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Nr. 2894

 

Die Bannwelt

 

Perry Rhodan unter Göttern – der Verborgene Clan wird gesucht

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Die Fünfheit

2. Perry Rhodan

3. Bayvtaud

4. Die Fünfheit

5. Perry Rhodan

6. Bayvtaud

7. Perry Rhodan

8. Bayvtaud

9. Farye Sepheroa

10. Perry Rhodan

11. Bayvtaud

12. Perry Rhodan

13. Die Fünfheit

14. Perry Rhodan

15. Bayvtaud

16. Perry Rhodan

17. Bayvtaud

18. Die Fünfheit

19. Perry Rhodan

20. Bayvtaud

21. Perry Rhodan

22. Bayvtaud

23. Die Fünfheit

Stellaris 56

Vorwort

»Muvegessi geht von Bord« von Wim Vandemaan

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Im Jahr 1522 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) befindet sich Perry Rhodan fernab der heimatlichen Milchstraße in der Galaxis Orpleyd. Dort liegt die Ursprungswelt der Tiuphoren, eines Volkes, das unendliches Leid über viele Welten gebracht hat, ehe der ominöse »Ruf der Sammlung« sie dorthin zurückbeorderte.

In Orpleyd muss Perry Rhodan erkennen, dass die Galaxis seltsamen, nicht vorhersehbaren Zeitabläufen unterliegt – manchmal vergeht die Zeit innerhalb der Sterneninsel langsamer als im restlichen Universum. Zudem herrschen dort die Gyanli nicht nur über die Tiuphoren – sie arbeiten auch auf ein nebelhaftes Ziel hin.

Perry Rhodan erhält Beweise dafür, dass in Orpleyd eine Materiesenke entstehen soll – ohne Beeinflussung oder Kontrolle durch die Chaotarchen. Die dafür verantwortliche Superintelligenz ist KOSH, das Lot. Da sie selbst allerdings in einer Art Koma liegt, agieren an ihrer statt die Pashukan und deren Hilfsvölker – aber es gibt auch Gegner, die der Chaotarch Cadabb ausgesendet hat.

Perry Rhodan muss mehr erfahren. Sein derzeitiges Ziel ist DIE BANNWELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner begibt sich auf eine Erkundungsmission.

Sichu Dorksteiger – Die Chefwissenschaftlerin betritt die Welt der verstoßenen Götter und Dämonen.

Die Fünfheit – Sie befindet sich auf einer ewigen Suche.

Bayvtaud – Der Gyanli sorgt sich um die Sicherheit des Verborgenen Clans.

Nenevtaud – Der Berater sorgt sich um Orpleyd.

1.

Die Fünfheit

 

Die Suche war alles für Gasagh-Abgeordnet, für ihn und die anderen Elemente der Fünfheit.

Sie unterhielten sich und kamen in Schlüssigkeitsbereichen – wie zumeist – zu keiner Lösung. Das Konfliktpotenzial bei der Fünfheit war derzeit viel zu groß, um saubere Lösungen zu finden. Schließlich war auch Gool-Mathussix Teil der Fünfheit.

Gool-Mathussix, der Nemesisjäger. Der einstmals durch die Geistwelten gehuscht war, paradimensionale Reisen auf sich genommen und beim Zusammentreffen mit besonderen Mentalsubstanzen Teile seines Ichs in die Gehirne der Opfer verlagert hatte. Um sie langsam und mit Genuss auszulutschen.

Doch die Suche war alles, und der Nemesisjäger konnte Gasagh-Abgeordnet im Inneren der Antenne nichts anhaben.

Als Fünfheit waren sie bloß dem einen Ziel verpflichtet: nach Zeichen des Flüchtigen zu suchen und gegebenenfalls eine Nachricht abzusetzen.

NuroMann gab ein Stöhnen von sich. ErSie wurde wieder einmal von Träumen aus seinemihrem früheren Leben heimgesucht. Die Antenne würde dafür sorgen, dass seineihre Probleme rasch wieder in Vergessenheit gerieten.

