 

Arndt Ellmer

 

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Im Jahr 1344 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – entspricht dem Jahr 4931 alter Zeit – bedroht die Terminale Kolonne TRAITOR die Menschheitsgalaxis. Dieser gigantische Heerwurm der Chaosmächte hat bereits überall in der Milchstraße seine Kolonnen-Forts errichtet.

Dank ihrer Dunkelfelder sind weder Forts noch Raumschiffe der Terminalen Kolonne von den galaktischen Völkern zu orten. Die Bewohner der Milchstraße können sich praktisch nicht gegen TRAITOR zur Wehr setzen. Nur die Terraner konnten den Chaos-Stützpunkt in der Nähe des Solsystems aufspüren und vernichten.

Während Terra seine Abwehreinrichtungen ausbaut, sind andere Welten dem Zugriff TRAITORS hilflos ausgeliefert. Nachdem das Salkrit der Charon-Wolke für die Chaosmächte derzeit nicht erreichbar ist, sucht der Duale Kapitän einen Planeten, dessen Ressourcen viel rascher greifbar sind.

Dabei begegnet er seinem RIVALEN DER KOLONNE …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Zerberoff – Der Duale Kapitän beansprucht den Oberbefehl über ein neues Kolonnen-Fort.

Tafferier – Ein Vizekapitän ruft sich in Erinnerung und fordert seinen Konkurrenten heraus.

Valthero – Der Arkonide versteht sich als Partner der Caiwanen, ersehnt aber auch seine Versetzung.

Dando Gentury – Der alte Caiwane fürchtet das Ende seines Lebenstraums.

1.

Ein schwarzer Tag

 

»Herr, wir haben den Zielsektor erreicht.«

Zerbone und Aroff richteten ihre Blicke auf den Wandbildschirm. Er zeigte den Mor’Daer-Kommandanten im Range eines Kalbaron. Der Offizier wartete auf eine Antwort.

Zerbone zischte leise. Er bemerkte die ungewohnte Nervosität des Artgenossen sofort, dessen fast unmerklich aufgestellte Halsschuppen und die leichte Gelbfärbung an den Kehllamellen.

Das Schlangenhaupt lenkte seine Aufmerksamkeit vom Kalbaron auf die zweite Hälfte seines Zwitterkörpers. Aroff verhielt sich lässig und entspannt wie ein frisch geschlüpftes Küken. Dem Ganschkaren fiel an dem Kommandanten nichts auf.

Zerbone sog geräuschvoll die Luft ein, fixierte den Kalbaron aus schmalen Schlitzpupillen. »Sprich! Was ist los?«

Die Nasenmembranen des Offiziers bebten. »Herr – Dualer Kapitän, das Kolonnen-Fort TRAICOON 0096 reagiert nicht auf unseren Funkkode.«

Zerbone und Aroff erzwangen den Singulären Intellekt und verschmolzen dadurch übergangslos zu einer einzigen Persönlichkeit. In diesem Zustand bildeten ihre Bewusstseine einen tranceähnlichen Verbund mit messerscharfem Verstand. Und sie trugen einen gemeinsamen Namen: Zerberoff.

»Objektscan durchführen!«, sagte Zerberoff mit der Stimme des Ganschkaren. »So tief wie möglich. Und ich will Ausschnittsvergrößerungen der Oberfläche sehen!«

»Sofort, Herr!«

Das Bild auf dem Schirm wechselte. Es zeigte das Kolonnen-Fort. Ein Teil seiner Außenwandung existierte nicht oder noch nicht. Tausende von Schleppern, Containerschiffen und anderen Fahrzeugen hingen in dichten Trauben über, neben und unter dem Gebilde. Das Kolonnen-Fort befand sich mitten in der Bauphase.

Der Duale Kapitän wollte nicht glauben, was er sah. Die Kolonnen-Fähren hatten die Bausätze für die ersten 58 Forts ungefähr zum selben Zeitpunkt an ihren Zielorten abgesetzt. TRAICOON 0096 hätte längst fertig sein müssen.

