Gerald Kitzmüller

 

 

 

Rien ne va plus?

Eine Spezies auf dem Scheideweg

 

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Impressum:

 

© Karina-Verlag, Wien

www.karinaverlat.at

Autor: Gerald Kitzmüller

Lektorat: Werner Diefenthal

Layout: Werner Diefenthal, Karina Pfolz

Cover: Design Karina Pfolz,

Covercredits: Ofner&Partner, Wildpixel, Shutterstock

 

© 2020, Karina Verlag, Vienna, Austria

ISBN: 9783968580012

 

 

 

Vorwort

 

Der Mensch. Homo sapiens. Ein aufrecht gehender Affe, dessen Horizont längst jede Grenze überschritt. Dieses Wesen eroberte Wälder, später Dörfer, Städte, Länder und ganze Kontinente. Am Ende zähmte diese Kreatur die Gesetze der Physik und stieß das Tor zu zuvor absurd erscheinenden, gewaltigen Horizonten auf. Der Makrokosmos mitsamt seiner unbegreiflichen Größe wurde dem Menschen vertraut. Doch ebenso offenbarte sich dem Menschen der Mikrokosmos, in dem die Naturgesetze ebenso ihre ewige Arbeit leisten.

Ist es längst zu spät? Geht die glorreiche Geschichte der Menschheit ihrem Ende entgegen? Überzieht unsere Gesellschaft den Kreditrahmen, den uns unser Heimatplanet gewährte? Ist die erfolgreichste Kreatur der Evolution dem Untergang geweiht, weil sie sich nicht mit der Konstante natürlicher Grenzen abfindet?

Machen wir uns nichts vor und akzeptieren wir den chauvinistischen Gedanken, dass der Mensch das erfolgreichste Produkt der Evolution ist. Erfolg ist jedoch nicht alles, wird er um jeden Preis erzielt. Der Pyrrhus-Sieg über die von der Natur vorgegebenen Normen könnte uns vom Erdboden fegen. Erfolg ist eben nur ein Teil des Fortschritts. Eine sich selbst reflektierende Tierart trägt zwischen den Schultern einen entscheidenden genetischen Vorteil. Unser Gehirn erlaubt uns, unsere Taten zu hinterfragen und aus begangenen Fehlern zu lernen. Eigentlich beste Voraussetzungen, um den Erfolg unserer Weltengemeinschaft zu prolongieren … sollte man meinen!

Schon längst ist uns die Fragilität unserer Heimat bekannt. Vor allem in den reichen Industrieländern gewährt uns ausreichende Bildung einen geschulten Blick auf Konsequenzen unseres gierigen Wachstums. Viele Naturgesetze wurden selbst von schlechten Schülern verinnerlicht, z.B. die natürlichen Grenzen der Lichtgeschwindigkeit. Das Universum konnte seine Vielfalt nur entwickeln, weil es gewissen Regeln unterworfen ist. Eine davon lautet unmissverständlich, dass selbst größte kosmische Gebilde nicht ewig währen. Mit den Jahrmilliarden, die vergehen, dünnen Galaxien aus, Quasare verbrennen ihre schier unerschöpfliche Energie, selbst schwarze Löcher scheinen nach dem neuesten Stand der Wissenschaft nicht ewig durch die unendliche Schwärze des Raums zu schweben. ›Too big to fail‹ gilt für nichts und niemanden in diesem Kosmos. Wächst etwas über alle gesunden Maße hinweg, stößt es an eigene Grenzen. Ein blauer Hyperriese (die größte uns bekannte Sorte von Sternen) ist ebenso an Grenzen des Wachstums gebunden wie ein kleines Insekt. Schon Atome ziehen ihre Bahnen nach fix vorgegebenen Mustern. Täten sie dies nicht, wäre der Urknall ein Spektakel ohne Wirkung gewesen. Niemand im All hätte darüber forschen können, denn nichts Komplexeres wäre entstanden, nicht einmal Sterne. Ebenso unterliegen Völker natürlichen Wachstums-Grenzen. Wird ein Ameisenstaat zu dominant für sein Habitat, ist er gezwungen, auf ein besseres Revier auszuweichen, will er fortbestehen. Bäume wachsen ebenso nicht grenzenlos in den Himmel, wofür die Gravitation, Mutter der physikalischen Grundgesetze, sorgt. Mehr als 130 Meter ist ein Holzgigant nicht imstande, seine Krone dem Himmel entgegen zu recken, denn höher kann das lebenswichtige Nass, unser Wasser, nicht transportiert werden.

Die Entwicklung der Arten fand mit dem Menschen einen jähen Höhepunkt. Nie zuvor war ein Wesen auf der Erde in der Lage, abstrakt zu denken. Noch nie konnte ein Lebewesen diese Gedanken auch in die Tat umsetzen. Ein derartiger Vorteil im ständigen Wettkampf mit der unmittelbaren Umwelt ließ die Population des Menschen gedeihen. Mit wachsender Zahl an Individuen wuchs auch der Platzbedarf. Irgendwann geht jedoch jeder Raum zur Neige. Platzmangel entsteht. Die Nutzung des vorhandenen Geländes wurde schon vor Jahrhunderten stetig verbessert, mancherorts optimiert. Trotzdem: Auch, wenn modernste Technik vor kurzem noch für sagenhafte Effizienz sorgte … irgendwann kommt unweigerlich der Zeitpunkt, an dem das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Dieser Moment ist jetzt gekommen unterscheidet sich eine technologisierte Zivilisation in keiner Weise von einem klitzekleinen Virus: Wird ein eingedrungener Organismus zu mächtig und bedient sich im Übermaß an einem Wirt – stirbt dieser. Die Verbreitung mancher Epidemie wurde bis 2019 nur deshalb im Zaum gehalten, weil die befallenen Wirtskörper zu schnell starben. So war es zum Beispiel bei Ebola. Wäre diese fürchterliche Krankheit nach der Infektion nur mit halbem Verwüstungs-Hunger programmiert, die Überschreitung in andere Körper zu Zwecken der Vermehrung würde erschreckende Opferzahlen generieren. Da Ebola aber, verglichen mit harmloseren, jedoch ähnlich strukturierten Viren, in Windeseile für Ermattung und Tod des Wirtskörpers sorgt, waren Pandemien von gefährlichen Seuchen wie dieser noch ausgeschlossen.

Während der Erstellung dieses Buches überholte die Realität das Geschriebene, denn Covid-19, das Coronavirus ›Sars-CoV2‹, fraß sich einen Weg, der inzwischen auf dem ganzen Erdball für eine Katastrophe sorgt. Die Pandemie ist da! Einstweilen kämpft ausnahmslos jeder Staat der Welt gegen die ungebremste Ausbreitung, um die medizinischen Kapazitäten nicht zu überlasten. Leider befinden sich einige Länder (Italien, Spanien, USA; Iran …) schon in der Bredouille. Die Todeszahlen steigen rapide. Fast die ganze Welt steht still und befindet sich im ›Lockdown‹, der uns zum Hausarrest zwingt, um die Verbreitung in Grenzen zu halten. Die Weltwirtschaft fuhr komplett hinunter, ein Kollaps droht die Menschheit in große Schwierigkeiten zu bringen. So ist dieses Buch bedauerlicherweise aktuell, wie es während des Schreibens nie war. Es bleibt mit dem aktuellen Stand der Dinge nur zu hoffen, dass sich die Opferzahlen während der Pandemie und durch den ökonomischen Shutdown in Grenzen gehalten werden.