Afflutyl von den Heimatlichen kommunizierte indes mit Zogerbrand-Ho. Die beiden waren seit geraumer Zeit eine Traumpaarung. Wann immer sie die Gelegenheit fanden, verschmolzen sie und zogen sich ein Stückchen aus der Fünfheit zurück. Gasagh-Abgeordnet und die anderen durften dennoch an allem teilhaben. Freiraum innerhalb der Fünfheit war nun mal undenkbar.

»Mehr Leere!«, bat Gasagh-Abgeordnet, und die Steuereinheit des Antennenkörpers erfüllte ihm den Wunsch. Er wurde von glückseligen Gefühlen der Ödnis erfasst, während sie wachsam weitertrieben, wie stets.

Denn die Suche war alles.

2.

Perry Rhodan

 

Red Dot eruptierte. Ein Flare schoss aus der Chromosphäre der Sonne ins Schwarz des Weltalls, von ANANSI aufmerksam beobachtet und dokumentiert. Elektromagnetische Vorgänge im Inneren der alten roten Sonne sorgten dafür, dass Plasma über mehrere Astronomische Einheiten hinweg ausgespien wurde, mit dem freien Auge als greller Lichtbogen erkennbar.

Der Flare reichte weit über die Umlaufbahn des einzigen Planeten von Red Dot hinaus. Wo diese Welt einstmals die Sonne umkreist hatte, trieben nun bizarr zerschmolzene Klumpen. Die Besatzung der RAS TSCHUBAI wusste so gut wie nichts über diesen ehemaligen Planeten – und es interessierte auch kaum.

»Es ist immer wieder faszinierend, nicht wahr?«

Sichu Dorksteiger war dicht an Perry Rhodan herangetreten, ohne dass er sie bemerkt hätte. Sie lehnte sich sachte an seine Seite, löste sich aber rasch wieder.

»Es gab Zeiten, da bastelte ich mir mithilfe von rußgeschwärzten Folien eine Brille, um die heimatliche Sonne zu beobachten«, sagte Rhodan leise. »Bei einer dieser Gelegenheiten konnte ich einen Flare bewundern. Einen winzig kleinen Wurm, der aus der Oberfläche Sols hervorgekrochen kam und minutenlang nachglühte, bevor er wieder verschwand. Ich war so aufgeregt, so fasziniert, dass ich den Nackenkrampf völlig ignorierte und tagelang Schmerzen hatte.«

»Das war in deiner Jugend? Vor dreißig- oder vierzigtausend Jahren?«

»Du brauchst mich nicht älter zu machen, als ich bin, Sichu. Und ja, es war in meiner Kindheit.« Rhodan versuchte, sich an dieses Gefühl der Aufregung zu erinnern, es für einige Sekunden zurückzuholen. Es wollte nicht gelingen, nicht mehr.

»Wer weiß ... Wenn ich diese Eruption nicht zufällig miterlebt hätte, wäre ich vielleicht niemals mit dieser Neugierde an Raumfahrt und Weltall geimpft worden.«

»Oh doch, das wärst du. ES hat dafür gesorgt.«

»Warum willst du mir meine romantische Sicht der Dinge unbedingt nehmen, Sichu?«

»Weil es Zeit ist, dass der Herr Sterngucker zurück in die Realität findet. Wir haben zu tun. Oder hast du das vergessen?«

»Nein, habe ich nicht.« Rhodan atmete tief durch. »Ist es so weit?«

»Ja, Perry. Wir warten alle auf dich. Also komm!«

Sichu griff nach seiner Hand und führte ihn weg vom zentralen Hologlobus der RAS TSCHUBAI, hinein in den kleinen Konferenzraum, in dem bereits sieben Besatzungsmitglieder des riesigen Schiffs auf ihn warteten.

Um den nächsten Einsatz zu planen. Einen, der sie auf die Welt der Dämonen und Götter bringen würde.