Ungeduldig beobachtete Zerberoff, wie das Flaggschiff seines Chaos-Geschwaders auf das gewaltige Fort zusteuerte.

Er sah Diskus-Raumschiffe. Das Fort besaß ein Chaos-Geschwader. Alles in bester Ordnung …

Nach Zerberoffs Dafürhalten konnte das nur ein Trugschluss sein. »Kalbaron, ich übernehme die Kommunikation mit TRAICOON 0096.«

Ein gelbes Licht unter dem Bildschirm zeigte an, dass die externen Funksysteme jetzt auf seine Suite geschaltet waren.

»Dualer Kapitän Zerberoff an Kolonnen-Fort! Wir senden permanent unseren Identifizierungskode. Antwortet endlich!«

Es kam keine Reaktion. Das Gefühl einer drohenden Gefahr in Zerberoffs Bewusstsein verstärkte sich, erhielt eine fast schmerzhafte Intensität.

Die Supratronik des Flaggschiffs meldete sich. »Der Funkverkehr innerhalb des Kolonnen-Forts weist das Gebilde als TRAICOON 0099 aus, Hoher Herr!«

»TRAICOON 0099?« Aus dem Mund des Ganschkaren drang ein Wehlaut, weil der Singuläre Intellekt in diesem Augenblick zerbrach und erst wiederkehrte, nachdem Zerbone und Aroff gemeinsame Anstrengungen unternahmen, die Trance wiederherzustellen. Wertvolle Augenblicke gingen so verloren.

»Kalbaron!« Diesmal sprach Zerberoff durch den Mor’Daer-Mund. »Wenn dem so ist, haben wir das Flugziel verfehlt und stehen nun im System von Claysons Stern, Zielwelt Woodlark.«

»Verzeih mir, Herr, aber die Koordinaten stimmen exakt mit unseren Speicherdaten überein. Dieses Kolonnen-Fort steht zehn Lichtwochen außerhalb des Hayok-Systems.«

»TRAICOON 0099 gehört zu einem Sonnensystem namens Claysons Stern!«, beharrte der Duale Kapitän, diesmal mit deutlichem Missfallen in der Stimme. »Wenn wir uns an den beabsichtigten Koordinaten aufhalten, dann ist das hier …«, er wies mit theatralischer Geste auf den Monitor, der das Kolonnen-Fort zeigte, »… TRAICOON 0096.«

Wieder schaltete sich die Supratronik des Diskus ein. »Wir senden jetzt mit der korrekten Kennung für TRAICOON 0099, Hoher Herr. Wir erhalten Kontakt!«

Der Mor’Daer-Kopf zuckte aufgeregt mit den Nickhäuten. »Kalbaron, es ist das falsche Fort, und es ist noch nicht fertig!«

»Das sehe ich genauso, Herr!«

Die Darstellung auf dem Bildschirm wechselte erneut und zeigte einen Ganschkaren mit den Schulterabzeichen eines einfachen Funkers.

»An das Chaos-Geschwader von TRAICOON 0098«, hörte der Duale Kapitän ihn sagen. »TRAICOON 0099 schickt euch einen Peilstrahl.«

Der Duale Kapitän bewahrte mühsam seine Fassung. TRAICOON 0098 vernichtet, TRAICOON 0099 am falschen Ort – bei den Progress-Wahrern, was war mit der Terminalen Kolonne los?

Zerberoff blendete die Funkverbindung aus, unterbrach den Kontakt zur Zentrale des Flaggschiffs und gab dadurch zu verstehen, dass er vorerst keine Kommunikation und keine Informationen wünschte. Diesmal löste er sich fast widerstrebend aus dem Singulären Intellekt.

Das Kolonnen-Fort strebte viel zu spät seiner Vollendung entgegen. Damit war es ähnlich wie TRAICOON 0098 stark gefährdet.