Die Weltwirtschaft fuhr komplett runter, ein Kollaps droht die Menschheit in große Schwierigkeiten zu bringen. So ist dieses Buch bedauerlicherweise aktuell, wie es während des Schreibens nie war. Es bleibt mit dem aktuellen Stand der Dinge nur zu hoffen, dass die Opferzahlen während der Pandemie und durch den ökonomischen Shutdown in Grenzen gehalten werden.

Viren mutieren jedoch. Es ist nicht auszuschließen, dass tödliche Seuchen eines Tages auf dem gesamten Globus, bedingt durch die hohe Mobilität des Menschen, für Tod und Verderben sorgen. Der Hollywood-Film ›Contagion‹ zeigt trocken und unaufgeregt, wie rasant gefährliche Erreger die Schleusen der Flughäfen passieren und damit kaum noch einzudämmen sind. Der Mensch wiederum mutiert ebenso. Kaum eine Generation, die nicht durch wachsenden Wohlstand in den letzten hundert Jahren größer, stärker, klüger wurde. Gute Ernährung und hohe Lebenserwartung sorgen für eine explosionsartige Vermehrung unserer Art, den zwei Weltenbränden des letzten Jahrhunderts zum Trotz. Im geologisch lächerlichen Zeitraum von fünfzig Jahren verdoppelte sich die Population von Homo sapiens sapiens.

Die Prognosen für die nächsten Jahrzehnte sind schauderhaft, denn schon lange bedienen wir uns stärker an unserem Heimatplaneten, als dieser liefern kann. Ressourcen-Knappheit und das Kippen wesentlicher Bestandteile einer intakten Natur sind die Antwort auf einen vom Menschen unvergleichlichen Raubzug.

Ein Planet von der Größe der Erde ist natürlich nicht grenzenlos mit Bodenschätzen und Platz ausgestattet. Selbst wenn unser Planet die Größe des Jupiters besäße, käme eines Tages trotzdem der Zeitpunkt, an dem der irdische Brötchengeber mit dem enthemmt wachsenden Hunger seiner dominanten Spezies einfach nicht mehr mithält.

Tausende von Jahren vergingen, bis unsere Zivilisation den endgültigen Siegeszug über die Natur angetreten hat. Ein Nichts, verglichen mit allen großen Erschütterungen der Erdgeschichte, die zumeist mindestens ein paar hunderttausend Jahre für grobe Umwälzungen benötigten. Die Zähmung der Natur war nur eine logisch folgende Antwort unserer Intelligenz auf die Herausforderungen unserer gefährlichen Umwelt. Unser Planet ist aber kein unendliches Füllhorn, dessen wir uns nur zu bedienen bräuchten. Er ist – so wissen wir inzwischen – einem sensiblen Gleichgewicht unterworfen, dessen Erhaltung oberste Priorität für uns Menschen besitzen sollte. Gibt es keine intakte Umwelt, kann auch der Mensch trotz all seiner technischen Meisterleistungen nicht überleben. Wir können es drehen und wenden, uns alle Eventualitäten ansehen, rechnen und prognostizieren … am Ende ist Schluss mit lustig.

Klimawandel, Radikalisierung, Überbevölkerung und wirtschaftliche Notlagen stellen inzwischen nur einen Teil der von uns gezüchteten Gefahren dar. Wir haben gelernt, intellektuell geschärft durch die revolutionären Fortschritte der Naturwissenschaften, Gefahren und Herausforderungen präventiv zu begreifen. Studien, Funde und fürchterliche Erfahrungen der Vergangenheit lieferten Erkenntnisse, die uns zu denken geben sollten. In zahlreichen Segmenten moderner Forschung erkennen wir zum ersten Mal im Laufe unserer Geschichte naturgegebene Limits. Grenzen des Machbaren als auch der Ethik belehren uns über die Endlichkeit von Entwicklungen, präsentieren aber auch unbarmherzig, dass wir gewisse Schritte eher vermeiden sollten.

Vor allem aber während der letzten Jahrzehnte wurden unsere Limits nachhaltig nach oben verschoben, teilweise in kaum begreifbarer Geschwindigkeit. Die Auswirkungen dieser Epoche sind erst in ein paar Jahrhunderten vollends begreifbar. Unser Alltag ist mit dem unserer Großeltern kaum noch zu vergleichen. Bequemlichkeit und Komfort zogen wie ein Sturm der Gemütlichkeit in unsere Haushalte ein. Reziprok zum gesparten Aufwand für alltägliche Dinge wächst unsere berufliche Produktivität. Doch zu welchem Preis?

Langsam weicht die menschliche Arroganz gegenüber ihrer Umwelt der Angst vor dem kompletten Verlust ebendieser. Noch immer wird die permanent wachsende Bedrohung relativiert und kleingeredet. Reaktionen der Natur auf menschliche Aktionen folgen in steigender Zahl. Hungersnöte und Dürren, stärker werdende Stürme über den Meeren, steigende Häufigkeit von (durch ungebremsten Raubbau provozierten) Naturkatastrophen geben uns zu denken. Ständiges Bedienen am noch vor kurzem uner-schöpflich geglaubten Füllhorn der Natur brachte uns nun in eine Bredouille, deren Ausmaße noch gar nicht richtig abschätzbar sind.

 

Die folgende Grafik zeigt unmissverständlich, wie die Human-Produktivität von 1990-2014 beständig wuchs.