 

*

 

»Gucky. Sichu Dorksteiger. Farye Sepheroa. Minz Abcaus. Nonagull Norrn Nompadwi, genannt der Dreier. Lizzie Penbello. Diwab Drah. Der Posbi Schocco. – Ihr seid meine Wunschkandidaten für einen Abstecher nach Goath, dem zweiten Planeten im Trallyomsystem.« Rhodan blickte jeden einzelnen der Versammelten an. »Es handelt sich um einen Risikoeinsatz, wie ihr wisst. Ich stelle euch frei, ob ihr mitkommen wollt.«

»Gibt es eine Gefahrenzulage?« piepste Gucky und zeigte seinen Nagezahn. »Etwa in Form von Naturalien, womit ich ganz explizit orangefarbene und knackige Feldfrüchte meine?«

»Ganz explizit: nein und nein. Das Thema Bezahlung haben wir bereits vor etwa zweitausend Jahren erstmals erörtert, Herr Guck. Wir sind übereingekommen, dass Sie angesichts der Schäden, die Sie durch diverse Unsinnstaten anrichteten, noch etwa zwanzigtausend Jahre lang in der Schuld der Menschheit stehen würden.«

»Ich habe das etwas anders in Erinnerung, Herr Rhodan. Aber bitte ...«

Der Dreier, ein Ertruser von selbst für sein Volk beachtlichen Maßen, lachte unterdrückt. Die anderen Versammelten grinsten und gaben einer nach dem anderen ihr Einverständnis zur Teilnahme am Risikoeinsatz. Nur Abcaus gab sich zögerlich, um schließlich doch zu nicken.

»Damit ist es entschieden«, sagte Rhodan zufrieden. »Ich möchte noch einmal kurz zusammenfassen, warum wir hier sind und was wir auf Goath suchen. ANANSI, dein Einsatz.«

Die Semitronik, Gehirn und Seele des riesigen Raumschiffes, reagierte augenblicklich. Ein Holo entstand über dem Arbeitstisch. Es zeigte das Trallyomsystem.

Das vermeintliche Trallyomsystem, verbesserte sich Rhodan. Denn in Wirklichkeit ist es eine Schimäre. Die perfekte Kopie eines Sternensystems, geschaffen aus Katoraum-Protomaterie, die selbst die geringsten Feinheiten geologischer und biologischer Natur exakt wiedergibt.

»Goath ist der zweite von fünf Planeten des Systems«, rief Rhodan den Mitgliedern der geplanten Expedition in Erinnerung. »Er ist etwa so groß wie der Mars, die Schwerkraft beträgt knapp nullkommaacht Gravos. Eine Atmosphäre ist nur in geringstem Ausmaß vorhanden.«

Rhodan zupfte weitere Infos aus dem Holo. Daten und Bilder, die im Vorbeiflug aufgenommen worden waren.

»Uns ist wenig über Goath bekannt. Während die anderen vier Welten des Systems ausreichend katalogisiert und erkundet wurden, blieb Goath tabuisiert. Die Gyanli sagen, dass er eine Welt der Verbannung sei, auf der nunmehr die Götter und Dämonen früherer religiöser Richtungen lebten.«

»Wir haben diese Aussagen überprüft«, ergänzte Sichu. »Die Gyanli haben unklare Glaubensvorstellungen. Sie wurden mit ziemlicher Sicherheit manipuliert und denken nicht viel über Goath und seine vorgeblichen Bewohner nach. Es ist, als hätten sie einen blinden Fleck vor Augen, sobald es um den zweiten Planeten ihres Systems geht.«

»Wir vermuten, dass das Märchen von Göttern und Dämonen so tief in den Köpfen der Gyanli verankert wurde, um sie daran zu hindern, Goath zu besuchen. Umso mehr, als wir dort die Steuerzentrale des Schnitters vermuten.«

Der Schnitter. Eine grässliche Maschine, die im Inneren Gyans verwahrt war und Geistkomponenten vom Körper eines jeden Lebewesens zu lösen vermochte. Der Schnitter hatte Terraner getötet. Gefangene des Katoraumes und die Besatzung einer LAURIN-Jet.

»Ich möchte eine kleine, aber umso besser geeignete Gruppe nach Goath führen und nach der Steuermaschine des Schnitters suchen. Damit seid ihr gemeint. Wissenschaftler, Pilot, erfahrene Soldaten und ein Mausbiber ...«

»Warum werde ich als Letzter genannt?«, maulte Gucky.