Aroff ging die Daten über das Kolonnen-Fort durch. Nichts unterschied die beiden Forts, bis auf eine Kleinigkeit: TRAICOON 0099 besaß vorgefertigte Wohn- und Trainingseinheiten für Sonderkommandos der Awour. Diese aber gehörten nicht zur Standardbesatzung, sondern waren Spezialeinheiten für sensible Operationen.

»Ausgerechnet Awour«, schnaubte Zerbone.

»Ich weiß, an wen du denkst«, sagte Aroff. »Das macht die Awour aber nicht zu schlechteren Instrumenten.«

»Sobald man sie benötigt«, schränkte Zerbone ein. »Wir benötigen sie allerdings nicht. Was ist mit dem Zustand des Forts?«

»Sie bauen und fügen zusammen, als sei nichts geschehen. Es gibt keinen Alarm, nicht einmal zusätzliche Patrouillenflüge. Ein Großteil der Schiffe des Geschwaders befindet sich nicht in Bereitschaft.«

»Wir werden das ändern.« Zerbone legte in diesen einen Satz allen Nachdruck, dessen er fähig war. Im Klartext hieß das: »Wir übernehmen das Kommando über TRAICOON 0099.«

Gleichzeitig aber drängten die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit in sein Bewusstsein, die verlorene Flotte, für die ihn die Progress-Wahrer zum Kommandanten eines simplen Kolonnen-Forts degradiert hatten. Nicht einmal das hatte er behalten. Die Terraner hatten es zerstört. Er verfügte nur noch über das Chaos-Geschwader.

All das hätte Zerbone unglücklichen Umständen zugeschrieben, wenn nicht jemand einen Standorttausch zweier Forts vorgenommen hätte. 0099 bei Hayok … was bedeutete das?

»Es könnte ein Anzeichen sein, dass die Dunklen Ermittler nicht nur im Solsystem fehlerhaft gearbeitet haben«, meinte Aroff vorsichtig.

»Ein Anzeichen?« Zerbone riss weit den Rachen auf, als wolle er den Kopf des Ganschkaren verschlingen. »Bloß ein Anzeichen?« Als Aroff schwieg, lachte der Mor’Daer. »Wenn das, was wir bisher beobachtet und herausgefunden haben, den Progress-Wahrern nicht als Beweise ausreicht, gehe ich freiwillig in den Konverter.«

»Da habe ich ein Wörtchen mitzureden!«

»Ganschkare!« Es klang wie ein Fluch. Aroff setzte zu einem Protest an, aber Zerbone schnitt ihm das Wort ab. »Funker, hörst du mich?«

Augenblicklich erhellte sich der Bildschirm wieder und zeigte den Ganschkaren in TRAICOON 0099.

»Ich stehe zu deinen Diensten, Herr!«, klapperte der Schnabel.

»Gib mir Auskunft, Funker. Was ist aus TRAICOON 0096 geworden?«

»TRAICOON 0096 steht im System Claysons Stern, Herr!«

»Warum?«

»Das ist mir nicht bekannt, Herr!«

Die beiden Köpfe des Dualen Kapitäns sahen einander stumm an. Sie kannten sich lange genug, die rechte Körperhälfte des Mor’Daer und die linke Körperhälfte des Ganschkaren, um ein paar typische Eigenarten ihres Spezies zu verstehen. Der Kopfflaum Aroffs bewegte sich gleichmäßig, obwohl kein Wind ging. Und die Gesichtsschuppen Zerbones schabten leise aneinander.

Beides bedeutete Misstrauen. Und das Misstrauen wuchs mit jedem Atemzug, in dem sich die Flotte der Disken dem Kolonnen-Fort näherte – 484 Einheiten, wie an einer unsichtbaren Kette aufgereiht.

Zerbone schaltete die externe Funkverbindung ab und sah sich übergangslos dem Abbild des Kalbaron gegenüber.