Produktivitaet_Welt_OECD_EME_1990-2014

Doch zerstören wir Fauna und Flora unseres Heimatplaneten nachhaltig? Nein! Hier gilt es zu unterscheiden. Sogar ein nuklearer Weltkrieg würde Mutter Natur ›nur‹ um ein paar hunderttausend Jahre zurückwerfen. Es geht nichts verloren. Energie wird nur umgewandelt, doch bleibt sie dem Kosmos erhalten. Ausnahmslos bewies die Evolution in der irdischen Geschichte, dass selbst die größten Katastrophen schadlos überstanden wurden. Evolutionäre Anpassung kommt immer dann zur Geltung, wenn unvorhergesehene Katastrophen den Entwicklungsfaden von Mutter Natur zum Reißen bringen, denn manche Organismen überleben auch stärkste Einschnitte in die unmittelbare Umwelt. Diese Spielarten der Natur bilden die Basis für einen neuen Anlauf der Evolution, die unter speziellen Umständen dementsprechend zu reagieren vermag. Fünf Massensterben in der Weltgeschichte wurden durch dieses unbestechliche Prinzip schon überwunden. Das sechste ist gerade im Gange. Radikaler als zuvor schaffte es der Mensch – eigentlich die unumstrittene Krone der Schöpfung – sich selbst den Ast anzusägen. Der Yucatan-Asteroid1, uns Menschen bekannt als die Katastrophe, welche jäh die Ära der Dinosaurier nach fast 150 Millionen Jahren beendete, schlug abrupt und mit unvorstellbarer Zerstörungskraft in die Erdkruste ein. Und doch dauerte es tausende Jahre, bis die Nachwirkungen des gewaltigen Einschlags endgültig (beinahe) alle Spuren des zuvor florierenden Lebens auslöschten. Es ist nicht die Natur, die vor Schmerzen schreit. Sie existiert, weil die Naturgesetze einfach bestehen. Die Natur fühlt nicht, sie ist. Sie erholt sich daher von selbst und hat Millionen Jahre Zeit, um sich in anderer Form wieder zu regenerieren. Dieses Prinzip agiert so lange, bis unsere Sonne zum roten Riesen mutiert (in circa zwei Milliarden Jahren) und alles Leben auf der Erde unmöglich macht. Es sind ›nur‹ wir selbst, die in größter Gefahr sind!

Homo sapiens sapiens, der moderne Mensch, die (bisherige) Krönung der Evolution, ist im Begriff, sich selbst trotz geradezu perfekter Anpassungsfähigkeit den Boden mit Absicht abzugraben. Stur und bar jeglicher Vernunft wird aber weiter, schneller, höher und in rauen Mengen produziert, als gäbe es kein ›Morgen‹. Es wird weiterhin geprasst, verschwendet, der Wohlstand erhöht, Reichtum gefördert und dem Gewinn wie einem Götzen gefrönt. Der Trend zum Egoismus höhlte unsere Gesellschaft vor allem in den letzten hundert Jahren beständig aus. Jetzt ist kaum noch jemand gewillt, das Ruder herumzureißen, da der persönliche Wohlstand kaum noch reduziert werden will. Nur ein kleiner Teil unserer Gesellschaft ist dazu bereit, den Gürtel enger zu schnallen, obwohl jeder Einzelne von uns große Verantwortung daran trägt, den nächsten Generationen zumindest noch Reste dieses Paradieses zu vererben.

Wieso aber agieren wir alle so? Wieso macht kaum jemand von seiner Pflicht Gebrauch, achtsamer mit den Ressourcen von Mutter Erde umzugehen? Psychologisch ist dies relativ leicht nachvollziehbar: Unser ureigener Instinkt (neben der Fortpflanzung und dem Trieb zum Überleben) machte den Menschen erst zu dem Erfolgskonzept, das ihn schlussendlich ausmacht … Gier! Die uns angeborene Gier funktioniert nach ähnlichen Prinzipien wie Suchtverhalten. Wir streben nach immer mehr, sind aber niemals zufrieden! »Der Weg ist das Ziel« strahlt wie ein allmächtiges Mantra über unserer getriebenen Gesellschaft. Der gewohnte Standard, obwohl außergewöhnlich hoch, verkommt irgendwann zur langweiligen Normalität. Dieser Teufel in unserem Verhalten, der achtsameres Umgehen mit dem, was uns zur Verfügung steht, verhindert, bemüht sich redlich, uns als Kollektiv zum Scheitern zu bringen. Ohne der uns eigenen Gier wiederum - so die Kehrseite der Medaille – wären wir niemals so weit fortgeschritten. Das psychologische Prinzip gierigen Verhaltens impliziert eben auch den positiven Aspekt der Neugier! Das Eine ergibt das Andere – und vice versa!

Maßnahmen zur Rettung gäbe es, jedoch wächst mit jedem verstrichenen Tag die Schwierigkeit der praktischen Ausführung. Wenn sich Politiker, ihren Lobbys verpflichtet, halbherzige Zugeständnisse zum Abbau der CO²-Emissionen abringen, diese aber zum Stimmengewinn bei Wahlen nicht einhalten, weil die Rettung der Welt langfristig und dadurch nicht für den typischen Wähler greifbar ist, wäre man versucht, aufzugeben und unsere Art abzuschreiben. Flugs werden diverse Versprechungen publiziert, die – Überraschung! – nach einer Wahl plötzlich kaum noch Wichtigkeit genießen. »Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut!« ist Sinnbild einer verzerrten Wahrnehmung unserer politischen Landschaft, da die moderne Marktwirtschaft nur ein Dogma kennt: Gewinn! Da allen gewinnorientierten Firmen Grenzen gesetzt sind – schließlich ist jeder Markt einmal übersättigt – kennt unsere Politik keine Skrupel bei der Umweltpolitik und schiebt allfällige Einschnitte unseres Lebensstandards einfach vor sich hin. Schließlich gilt es, dem Individuum finanziellen Wohlstand zu garantieren. Darauf basiert unser gesamtes System. Sollen sich doch die Nachfolger darum kümmern, wenn man selbst alle Schäfchen im Trockenen hat!

 

Greta Thunberg und ›Fridays for Future‹, der ›Aufstand‹ der Jugend für die Erhaltung des Planeten, schüren neue Hoffnung auf eine klügere Gesellschaft der Zukunft, die noch nicht das Handtuch wirft, sondern aktiv und vor allem bewusst die grimmigen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte annimmt. Unsere Jugend hat allerdings keine Wahl, denn alle Alternativen enden katastrophal! Der Kollaps der Tier- und Pflanzenwelt, eine rapide steigende Häufigkeit von Wetterextremen, unerträgliche Hitze und Dürren, Hungersnöte, Konflikte, Kriege und viele schreckliche Konsequenzen heutiger Umweltsünden werden – ausschließlich zu unserem Nachteil – geduldig auf ein endgültiges Kippen der Umweltbedingungen hinweisen … bis es zu spät ist! Noch ist es nicht zwingend erforderlich, global radikale Maßnahmen zu treffen. Allerdings erschwert jeder verstrichene Tag die Meisterung dieser kolossalen Herausforderungen, deren Basen schon längst gelegt sind. Mit all den halbherzigen Zugeständnissen, dem Erhalt der persönlichen Bequemlichkeit unterworfen, verunmöglichen wir die Zukunft unserer Enkelkinder und deren Nachfahren. Wir werden als ›Generation der Zerstörer‹ in die Geschichte eingehen, hinterfragen wir nicht auf der Stelle dieses alles auffressende System, in dem wir leben.

Noch könnte die Zeit reichen, ginge jeder von uns nur ein wenig bewusster im Umgang mit den verfügbaren Ressourcen um, doch die Uhr tickt schon längst unbarmherzig gegen uns. Das kapitalistische System, bislang Triebfeder für Wohlstand und Innovation, läuft völlig aus dem Ruder, während die Gesellschaft gesättigt ist und permanent durch ständigen Hunger nach ›mehr‹ die Schlagzahl erhöht. Die Schieflage unserer Gesellschaft hat längst gefährliche Dimensionen angenommen. Es scheint, als wäre der Mensch degeneriert, herrscht doch ein regelrechter Boom auf rechte Parteien und deren gierige, die Klimaerwärmung negierende, menschenverachtende Mentalität.