Rhodan achtete nicht weiter auf den Kleinen. »Wir nehmen für den Anflug wie gehabt die LAURIN-Beta. Faryes Rolle wird ausschließlich die unserer Pilotin sein. Sie bringt uns nach Goath und bleibt an Bord der Space-Jet zurück. Wir alle wissen, wie rasch sich die Bedingungen im Trallyomsystem ändern können. Sie ist unsere Rückversicherung. Die einzige, die wir haben.«

Es widerstrebte Rhodan, seine Enkelin auf diesen Risikoeinsatz mitzunehmen. Doch er brauchte sie. Farye kam wie niemand sonst mit den außergewöhnlichen Umständen im Heimatsystem der Gyanli zurecht. Ausschlaggebend dafür war wohl die genetische Verbindung zu ihrer Großmutter, einer ehemaligen Vortex-Pilotin. Die weitervererbten Anlagen ließen sie die mannigfaltigen Probleme im Katoraum und das Versagen herkömmlicher Technik überwinden. Selbst die vielen künstlichen Schwarzen Löcher im Bereich des Trallyomsystems erahnte sie.

»Wir glauben außerdem zu wissen, dass sich der Kohäsions-Operator Gurnshodr derzeit auf Goath aufhält«, fuhr Rhodan fort. »Er ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Rangordnung der Gyanli. Bekommen wir ihn in die Hand, ist viel gewonnen.«

»Gibt es Hinweise auf seinen exakten Aufenthaltsort?«, hakte Diwab Drah nach.

»Leider nein. Wir vermuten allerdings, dass es bloß wenige habitable und durch Energiekuppeln geschützte Bereiche auf Goath gibt, in denen sich Gurnshodr befinden könnte. Wir müssen also vor Ort entscheiden, wie wir vorgehen.« Rhodan blickte seine Gefährten an, einen nach dem anderen. »Es wird nicht leicht, unsere Ziele zu erreichen. Doch unsere Mittel sind denen der Gyanli zumindest ebenbürtig – und wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite. – Noch Fragen?«

Niemand sagte ein Wort.

»Ich habe euch allen ein Strategiebuch zusammenstellen lassen. Arbeitet euch in die Materie ein und bereitet euch bestmöglich vor. Die persönliche Ausrüstung wird eben von ANANSI in eure Privatquartiere gebracht. Macht euch damit vertraut.«

»Wie sieht es mit dem Einsatz von TARAS aus?«, meldete sich der Posbi Schocco zu Wort.

»Ich habe darüber nachgedacht und mich dagegen entschieden. Ich habe eine möglichst kleine und dennoch kampfkräftige Truppe zusammengestellt. Was ich bei diesem Einsatz vor allem brauche, sind flexible Mitstreiter, deren Köpfe vollgestopft sind mit guten Ideen.«

Schocco deutete ein Nicken an. Der Posbi wirkte irritiert, womöglich geschmeichelt. Die Bioplasma-Komponente in ihm war besonders stark ausgeprägt.

»Weitere Fragen? Nein? – Dann erwarte ich euch um Nullsechshundert Bordzeit auf der LAURIN-Beta. Danke.«

 

*

 

Die Uhrzeit spielte angesichts eines ständig wechselnden Schichtbetriebs auf der RAS TSCHUBAI bloß eine untergeordnete Rolle. Um die innere Uhr von Besatzungsmitgliedern aus allen Teilen der Milchstraße zu überlisten, wurden über Jahrhundert hinweg erprobte Mittel angewendet. Oft entstammten sie der medizinischen Hexenküche der Aras. Erholungszentren wie die Parklandschaft Ogygia trugen ebenfalls zum Wohlbefinden der Besatzungsmitglieder bei. Dort wurde ein Tag-Nacht-Rhythmus simuliert, der den Bedingungen auf Terra angepasst war.

Rhodan beschäftigte sich in letzter Zeit immer öfter mit solch scheinbaren Nebensächlichkeiten. Er kannte sich gut genug, um zu wissen, dass es sich dabei um Ausweichmechanismen handelte.