»Stiller Alarm für alle Einheiten«, ordnete der Duale Kapitän an. »Gefechtsbereitschaft herstellen!«

 

*

 

Ihr Auftrag lautete noch immer, die Übernahme des Planeten Terra vorzubereiten. Der Raumsektor Sol sollte zum ersten Vorposten der Terminalen Kolonne TRAITOR in der Milchstraße werden. Vorerst sahen Zerbone und Aroff keine Chance, dieses Ziel kurzfristig zu verwirklichen.

Von den 58 Kolonnen-Forts existierten noch 57. Zumindest glaubte der Duale Kapitän das. Einen Beweis dafür besaß er nicht.

»Du willst wirklich das Kommando über TRAICOON 0099 antreten?«, erkundigte sich Aroff. Dabei vermied der halbe Ganschkare es, den halben Mor’Daer anzusehen.

»Soll ich die Chance ungenutzt verstreichen lassen?«

In einem neuen Kolonnen-Fort konnte der Duale Kapitän seine Fähigkeiten endlich unter Beweis stellen. Darum ging es den Progress-Wahrern in erster Linie. Gleichzeitig verbesserte er seine Chancen, Argumente gegen die Arbeit der Dunklen Ermittler zu finden. Nur wenn es ihm gelang, sie zu diskreditieren, die bislang als über jeden Zweifel erhaben gegolten hatten, bestand für ihn eine Chance, sein bisheriges Milchstraßen-Debakel heil zu überstehen.

Aroff klapperte mit dem Schnabel. Das hohle Geräusch sollte wohl seine innere Unsicherheit verbergen. »Was tun wir, wenn in TRAICOON 0099 ebenfalls ein Dualer Kapitän kommandiert?«

Zerbone gluckste vor Erheiterung. »Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit eines solchen Zufalls?«

Manchmal zweifelte der Mor’Daer am Verstand seines Dualpartners. In Situationen wie dieser zeigte sich, dass sie zwar ein Lebewesen waren, aber dennoch zwei Individuen. Kolonnen-Anatome unter Leitung des Anatoms Tomf hatten ihre Körper halbiert und die rechte Hälfte des Mor’Daer mit der linken Hälfte des Ganschkaren operativ verschmolzen. Sie besaßen einen Leib, aber zwei Wirbelsäulen und zwei Köpfe. Unglaublich lange Zeit hatten sie in der Klinik verbracht, ein schier endloses Erlebnis im zentralen Brutsaal.

Wie eine Geburt sollte es sein, aber ihre von Marc London freigelegte Erinnerung suggerierte ihnen eher ein Erlebnis, als habe die Hölle der Kosmokraten sie erst verschlungen und dann wieder ausgespuckt. In eine Welt des Irrsinns …

Eine Fraktale Aufrissglocke konnte sich auf organisches Leben nicht schlimmer auswirken als das, was sie durchgemacht hatten. Und wozu sie geworden waren.

Jetzt, da sie einen Teil ihrer Vergangenheit kannten, schien ihr Leben übergangslos komplizierter zu sein. Sie sahen Zusammenhänge und daraus resultierende Probleme, die ihnen zuvor nicht bewusst gewesen waren. Was ihnen als Einziges in diesen Tagen blieb, war der Glaube an die Existenz der Progress-Wahrer. Ihnen wollten sie die Beweise ihrer Unschuld liefern.

Zerbone kam es vor, als sei das Urteil im Nega-Saal erst gestern gefällt worden. Ihr unsichtbarer Gesprächspartner hatte ihnen deutlich gemacht, dass sie eine zweite Chance nicht verdienten. Sie blieben nur am Leben, weil es in der Terminalen Kolonne TRAITOR so wenige Dualwesen gab. Oder nicht genug davon, wenn man den Ausspruch so interpretieren wollte.