Als wollten wir die Apokalypse, die uns droht, beschleunigen oder gar erzwingen, fördern wir die Aspekte, die zur Zerstörung unserer Umwelt den Hauptteil beitragen.

Ein Kaninchen ist dazu geboren, die Flucht zu ergreifen. Deshalb entwickelte die Evolution eine Stellung der Augen, die es erlaubt, beinahe rundum zu sehen. Ein vollständiger Rundum-Blick wurde aber von Mutter Natur noch bei keinem Säugetier erfunden, weshalb auch der breiteste Fokus seinen toten Winkel besitzt. Befinden sich direkt vor dem Tier Gefahren, versagt der Fluchtinstinkt von Hasenartigen, weshalb sie in dieser Ausgangsposition oft mühelos von ihren Jägern gerissen werden.

»Wie das Kaninchen vor der Schlange« wurde Synonym für eine Gefahr, der man zwar ins Antlitz blickt, ohne deren tatsächliches Potential zu erkennen. Starr sieht man das Unheil kommen, wagt aber keine Bewegung … bis die Konsequenz unweigerlich eintritt!

Können wir die Katastrophe noch verhindern? Um ehrlich zu sein, schwindet mein persönlicher Glaube stetig. Um die Kurve noch zu kriegen, müsste sich unser aller Denkweise radikal ändern. Der weit überhöhte Lebensstandard in den Industrieländern müsste grob beschnitten werden. Gerechte Verteilung von Gütern an die Allgemeinheit müsste auf Kosten globaler Konzerne und der Superreichen forciert werden. Zur selben Zeit besteht die Pflicht, den eigenen Egoismus in den Hintergrund zu drängen. Wer aber soll dies initiieren? Vorbilder wie Jose Mujica, ehemaliger Präsident von Uruguay, berühmt durch unvergleichliche Bescheidenheit trotz des Amtes als höchster Politiker des Landes, sind rar gesät. Donald Trump und Co. als Galionsfiguren der neuen Gier treiben den Raubbau am Planeten voran, als wäre eh schon alles egal. Was also tun?

Die komplexe Misere, in der wir uns befinden, lässt sich nicht durch einfache Schlagworte beheben, weshalb ich mit diesem Buch einen anderen Weg bestreiten will. Um auch dem größten Skeptiker gewisse Vorgänge nahezubringen, will ich die Mechanismen der Kausalität erklären.

Das Prinzip von ›Ursache und Wirkung‹ hat uns in der gesamten Geschichte des Universums gezeigt, warum etwas geschieht und welche möglichen Folgen daraus entstehen. Aktuelle Zahlen lassen Schlüsse zu, die es auch dem Laien ermöglichen, der fatalen Situation persönliche Taten zur Verminderung der Gefahr abzuzwingen. Die Erhaltung unserer Umwelt und damit die Erhaltung von uns selbst begrenzt sich nicht auf die Prozesse der Politik, sondern fordern jeden von uns. Kausalität ist ein alltäglicher Vorgang, welcher uns rund um die Uhr begleitet. Versteht man dieses Prinzip halbwegs, entsteht die Fähigkeit, ›auf Sicht‹ zu leben, sprich: Man lernt, gewisse Vorgänge schon vor dem Ablauf zu erkennen und zu agieren, statt zu reagieren.

 

Eines sollte aber auch dem Ignorantesten unter uns bewusst sein: All die Behauptungen, meist von Populisten unter die Menschen gestreut, wonach der Mensch keinen Einfluss auf das Klima besitzt, sind grundfalsch. Unser Wohlstand ist weitaus schneller gestiegen, als es die Erde verkraften konnte. Auch wenn unsere Zivilisation keinen Einfluss auf das Klima dieser Welt ausüben würde, die Angst machenden Fakten liegen trotzdem unbeirrbar auf dem Tisch. Deshalb spielt es nicht die geringste Rolle, wer schlussendlich für den gordischen Knoten gesorgt hat, vor dem wir stehen. Das fundamentale Problem ist da! Und es ist auch schon längst in hiesigen Breiten zu spüren! Deshalb sollte auch der vehementeste Klima-Leugner eines akzeptieren: Ändern wir nichts, sind wir verloren. Da das Klima, ebenso wie die Artenvielfalt, keine politischen Grenzen kennt, hilft es uns auch nicht, uns auf Schritte der Politik zu verlassen. Hohe Politik kennt nur Macht und Gier. Vernunft verliert sich meist in den engstirnigen Grenzen einer Legislaturperiode. Auch das Warten, dass die USA oder China endlich Vorbildfunktionen übernehmen, ist bequem und schlecht, da die Verantwortung am Status Quo in uns allen steckt, weil wir allesamt Konsumenten eines gnadenlosen Wirtschaftssystems sind. Das System werkt unerbittlich weiter, bis nichts mehr übrig ist. Um die tödliche Gewinnsucht unserer gesellschaftlichen Struktur zu unterbrechen, braucht es Bewusstsein. In jedem von uns!

Darum geht es auch in diesem Buch. Es will nicht belehren, es will nicht von oben herab geschrieben sein. Immerhin bin auch ich als Autor Teil dieses Systems, dem zu entkommen so gut wie unmöglich ist. Es geht um Bewusstsein. Um neue Bescheidenheit. Um Sorgfalt mit Gegenständen. Und um jeden Einzelnen von uns.

 

Zivilisation

Kausalität und logischer Schritt

 

Ein sachlicher Überblick über die Gesamtsituation erfordert höchstmögliche Umsicht. Emotionen sind fehl am Platz und werden deshalb den Untergangspropheten kampflos überlassen. Um die Unbestechlichkeit natürlicher Mechanik zu begreifen, bedarf es Logik und Nüchternheit.

Gleich vorweg: Es sieht gar nicht gut aus! Doch emotionale Schlagzeilen sollen den Boulevard-Medien, politischen Parteien und ihren Marketing-Abteilungen überlassen sein. Emotion ist falscher Ratgeber in dieser beinahe aussichtslosen Lage, aus der uns nur strategische und möglichst gerechte Besonnenheit in unseren Entscheidungen retten kann.

Die aktuelle Kurve zeigt gnadenlos auf ›Ende‹, doch das kommt nicht von ungefähr. Hierfür verantwortlich ist ein klassisches Prinzip, das sich seinen natürlichen Grenzen nähert: Unaufhörliches Wachstum!

Endloses Steigern mündet stets im Kollaps: Sowohl im Kleinsten, wenn gewisse Bakterien-Kulturen Konkurrenz so dezimieren, dass am Ende auch die eigene Kultur verhungert, als auch in stellaren Dimensionen, in denen Sterne am Ende des Lebens aufgebläht ihrem Tod entgegengehen, um am Schluss zu implodieren und in einem kümmerlichen Rest zu enden, ist ›zu viel‹ ein tödlicher Zustand. Für Zivilisationen gilt dies ebenso.