Die Geschehnisse in der Galaxis Orpleyd begannen ihn zu überfordern. Einerseits drohte die Gefahr, dass eine Materiesenke entstand. Andererseits hatte er es mit Völkern wie den Gyanli und den Tiuphoren zu tun, die große Gefahr ausstrahlten.

Und ich bin bloß ein Terraner. Ein Mensch, dem viel zu viel Verantwortung aufgebürdet wird.

Rhodan atmete dreimal tief durch. Falsch. Ich bin der Vertreter der Terraner, sagte er sich und betrat die Schleuse der LAURIN-Jet.

Der fünfte Oktober 1522 NGZ war vor einigen Stunden angebrochen. Die anderen Mitglieder des Kommandounternehmens blickten ihm erwartungsvoll entgegen.

Perry Rhodan verstaute seine Ausrüstung und gab das Zeichen zum Aufbruch.

 

*

 

Farye Sepheroa konzentrierte sich auf ihre Arbeit. Der Posbi Schocco saß an ihrer Seite. Er legte seinen eimerförmigen Kopf immer wieder schief, als würde er nachdenken.

Sichu, die die kurze Nacht nicht bei ihm verbracht hatte, unterhielt sich leise mit Gucky. Sie zeigte ihr bezauberndes Lächeln und streichelte den Mausbiber hinter den Ohren, was Rhodans kleinem Freund ein wohliges Seufzen entlockte.

Der Dreier und Lizzie Penbello bildeten ein weiteres Pärchen. Die beiden hochdekorierten Soldaten, ein umweltangepasster Ertruser und die kleine, zäh wirkende Terranerin, hatten zwischen sich ein Vibromesser liegen, das sie abwechselnd in die Hand nahmen und begutachteten.

Minz Abcaus, der Wider-Theoretiker aus der Sternprovinz Akka, separierte sich, wie so oft. Er war ein Wissenschaftler mit breitem Wissenshintergrund, der insbesondere als Stichwortgeber für Sichu Dorksteiger eine ausgezeichnete Figur machte. In seinen Kreisen wurde er »Contra« gerufen, da er es verstand, wie ein Kontrakomputer Theorien aufzustellen, die einen geringen Wahrscheinlichkeitsgehalt besaßen. Derart zwang er Kollegen, ihre eigenen Meinungen immer wieder zu überdenken und ihre Gedanken zu schärfen.

Und dann war da Diwab Drah – ein Pflanzengeschöpf aus dem Volk der Weaber, das der Föderation Normon angehörte. Sein Markenzeichen war eine Verdunklung quer über den Kernstamm seines Körpers. Diese Narbe wirkte wie ein dicker Schnurrbart, der einen Gutteil seines vermeintlichen Gesichts verdeckte.

Diwab Drah verholzte allmählich. Er wollte sich nach der Rückkehr der RAS TSCHUBAI in die Milchstraße den Verheizern seines Volkes anvertrauen. Doch noch war sein Geist wach und er flink und stark genug. Er galt als hervorragender Xenologiker, dessen Fachgebiet die Abstraktion und Übersetzung fremdartiger Denkweisen war.

Farye seufzte laut, der Posbi richtete seinen verbeulten Metallkörper kerzengerade auf.

»Schwierigkeiten?«, fragte Rhodan knapp.

»Ein Schwarzes Loch«, beschied ihm seine Enkelin mit geistesabwesend klingender Stimme. »Winzig klein, aber dennoch eine Gefahr für uns. Es ist, als würde es die LAURIN-Jet und ihre Energien spüren, obwohl wir im Tarnmodus fliegen.«

Rhodan sah angespannt zu, wie Farye ein Ausweichmanöver flog. Es erschien ihm sinnlos. Doch er wusste, dass er der erfahrenen Pilotin hundertprozentig vertrauen konnte.

Nach einer Weile gab Farye Entwarnung. »Wir sind wieder auf Kurs. In etwa einer halben Stunde können wir auf Goath landen.«

»Schneller geht es nicht?«

»Ich nehme nach wie vor einen Schleichkurs, der so frei wie möglich von Risiken ist. Das willst du doch sicherlich, oder?«

Mit anderen Worten: Sie will, dass ich mich nicht länger in ihre Arbeit einmische. Sie möchte, dass ich sie in Ruhe lasse.