Der Duale Kapitän hätte es ihnen entgegenschreien wollen – dass es nicht so war wie damals bei den annähernd 98.000 Schlachtschiffen, die sie verloren hatten. Dass die Vernichtung des Kolonnen-Forts vor Sol sich auf andere Ursachen zurückführen ließ – auf eine Fehleinschätzung der technischen und wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit der Terraner vor allem. Dass die Dunklen Ermittler nicht genau genug geforscht, wichtige Dinge übersehen und ein verzerrtes Bild von den Menschen, ihrer Mentalität und ihren Fähigkeiten geliefert hatten.

Das war die Ursache für den Untergang von TRAICOON 0098, gepaart mit Sabotage durch eine defekte Mikro-Bestie. Zon Facter hatte vermutlich nicht einmal bemerkt, wer da als blinde Passagiere in seiner Dunkelkapsel mitgeflogen waren.

Wussten die Progress-Wahrer bereits, dass TRAICOON 0098 nicht mehr existierte? Hatte sich ihr Kurierschiff schon auf den Weg in die Milchstraße gemacht, um den Dualen Kapitän endgültig einer finalen Bestimmung zuzuführen?

Der Bildschirm erhellte sich, aber er zeigte nicht das befürchtete Symbol der Progress-Wahrer-Schiffe, sondern das Abbild des Kalbaron.

»Herr, deine Anwesenheit in der Zentrale ist erwünscht. Wir durchstoßen in Kürze das Prallfeld und erreichen die Atmosphärenzone des Forts.«

»Ich komme«, sagten Zerbone und Aroff wie aus einem Mund.

Nach einem letzten, nachdenklichen Blick verließen sie die Suite und schritten ein wenig schief und einseitig den Korridor entlang zum Antigravschacht.

»Die Schiffe ihres Chaos-Geschwaders halten still«, stellte der Ganschkare nach einem Blick auf sein Armdisplay fest. »Ich kann keine Anzeichen feindlicher Absichten erkennen.«

»Das wundert mich nicht. Wie würdest du dich an ihrer Stelle verhalten?«

Sie sprachen, als sei das Fort von einer fremden Macht beherrscht, von einer Macht der Milchstraße gar.

Aroff kratzte sich den Nackenflaum. »Du hast Recht.«

Sie erreichten den Schacht und schwebten nach oben. In einem Vorraum der Zentrale entnahmen die beiden völlig unterschiedlichen Arme einen schweren Kampfanzug aus dem Wandschrankareal. Der Duale Kapitän schlüpfte hinein. Während Aroff sich um die Funktionstüchtigkeit der Versorgungssysteme kümmerte, testete Zerbone die Waffensysteme und die Schutzschirme. Erst dann setzte der Duale Kapitän seinen Weg fort.

Die Offiziere und die Angehörigen der Mannschaft erstarrten vor Ehrfurcht, als Zerberoff wenig später die Zentrale betrat und zielstrebig auf den Sessel des Kommandanten zuhielt.

Der Kalbaron erhob sich geschmeidig, verneigte sich leicht. »Bitte nimm Platz, Herr!«

Zerberoff schlug die Kiefer des Mor’Daer-Kopfes zusammen. Der Kommandant begriff sofort, dass er einen Fehler gemacht hatte. Der Duale Kapitän entdeckte an der Körperhaltung des Artgenossen Anzeichen von Ratlosigkeit.

Keiner wusste etwas über ein Wesen wie Zerberoff. Keiner kannte den Schmerz, der ihn erfüllte, wenn er alleine daran dachte, sich hinzusetzen. Eine so einfache Bewegung für die meisten und ausgerechnet ihm, einem Mächtigen, nicht möglich.

»Es ist gut.« Er lehnte sich seitlich gegen die Sessellehne. Selbst diese Haltung verursachte ihm Schmerzen. Verstohlen öffnete er den Kampfanzug und fischte nach einer Mephratablette in der Brusttasche seiner Bordkombination. Er zerbrach sie, dann schob die Mor’Daer-Pranke die eine Hälfte in den Hornschnabel Aroffs, die andere verschwand zwischen den Dolchzähnen Zerbones.