Wir Menschen sind die dritte von vier Stufen der Evolution. Der Werdegang des Lebens erfüllt einen Zweck, der offensichtlich wirkt: Ziel jeder Art von Evolution ist es, das eigene Habitat zu schützen, um weitere Entwicklung vorantreiben zu können. Weshalb sich die Stufen der Evolution einfach definieren lassen: Nämlich aus der Perspektive des Lebensgebers selbst, der Erde.

Deshalb lohnt sich der Blick auf die Evolution, um einen vereinfachten Überblick über all die Geschehnisse seit Entstehung der Erde zu bekommen. Trotz der unberechenbaren Komplexität von allem lässt sich das meiste auf simple Prinzipien reduzieren. Um die aktuelle Notsituation zu begreifen, bitte ich Sie, die von mir genannten Punkte im Buch nicht nur zu lesen, sondern zu überdenken. Da ich nicht auf Richtigkeit der von mir genannten Dinge poche (außer Statistiken und Daten, die natürlich aus seriösen Quellen stammen), sondern Sie einfach nur animieren möchte, sich selbst Ihren Reim auf jene Art und Weise zu machen, wie ich es vorexer-ziere, hoffe ich auf Ideen, die Ihnen Ihrer persönlichen Fähigkeit zur Logik entwachsen.

Selbst aus der kleinsten Idee, der ›mindesten‹ Konsequenz, dem geringsten Umdenken bildet sich oft ein Schneeball, der, wenn viele Menschen das Ihrige dazu beitragen, schnell zur Lawine werden könnte.

Wird nichts hinterfragt, wird alles zur Kenntnis genommen. Die kommenden Kapitel bitten daher um laufend aktive Hinterfragung des Geschriebenen, denn die Summe der denkenden Köpfe erhöht die Zahl der potenziellen Ideen!

 

Die vier Stufen der Evolution

 

evolution_grafik

Vom aufrecht gehenden Affen zum Menschen

 

Stufe 1 – Das Objekt

 

Um Evolution zu ermöglichen, benötigt die Natur ein paar Ingredienzien: Materie und stabile Gesetze der Physik und Chemie. Vor allem aber jede Menge Zeit! Weshalb die Fachwelt der Astronomie mittlerweile beinah einstimmig meint, Leben könnte nicht im Umkreis großer Sternriesen entstehen. Da die Lebenszeit eines Sterns diametral zu seiner Größe steht, besitzen besonders große Sterne einfach nicht die Lebenserwartung, um komplexem Leben eine stabile Grundlage zu bieten. Es gilt die Faustregel: Je größer und heißer ein Stern, desto kürzer seine Lebenszeit. Ein Riesenstern wie der uns relativ nahestehende Beteigeuze2 (1000x größer als die Sonne, ca. 400-500 Lichtjahre entfernt) verbraucht, bedingt durch seine pompöse Dimension, wesentlich schneller seinen Brennstoff als unser Heimatgestirn. Obwohl nur wenige Millionen Jahre alt, wird er in astronomisch kurzer Zeit zur Supernova und stirbt. Die Entwicklung des Lebens in seinem System – so eines vorhanden – findet daher keine Chance vor.

The_Earth_seen_from_Apollo_17Zuallererst braucht es daher ein Objekt mit optimalen Voraussetzungen, um das Leben zur Entfaltung zu bringen: Nicht irgendein rundes Ding, das ziellos durch die Weiten des Alls treibt, sondern einen mit bestimmten Kriterien ausgestatteten Felsen. Der heutige Stand der Naturwissenschaft besagt, dass gewisse Erfordernisse zur Entfaltung des Lebens bereitgestellt sein müssen. Primäres Ziel der Entstehung von Leben ist Verbreitung und Erhaltung. Da wir unser Wissen auf kohlenstoffbasierte Organismen konzentrieren (andere Elemente bieten kaum die Möglichkeit, komplexe Kettenmoleküle wie Aminosäuren zu bilden), ahnen wir bereits, welche Zutaten für die Rezeptur des Lebens ungefähr nötig sind.

Carl Sagan (1934-1996) erwähnt schon früh den Begriff ›Kohlenstoffchauvinismus‹, die speziellen Eigenschaften des Kohlenstoffes, die Mehrfachverbindungen als Basis für komplexe Moleküle wie Aminosäuren erst ermöglichen. Silicium weist ähnliche Eigenschaften wie Kohlenstoff auf, doch sind Mehrfachverbindungen nicht nur schwieriger zu bilden. Langkettige Silicium-Verbindungen sind auch wesentlich starrer und unflexibler. Das Leben auf Silicium-Basis erfordert daher nicht nur wesentlich mehr Zeit als die uns bekannten Kohlenstoff-Organismen, es würde auch – so es existierte – in allen Belangen langsamer sein. Leben auf Silicium-Basis ist theoretisch möglich. In der Praxis aber gibt es keine uns bekannten Szenarien, die es auch unterstützen. Ein Indiz dafür bieten die irdischen Silicium-Vorkommen, auf der Erde wesentlich häufiger als Kohlenstoff. Trotzdem gibt es keine uns bekannte Form oder Vorform einer organischen Verbindung, die auf diesem Element basiert.

 

Wichtigste Zugabe für einen Planeten oder Mond, der eines Tages zum Lebensspender werden soll, ist Ruhe. Diese findet er in der habitablen Zone seines Muttergestirns, dem Abstand zu seiner Sonne, der Wasser in flüssiger Form erst ermöglicht. Ist der Stern zu nah, verdampft das allmächtige Lebenselixier, ist er zu weit weg, gefriert es. Nur flüssiges Wasser erlaubt stabile Molekular-Bildung. Auch die Lage des gesamten Systems, in unserem Fall in der tristen Vorstadt der Milchstraßen-Metropole, besitzt große Wichtigkeit! Zu weit im Zentrum der Galaxis drohen Supernovae oder vorbeiziehende Sterne die Ruhe zu beenden. Dazu kommen große Mengen an Strahlung, tödlich für komplexe Molekular-Strukturen aus Kohlenstoff. Oft wird die härteste aller Wellen, – die Gamma-Strahlung, die es einem Planeten unmöglich macht, Leben zu schaffen – auf Grund solcher Ereignisse durch das endlose All gejagt. Gamma-Strahlung durch nahe interstellare Ereignisse verunmöglicht die Bildung jeden Lebens, da sie komplexe Moleküle zerstört. Auf der anderen Seite der Medaille wären rote Zwerge, die langlebigsten Sterne im All (sie leben oft auch Billionen von Jahren). Sie böten sich aufgrund der enormen Lebenserwartung zwar an, doch ist es auf Grund der hohen Strahlung, der ein Planet in der Nähe eines Sterns wehrlos ausgesetzt ist, unwahrscheinlich, dass sich Leben im Umkreis bildet. Strahlung alleine erschwert die Entstehung komplexer Aminosäuren-Konstrukte nicht, denn die hohe Gravitation in der Nähe von roten Zwergen sorgt zusätzlich dafür, dass gebundene Rotation (dieser Effekt sorgt auch dafür, dass der Mond immer dieselbe Seite an unsere Erde richtet) die Umdrehungsgeschwindigkeit der Trabanten um diese kleinen Sterne so lange runterschraubt, bis nur noch eine Seite Richtung ›Stern‹ zeigt. So entstehen enorme Temperaturen auf der Sonnen-Seite, während die Rückseite der Kälte des Kosmos Tribut zollt und bitterkalt bleibt. Kein guter Boden für Leben! Kategorisch ausgeschlossen ist die wundersame Entstehung lebender Organismen auf solchen Objekten natürlich nicht, doch fehlt der Menschheit noch jeglicher Hinweis darauf.