»Ja, bitte«, sagte Rhodan und schwieg.

Sie passierten die solähnliche Sonne Trallyom in einer Entfernung von wenigen Hunderttausend Kilometern.

Der Gasriese Syastra, innerster Planet des Systems, stand beinahe im Perihel seiner exzentrischen Reise, weit weg von ihrem Reiseziel Goath. Sie hatten diese Welt beiläufig vermessen und sich informiert. Syastra spielte für die Gyanli keinerlei Rolle. Nur ab und zu waren Schiffe in seinem Umfeld zu orten.

Ein Schwarm von Einheiten der GYAAS-Klasse trieb in einer Höhe von 180.000 Kilometern über Goath durch den Leerraum. Diese größten bekannten Raumer der Gyanli waren 3100 Meter lang und ähnelten U-Booten mit zwei turmähnlichen Aufsätzen. Sie waren damit voluminöser als die RAS TSCHUBAI.

»Sie gehen niemals niedriger«, sagte Farye leise. »Es ist, als existierte eine unsichtbare Grenze, die sie nicht zu unterschreiten wagen.«

»Es könnte eine imaginäre oder manifeste Grenze sein«, mutmaßte Rhodan. »Eine, die wir mit unseren Mitteln nicht anmessen können.«

»Nein. So weit sind die Gyanli in ihrer Entwicklung nicht.«

»Und was ist mit dem Schnitter? Du weißt, was er angerichtet hat. Im Trallyomsystem ist Technik im Einsatz, die uns sehr wohl gefährlich werden kann. Sei beim Landeanflug so vorsichtig wie möglich, Farye.«

Seine Enkelin bestätigte und wandte sich wieder ihren Aufgaben zu.

Minz Abcaus nahm neben ihr Platz. Er murmelte einige Worte, die Farye heftig reagieren ließen. Er war kein leichter Charakter und wenig beliebt. Ein Wissenschaftler, der ständig widersprach und mit seinem Gehabe an den Nerven zerrte – der allerdings dabei viele gute und vernünftige Denkanstöße lieferte.

»Letzte Checks vornehmen!«, befahl Rhodan. »Wir sind zu hundert Prozent auf die SERUNS und unsere Ausrüstung angewiesen. Stimmt eure Positroniken aufeinander ab, macht euch für die Landung bereit. – Farye? Von dir möchte ich so rasch wie möglich eine Kartografierung Goaths und Empfehlungen, wo wir landen können.«

»Mit Schwerpunkt auf Ansiedlungen?«, hakte seine Enkelin nach.

»Hast du bereits welche entdeckt?«

»Erste Anzeichen jedenfalls. Kleine, weit voneinander entfernte Habitate, wie es aussieht. Sehr energiearm oder durch dämpfende Schirme geschützt.«

»Liefere mir so bald wie möglich Holos! Am liebsten auch Hinweise auf potenzielle Verstecke der Steuerstation des Schnitters.«

Farye bestätigte und unterhielt sich wieder mit Minz Abcaus. Sichu gesellte sich zu den beiden, eine rege Unterhaltung entspann sich.

Lizzie Penbello ging indes von einem zum anderen. Sie nahm über Steckverbindungen einen persönlichen Sicherheitscheck aller SERUNS und ihrer Features vor. Nicht von ungefähr haftete ihr der Ruf an, besonders gewissenhaft zu sein. Rhodan hatte sie mit Bedacht für das Team ausgewählt. Penbello und der Dreier bildeten ein hervorragendes Zweierteam.

»Ich finde keinerlei Hinweise auf unmäßigen Energieverbrauch«, sagte Farye. »Auch keine energetischen Peaks, die auf die Funktion einer Steueranlage hindeuten würden.«

Ein Holo entstand. Es zeigte Goath. Grau- und Brauntöne herrschten vor. Riesige Krater beherrschten die Ödnis der derzeitigen Tagseite, die Nachtseite wurde durch lange und hohe Gebirgsstöcke definiert. Mangels Atmosphäre gab es kaum runde Formen zu entdecken. Die Landschaft war rau und abweisend, kalt und deprimierend. Die Tagestemperatur lag in großen Bereichen bei hundertfünfzig Grad Celsius, in der Nacht kühlte es auf bis zu minus hundertzehn Grad Celsius ab.