Mephra – ein Langzeitwirkstoff, ursprünglich für die ersten Monate nach der Operation bestimmt. Zerberoff war das Medikament zum Lebenselixier geworden. Zwei- bis dreimal im Jahr eine Dosis reichte aus. Der Duale Kapitän focht einen immerwährenden Kampf zwischen dem Schmerz und der Sucht aus. Und er vermochte nicht zu sagen, wer am Ende Sieger bleiben würde.

Das Flaggschiff des Geschwaders erreichte den Prallschirm. Ein kurzes, fast nicht wahrnehmbares Leuchten auf dem Bildschirm zeugte von der energetischen Berührung auf der Diskusoberfläche und den draußen installierten Instrumenten. Die Messgeräte meldeten eine dünne Lufthülle, ausreichend für einen kurzen Aufenthalt außerhalb des Forts oder eines Fahrzeugs. Auf diese Weise sparte die Terminale Kolonne Millionen und Milliarden Atemmasken und Raumanzüge für die Techniker und Monteure.

»Analysiert die exakte Zusammensetzung der Lufthülle!«, forderte Zerberoff die Besatzung auf. Sie durften jetzt nichts übersehen, nicht die geringste Kleinigkeit. »Die Schiffe ab der Nummer 243 bleiben außerhalb des Schirms in Schussposition«, fuhr der Duale Kapitän fort.

TRAICOON 0099 stellte keine Fragen. Der Funker traute sich vermutlich nicht. Oder jemand hatte ihm jeden weiteren Kontakt untersagt.

Die Auswertung der Lufthülle war abgeschlossen. Die Zusammensetzung stimmte bis ins Detail mit der aller Kolonnen-Forts überein, in denen Mor’Daer, Ganschkaren, Yong-Dreq-Kreaturen und ein paar andere, Sauerstoff atmende Völker arbeiteten.

Der Peilstrahl holte die 242 Diskusraumer auf die Oberfläche des Kolonnen-Forts herunter, ungefähr in der Mitte zwischen den beiden gewaltigen Öffnungen.

Zerberoff schaltete eine kodierte Funkverbindung mit den Einheiten, die außerhalb des Prallschirms zurückgeblieben waren.

»Egal, was geschieht, ihr bleibt draußen. Sollten das Flaggschiff und seine Eskorte vernichtet werden, zieht ihr euch ins Solsystem zurück und wartet, bis die Progress-Wahrer eingetroffen sind. Nehmt von niemandem Befehle entgegen außer von ihnen.«

Die Progress-Wahrer besaßen die technischen Voraussetzungen, alle jene Datenverstecke ausfindig zu machen, die Zerberoff heimlich in jedem Diskus erzeugt hatte. Sie enthielten gleichlautende Daten über die bisherigen Vorgänge in diesem Teil der Galaxis Milchstraße sowie über das Versagen der Dunklen Ermittler. Die Besatzungen wussten nichts davon. Für den Dualen Kapitän war es so etwas wie eine Lebensversicherung.

Aber selbst wenn er die Ankunft der Progress-Wahrer nicht mehr erlebte, halfen die Daten der Terminalen Kolonne TRAITOR in jedem Fall, die Probleme in dieser Galaxis zu erkennen und sie zu lösen.

Das Flaggschiff des Chaos-Geschwaders erreichte seine Zielposition. Zerberoff schätzte die Distanz der Diskusoberfläche zum Boden auf zehn Körperlängen eines Mor’Daer.

Der Duale Kapitän wandte den Echsenkopf ruckartig in Richtung des Kommandanten. »Liegt eine Nachricht des amtierenden Fort-Befehlshabers vor?«

»Nein, Herr!«

Merkwürdig. Wer auch immer diensthabender Offizier der Terminalen Kolonne des Forts war, er hätte sich spätestens jetzt melden müssen, um den Gast zu begrüßen.