Kreist ein Trabant wie der Mond um das Objekt, oder kreist das Objekt selbst gelangweilt um einen Planeten, stabilisieren sich Bahn und Rotation. Im Falle der Erde ist es die Schwerkraft des Mondes, die es erlaubt, Gezeiten zu besitzen, die die chemische Suppe stets rühren. Wasser aber, das zauberhafte Molekül, ist die Essenz dieser Rezeptur. Ohne das köstliche Nass, in und um uns in nahezu göttlicher Omnipräsenz, entsteht keine Bildung komplexer Aminosäuren. H²O ist der Zauberstoff, den es zur Entstehung von Leben braucht. Der blaue Planet bietet diese Voraussetzungen. Deshalb wissen wir: Weist das im All beständig seine Runden drehende Objekt all diese Aspekte auf, kann sich endlich das entwickeln, was unser Universum so besonders macht – Leben!

 

Stufe 2 – Leben selbst

 

dna_basenDie zweite Stufe der Evolution – das Leben selbst – benimmt sich fast wie ein Selbstläufer, sobald die Initialzündung erfolgt ist. Voraussetzung ist natürlich, dass ein seine entspannten Runden drehende Gesteinsobjekt sehr viel Zeit bekommt.

 

Als unsere Erde noch jung war, war es unmöglich, Leben zu bilden. Die Struktur unseres Sonnensystems war noch nicht vollendet. Regelmäßig stürzten in kurzen Zeitabständen große Asteroiden auf die Erde. Noch befand sich die Erdoberfläche im glutflüssigen Zustand, der eiserne Erdkern begann sich erst zu bilden. Dadurch entstand das für uns so wichtige Magnetfeld. Auch ein wichtiger Indikator für Leben, wie wir es kennen, denn das irdische Magnetfeld schirmt den Großteil der kosmischen Strahlung von unserem Planeten ab. Wahrscheinlich – eine Menge Indizien sprechen dafür – kam das Wasser aus einer schier unerschöpflichen Zahl von Körpern, die auf die Oberfläche unseres Planeten knallten und verdampften. Irgendwann begann es durch die Unmengen an Wasser in der Ur-Atmosphäre zu regnen. Unaufhörlich. Für mindestens hunderttausend Jahre. Die Ozeane bildeten sich, flüssiges Wasser gab es plötzlich in Hülle und Fülle. Die Ursuppe konnte sich bilden!

Heute wissen wir, dass das Leben schon recht früh in bakterieller Form begann, seine Verbreitung zu finden. Schon im frühen Kambrium, vor über drei Milliarden Jahren, begannen die ersten Bakterien, ihr Tagwerk in Angriff zu nehmen. Doch bis sich komplexes Leben entwickelte, dauerte es noch sehr, sehr lange! Unsere Erde hatte aber Zeit, denn kosmisch herrschte zusehends Ruhe. Die DNA, der Baustein allen Lebens, bildete sich. Eine strukturierte Verkettung von vier Molekülen an einer Leiter mit Milliarden Sprossen … auch, wenn man die unendliche Zeit, die der Natur zur Verfügung stand, bedenkt, ist die Erfindung des genetischen Codes aufgrund der Komplexität wahrscheinlich der größte Geniestreich aller Zeiten! Nach vielen Jahrmillionen beschloss irgendwo ein Einzeller, eine Gemeinschaft mit einem anderen Einzeller einzugehen. Die Geburt des ersten Mehrzellers läutete die Explosion des Lebens ein. Nun durfte die Natur experimentieren. Das Starke überlebte, das Schwache wurde durch Aussterben ausselektiert. Zahllose Spielarten der Natur erlebten schon früh ihre Geburtsstunde. Erste Räuber erschienen. Ein Gleichgewicht der Kräfte schickte sich an, die Welt zu erobern. All die beschriebenen Effekte bezeugen auf entwaffnende Weise das Prinzip der Kausalität, denn keine Wirkung hätte eingesetzt, ohne sich die vorhergegangene Wirkung zu Nutze zu machen. Jetzt, im Holozän (der geologische Name, der den Einfluss des Menschen auf die Natur beschreibt, heißt ›Anthropozän‹ und ist Teil davon), leben mehrere Millionen verschiedenster Spezies auf der Erde. Wahrscheinlich ist uns Menschen noch immer nur ein kleiner Teil der lebenden Arten bekannt. Niemals wird es uns gelingen, alle Variationen des Lebens zu katalogisieren. Dies ist das Ergebnis von Jahrmilliarden an Evolution, deren Geduld und Einfallsreichtum keine Grenzen kannte. Heute erleben wir, die Zeitzeugen, vielleicht die letzte Hochphase des Lebens.

 

Stufe 3 – Intelligentes Leben

 

Aktuell befinden wir uns in der dritten Stufe der Evolution. Ständige Weiterentwicklung des Lebens erreichte dieses Ziel geduldig und privilegiert. Mit dem Menschen gibt es nun eine Spezies mit der Fähigkeit, abstrakt zu denken und diese Abstraktionen auch handwerklich umzusetzen. Unsere Art mutierte zum ›Gehirn‹ des Planeten. Als das Internet erfunden wurde, war die weltweite Vernetzung von Wissen und Erfahrung vollendet. Der Mensch errang eine neue Aufgabe, stieg zum Gewissen der Erde auf. Nun vernetzt sich unsere Art, ähnlich den Neuronen in unserem Gehirn, und beginnt mit Selbstreflexion. Wir überlegen, wie wir unser Habitat nachhaltig für uns zu stabilisieren vermögen. Möglicherweise zu spät, doch liegt es (noch) an uns, den Körper (Erde) am Leben zu erhalten. Unser Lebenszweck ist Resultat dessen, wofür sich die Natur Millionen von Jahren Zeit nahm, um sich zu ihrem eigenen Wohl zu entwickeln.