»Für einen Erholungsurlaub ist Goath denkbar ungeeignet«, meldete sich Gucky zu Wort und zwinkerte Rhodan zu.

»Hast du wieder mal in meinen Gedanken spioniert, Kleiner?«

»Du weißt, dass das nicht geht. Aber ich kenne den großen Terraner wie, nun ja, wie eine geistige Westentasche.«

Rhodan ließ es dabei bewenden und drehte sich Sichu zu. »Wie sieht's mit einem geeigneten Landeplatz aus?«

»Die meisten entdeckten Ansiedlungen befinden sich im Inneren der größeren Krater«, antwortete Sichu. Sie erhob sich und fasste in das Holo.

Mit wenigen Handgriffen zog sie einen Teil der taghellen Landschaft hervor und schaffte veränderte Lichtbedingungen. Sie markierte einen Fleck, der sich eben noch im Schlagschatten eines Kraters befunden hatte.

»Hier nahe an der Abbruchkante könnten wir landen und versuchen, ins Innere der Siedlung zu gelangen.«

»Was wissen wir über sie?«, hakte Rhodan nach.

»Nichts«, gestand Sichu. »Die energetische Kennung der Kuppel lässt sich nicht so leicht enträtseln. Sie ändert sich im Femtosekundenbereich und ist von einer Art, die ich vorerst nicht ... hm ... identifizieren kann.«

»Beruht sie vielleicht auf Kato-Technologie?«

»Alles im Trallyomsystem beruht irgendwie darauf, wie du weißt. Hinab bis auf eine subatomare Ebene handelt es sich um eine nahezu perfekte Kopie.«

»Warum sollten wir ausgerechnet nahe dieser Krateransiedlung runtergehen?«

»Sie interessiert mich«, antwortete Sichu. »Sieh genau hin!«

Rhodan betrachtete das Holo, während die Ator näher auf die energetisch geschützte Ansiedlung zoomte. Und er verstand mit einem Mal Sichus Interesse. Die Erbauer der kleinen Stadt hatten auf Schwerkraftvektoren keinerlei Rücksicht genommen. Sie war senkrecht an den Rand des Kraters gepfropft worden.

3.

Bayvtaud

 

Das Tagwerk begann mit der Sichtung unzähliger Berichte. Sie erreichten ihn aus allen politischen, wirtschaftlichen, finanzpolitischen Brennpunkten des Trallyomsystems, aber auch aus anderen Bereichen der Galaxis Orpleyd.

Ein Rinnsal plätscherte durch seinen kleinen, gemütlich eingerichteten Arbeitsraum. Bayvtaud änderte die Fließrichtung und lenkte einen Teil des Wassers in einen zweiten Kanal. Es rann nun links und rechts an seinem Tisch vorbei, umgab ihn, belegte ab und zu seine Beine mit einem Nebel aus Feuchtigkeit.

Es waren Allerweltsberichte, die Bayvtaud während der Nachtstunden zugestellt worden waren. Manche lagen in der uralten und kunstvoll gefertigten Feuchtschrift für ihn bereit; Farbpigmente auf Folien wurden erst dann lesbar, wenn man sie in ein Salzwasserbad tunkte.

Diese Feuchtnachrichten erzeugten ein wohliges Gefühl in ihm. Sie erinnerten ihn an die Vergangenheit. An eine Zeit, da die Gyanli wesentlich stärker ans Wasser gebunden gewesen waren.

Bayvtaud beendete seine Analysen und gab einige Anweisungen weiter. Drei Berichte ließ er auf seinem Tisch liegen. Er würde sie sich später nochmals in Ruhe zu Gemüte führen. Nun warteten die anderen Clanführer der Vtaud auf ihn.

Er verließ seinen Arbeitsraum und versiegelte ihn. Wasser flutete zusätzlich das Zimmer. Nur der Tisch und einige Schmuckgegenstände, die in der Flüssigkeit Schaden nehmen würden, blieben mithilfe von Schutzschirmen davon unberührt.