Die vielleicht größte Erfindung der Menschheit – das Internet – vernetzt uns und lässt uns global interagieren. Um sich zu visualisieren, wie sehr unsere Art nun Verantwortung zu übernehmen hat, reicht es, sich den Planeten von außen anzusehen. Eine blaue, wunderschöne Kugel dreht sich im Nichts des Weltraums. Zoomt man auf die Oberfläche, wuseln nun kleine, reflektierende Wesen auf dieser herum, ihrem Tagwerk nachgehend. Jedes davon hinterlässt unweigerlich Spuren. Der kleine Bauer in der russischen Taiga hinterlässt ebenso wie der Magnat im Dachgeschoss des Konzern-Hauptquartiers nachhaltige Einflüsse in seinem persönlichen Mikrokosmos. Unsere Interaktion mit denkenden und Information speichernden Artgenossen stelle ich mir deshalb wie einen Impuls von Synapse zu Synapse vor, damit Information verarbeitet wird. Wird diese Form der Kommunikation positiv geführt, werden andere Synapsen positiv stimuliert. Negative Energie geht den gleichen Weg, nur in destruktiver Form.

Bevor das Internet seinen Siegeszug angetreten hat, war die Möglichkeit zur Interaktion zwischen Menschen zumeist auf regionale Dimensionen reduziert. Nun kommunizieren die Menschen weit über Landesgrenzen hinweg, lernen von der Welt und sprechen mit ihr. Technische Innovationen haben schon zuvor den Umweltschutz-Gedanken in die Wege geleitet, doch seit der Erfindung des WWW (World Wide Web) wächst unser Umweltbewusstsein nachhaltig. Kurz zuvor galt der Umweltschutz nur der eigenen Wohlstandsverbesserung und zur Verhinderung lokaler Katastrophen.

Wir, die Menschen, wurden durch globale Aufmerksamkeit zum pulsierenden Gehirn unseres Planeten. Wir denken, fühlen und agieren in seinem Sinne. Zwar klappt nach wie vor kaum einer unserer Schritte, die wir als Wesen dieser Kugel zu ihrer Erhaltung setzen, doch langsam, aber stetig verbessert sich – der Notsituation wegen – die ehrliche Motivation hinter dem Umweltschutz-Gedanken. Tägliche Nachrichtendienste berichten uns beinahe panisch über die Notwendigkeit dieses Projekts, eine Flut von Studien lehrt uns die Dringlichkeit dieses Tuns, womit das Gehirn nun endlich langsam in die Gänge kommt, um sich für den eigenen Körper zu interessieren. Der Mensch als Gewissen des Heimatplaneten steckt noch immer in der Entwicklungsphase. Vielleicht zu spät, vielleicht gerade noch rechtzeitig. Unsere Rolle ist aber definiert und alternativlos, denn so wie in unserem Körper gilt: Ohne Gehirn kein Körper – ohne Körper kein Gehirn! Evolution als Mutter aller Dinge gab uns Verantwortung. Fraglich, ob wir uns ihrer würdig erweisen.

 

Stufe 4 – Verbreitung

 

Ein das Leben entwickelndes Objekt ist dem Prinzip des Wachstums ebenso wie der Rest des Universums unterworfen. Ohne Verbindung und Wachstum von Atomen gäbe es nichts, organische Strukturen gäbe es nicht. Verbindung und Wachstum der lebenden Neuronen (wir Menschen) der Erde führen zu Verbreitung und Erhöhung ihrer Reichweite. Deshalb verlaufen die Grenzen zwischen Stufe drei und Stufe vier fließend. Während wir uns verstärkt auf die Erhaltung der Erde konzentrieren, wagen wir seit über 60 Jahren zaghafte erste Schritte ins All. Diesen Schritt werden wir einst, in ferner Zukunft, zu gehen gezwungen sein, sollte unsere Art noch existieren. Das Objekt, in unserem Fall Mutter Erde, beginnt mit uns als entstandenen Geschöpfen, ihr Umfeld zu erweitern und expandiert. Evolution ist Resultat kausaler Ereignisse, die sich zu dieser Zeit wahrscheinlich auf Millionen von Planeten, ebenso den lokalen Umständen unterworfen, vollziehen. Am Ende dient sie nur dem kosmischen Objekt, das sie trägt. Wir existieren also nur, um den Planeten zu erhalten. Das ist unser Lebenssinn.

Der Werdegang des Menschen ergab sich nicht aus purem Zufall. Er resultierte aus einer schier endlosen Kette von Fortschritten, die meist logisch nachvollziehbar in weiteren Fortschritten mündeten. Kein Schritt, der nicht einem Fortschritt zuvor bedingt ist. Das in diesem Buch ausreichend strapazierte Prinzip von Ursache und Wirkung sorgte mit verlässlichen Ergebnissen dafür, dass gewisse Konsequenzen aus bestimmten Ereignissen unumgänglich sind. ›Kausalität‹ als Begriff, der nicht nur seit dem Urknall maßgeblich für die Entwicklung des Kosmos sowie all der in ihm vorhandenen Prozesse ist, dient als allmächtiges Prinzip. Der Mechanismus von ›Ursache‹ und ›Wirkung‹ gilt in allen Bereichen unseres Lebens und ist unvermeidbar.

Durch Regen wird es nass. Diese simple Weisheit erklärt auf einfachste Weise, wie Kausalität funktioniert. Ein Effekt geschieht und hinterlässt wiederum eine Auswirkung, die wiederum Basis für andere Ereignisse ist. Bei der Bildung einer Zivilisation und deren Fortschritten wirkte eine enorm lange Kausalkette, die scheinbar unvermeidlich in die Richtung lenkte, die zu unserer heutigen Gesellschaft geführt hat. Wären gewisse Events in der Erdgeschichte anders verlaufen, würde der Mensch in dieser Form höchstwahrscheinlich nicht existieren. Kleine Modifikationen der evolutionären Marschrichtung hätten große Änderungen des Status Quo bewirkt. Manche Parameter spielen aber unweigerlich eine gewichtige Rolle, wenn es darum geht, die Entwicklung bestimmter Kriterien zu fördern. Die Verteilung von Ressourcen, das Wetter, die Umweltbedingungen oder einfach nur Glück sind nur einige der entscheidenden Parameter, die weitere Ereignisse beflügeln oder auch an der Entstehung hindern.

Ob im All oder auf dem Planeten, ob im Makrokosmos von Galaxien und Galaxie-Clustern oder auch im subatomaren Bereich: Jedes noch so kleine Ereignis mündet in einen Effekt, welcher erst durch das Ereignis möglich gemacht wurde. Manche Effekte sind durch mathematische Formeln einfach nachzuvollziehen, wodurch sie vorhersehbar werden. Andere wiederum inkludieren so viel Komplexität, dass nicht einmal ein Konglomerat aller Computer der Welt zur Berechnung reicht. Die Bahnen der Planeten sind leicht auszurechnen, da deren Bewegungs-Richtungen, die sie durch das All treiben lässt, auf unbestechlichen physikalischen Formeln basieren. Das genaue Gegenteil, nämlich eine nicht zu berechnende KompleVoyager_spacecraftxität, auf einer für exakte Voraussagen unmöglich zu sammelnder Zahl an Parametern basierend, ist beim Wetter zu beobachten. Eine unbeschreiblich große Zahl an Einflüssen zeigt sich für den Kreislauf des Wassers mitsamt den dafür nötigen Bedingungen verantwortlich, weshalb es selbst für die besten Supercomputer noch immer nicht möglich ist, exakte Prognosen für die nächsten paar Tage zu erstellen. ›Wetter‹ ist jedoch wiederum nur Kausaleffekt des Klimas. Das Klima selbst, ein Konglomerat an unzähligen Faktoren, sorgt für abwechslungsreiches und möglichst ausgewogenes Wetter, da es physikalisch stets bestrebt ist, sich auszugleichen. Es schützt uns vor der Sonne und interstellaren Plagen, recycelt sich selbst und nutzt sich selbst als Fabrik weiterer Ereignisse. Zum Beispiel speichert große Hitze sehr viel Wärmeenergie, die sich mittels eines mehr oder weniger heftigen Gewitters entlädt. Das Ziel der möglichst ausgewogenen Balance ist nicht nur dem Klima zu eigen. Es ist allen intakten Kreisläufen gleich.

Eines ist aber unmissverständlich festzuhalten: Das Universum kennt kein ›gut‹ oder ›böse‹. Es werkt einfach vor sich hin, nimmt keine Rücksicht auf Freud und Leid. Die Naturgesetze haben sich als unbestechliche Normen stets verlässlich erwiesen, weshalb wir auch schon in der Lage sind, einige Effekte präventiv zur Opfervermeidung zu erkennen. Nicht nur in meteorologischen Modellen lässt sich diese auf den ersten Blick nichtlineare, im Detail jedoch äußerst präzise Dynamik, beobachten und theoretisch beschreiben. Auch gesellschaftspolitische und soziale Ereignisse sind (zieht man rationale Schlüsse) dank unseres empirischen Geschichtsverständnisses relativ leicht zu berechnen. Ein Ereignis zieht das nächste nach sich. Kleinste Veränderungen resultieren häufig in großen Umwälzungen. Kausalität ist das Naturgesetz unserer Welt. Sie dient dem Energie-Austausch von Atomen als auch dem Sterben von Welten. Sie resultiert aus kleinen sozialen Brandherden ebenso wie aus pompösen Militär-Interventionen. Wenn Geschichte passiert, oft mit gigantischen Auswirkungen auf die Zukunft, fällt dies auf den ersten Blick nicht einmal auf. Unsere Taten, auch kleinste, haben Folgen. Manche Geschehnisse wirken zuerst klein und nichtig, können aber auf lange Zeit verheerende Wirkungen entwickeln. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hätte – um ein großes Ereignis aus dem letzten Jahrhundert als Beispiel zu nennen – einen völlig anderen Weg genommen, wäre Adolf Hitler auf der Wiener Kunstakademie aufgenommen worden. Die meisten von uns hätten dadurch das Licht der Erde nie erblickt, denn das Leben unserer Vorfahren hätte eine gänzlich andere Richtung eingeschlagen. In einem friedlichen 20. Jahrhundert hätten sich unsere Ur-Großeltern wie auch deren Nachkommen höchstwahrscheinlich, bedingt durch rudimentär modifizierte Lebenswege, gar nicht kennengelernt. Manche Erfindungen wären früher, andere wiederum später entwickelt worden. Die Welt wäre eine radikal andere, vor allem politisch. Dem Beamten der Wiener Kunstakademie darf man aber keinen Vorwurf über die grausamen Konsequenzen seiner Entscheidung machen. Niemand konnte damals wissen, welch Monster in so manchem unter den vielen Benachteiligten damaliger Verhältnisse schlief. Die Folgen der Ablehnung Hitlers in Wien präsentieren die Konsequenzen des Schmetterlings-Effekts auf geradezu perfekte Art und Weise. Kleinste Aktionen münden nur zu oft in größten Konsequenzen. Um diese präventiv erfassen zu können, sind wir trotz unseres genialen Denkapparates kaum in der Lage. Jede Entscheidung, auch unbewusster Natur, zieht einen Rattenschwanz an Folgen mit sich. Entscheidungen wachsen aber nicht als zarte Pflänzchen, die immer und überall wohlüberlegt gefällt werden wollen. Oft sind wir als denkende Wesen spontan zur Entscheidung aus diversen Optionen gezwungen, womit sich sekündlich neue Wege und Gabelungen der Kausalität und damit der Welt ergeben.

Triviale Beispiele gibt es zuhauf: Schon seit mehr als hundertfünfzig Jahren ist es paläontologisch evident, dass jedes Lebewesen, das über unseren Planeten kriecht, das Ergebnis evolutionärer Anpassung ist. Charles Darwin revolutionierte mit seinem bahnbrechenden Werk ›Die Entstehung der Arten‹ die Sicht der Dinge einer noch klerikal dominierten Welt. Was wäre zum Beispiel geschehen, wären die großen Dinosaurier erst zehn Millionen Jahre später von der Bildfläche verschwunden? Hätten sich Säugetiere trotzdem durchgesetzt? Hätten vielleicht Vögel die Welt zu beherrschen begonnen? Man weiß es nicht und ist nur zu theoretischen Modellen fähig. Garantiert könnten findige Köpfe brillante Theorien zu einzelnen Entwicklungs-Varianten entwickeln, stünden ihnen ausreichend große Datenmengen der einzelnen geologischen Epochen zur Verfügung. Jede noch so detaillierte These bliebe aber Theorie, da all die Kleinigkeiten, die seit dem Beginn von Raum und Zeit zumeist für Umwälzungen sorgen, nicht kalkulierbar sind.

Evolution ist daher das Ergebnis von Kausalität. Ursache und Wirkung zeigen sich bei der Entwicklung der Arten in bestechender Logik. Neue Spezies entstehen durch Mutation, meist bedingt durch verschiedene Spielchen genetischer Kombinationen im Zuge der ständig nötigen Anpassung an die Anforderungen der jeweiligen Umwelt. Jede Generation aller Tier- oder Pflanzenarten weist neue genetische Variationen auf, den Umweltbedingungen geschuldet. Die DNA mehrzelliger Geschöpfe ist niemals zur Gänze deckungsgleich. Selbst geklonte Lebewesen weisen klitzekleine Unterschiede im genetischen Bauplan auf, vergleicht man sie von Protein zu Protein. In den meisten Fällen erzeugt die Unzahl an Variationen keine anhaltende Konsequenz für danach lebende Generationen. Mutationen setzen sich meist in winzig kleinen Schritten durch und sind in den ersten Stufen kaum wahrnehmbar. Frühzeitiger Tod eines weiterentwickelten Exemplars einer Art verhindert weiteren evolutionären Fortschritt, da der genetische Vorteil erst im Entstehen war. Während ich diese Zeilen schreibe, werden sicherlich gleichzeitig Mutations-Fortschritte verhindert, doch ebenso werden zur gleichen Zeit völlig neue, vielfältige Spielarten der Natur geschaffen. Selten aber doch schaffen es manche Individuen, ihren genetischen Unterschied zu den Vor-Modellen als Vorteil zu nutzen, wodurch sich in den kommenden Generationen eine neue Spezies etablieren kann.