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Über dieses Buch:

Es ist eine Zeit der Veränderung, des Aufbruchs – und auch Gretas Leben nimmt im Berlin der Nachkriegsjahre eine ungeahnte Wendung: Sie hat die Lust entdeckt, die viel zu lange in ihr schlummerte. Sie hat den Mann erobert, der sie wie eine sinnliche Königin verehrt. Und sie hat sich bereit erklärt, eine zentrale Rolle bei der Suche nach einem Frauenmörder zu spielen. Doch ist der Killer seinen Verfolgern möglicherweise einen Schritt voraus – und wird Gretas Spiel mit dem Feuer ihr nun zum Verhängnis werden?

Bei diesem Roman handelt es sich um den dritten Band einer Serie, die mit Gewagtes Spiel begann und mit Verbotenes Spiel fortgesetzt wurde. Die Bände können unabhängig voneinander gelesen werden; das größte Vergnügen entfaltet sich aber natürlich vor allem dann, wenn Sie die Geschichten in der chronologisch richtigen Reihenfolge genießen.

Über die Autorin:

Nora Schwarz wurde 1982 in Heilbronn geboren, studierte Germanistik und Kunstgeschichte – und verdiente sich in dieser Zeit ihren Lebensunterhalt als Domina. Über die Erfahrungen im Sado-Maso-Studio schrieb sie den Bestseller Lessons in Lack, dem erotische Erzählungen und Romane folgten.

Bei venusbooks erschienen bereits die Romane der erotischen NYLONS-Serie:

NYLONS: Harte Zeiten

NYLONS: Mademoiselle hat ein Geheimnis

NYLONS: Erziehung eines Diebes

NYLONS: Der Schwan

NYLONS: Das französische Mädchen

NYLONS: Gewagtes Spiel

NYLONS: Verbotenes Spiel

NYLONS: Gefährliches Spiel

Die Autorin im Internet: www.nora-schwarz.de

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eBook-Neuausgabe September 2015

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Copyright © der Originalausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2015 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Sabine Thiele

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von thinkstock/istock/Andrey Laschev

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95885-061-3

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Nora Schwarz

NYLONS: Gefährliches Spiel

Erotischer Roman

venusbooks

Kapitel 1
Paris, Juli 1941

Die Stadt ist nicht wiederzuerkennen. Von den Hunderttausenden, die im letzten Jahr geflohen sind, sind die meisten wieder zurückgekehrt. Entgegen allen Erwartungen herrscht nicht die befürchtete barbarische Stimmung. Trotzdem sind die fremden Uniformen auf den Straßen nicht zu übersehen. Auch nicht das riesige Hakenkreuz-Banner, das sich am Eiffelturm im Wind bläht. Es gibt jetzt eine Ausgangssperre und weniger Essen. Einige der legendären Pariser Restaurants sind fest in deutscher Hand. Nach außen hin hat sich nur wenig verändert. Aber das Lebensgefühl der Stadt scheint geknebelt und gefesselt unter einer Flut von schwarzen Stiefeln zu liegen. Dort, wo sich der Widerstand bereits zu formieren beginnt, herrschen Angst und Misstrauen. Aber dieser Widerstand wird Blüten treiben, die sich die Besatzer nicht in ihren wildesten Träumen vorstellen können.

Im Norden von Paris, ganz in der Nähe der Rue la Fayette, liegt eine unscheinbare, schmale Passage, eingebettet zwischen kleinen Geschäften und überdacht von fleckigem Glas, auf dem die Herbstblätter vermodern und im Laufe der Zeit immer weniger Licht hindurchlassen. Wenn man abends den Strom der Leute verlässt und in die Passage einbiegt, wird man die Geschäfte geschlossen vorfinden. Es ist finster, und die Schritte der Passanten draußen auf der Straße hallen bis in diesen merkwürdigen menschenleeren Schlauch unter dem Glasdach. Man muss schon einen besonderen Grund haben, um hier einzubiegen. Dann wird man allerdings sofort das winzige Fenster bemerken, das am Ende der Passage schummrig leuchtet. Nicht rot, doch die Besucher wissen genau, dass sie hier genau richtig sind.

In der Welt am anderen Ende der Passage residiert eine Frau, die manche gerne in den berühmten Bordellen von Paris vermuten würden. Aber ihr kleines Boudoir ist in keinem der zwielichtigen Adressverzeichnisse der nächtlichen Amüsierbetriebe aufgeführt, und es liegt so versteckt, dass niemand sich zufällig dorthin verirrt. Obwohl sie weder auf sich aufmerksam macht wie die marktschreierischen Edelhuren noch sich mit den reichen Parisern oder den deutschen Besatzern in den teuren Restaurants zeigt, hat sie es dennoch geschafft, dass halb Paris von ihr spricht, wenn auch hinter vorgehaltener Hand.

Jade Louanne ist das, was man einen geheimen Star nennt, und sie unternimmt nichts, um das sie umgebende Geheimnis aufzulösen.

In Paris florieren die Bordelle, und seit die Deutschen die Stadt übernommen haben, sogar noch mehr. Jade Louanne ist für diejenigen, die mit gewissen Erwartungen zu ihr kommen, vielleicht eine Enttäuschung. Es kann Wochen oder Monate dauern, bis sie sich großzügig zeigt und Zugang zu ihrem Boudoir gewährt, was schon manchen Mann um den Verstand gebracht hat. Man ist es nicht gewohnt, dass eine Hure einen Kunden so lange warten lässt. Aber diejenigen, die das komplizierte Arrangement der Terminvereinbarung überstanden haben und endlich im Besitz ihrer Adresse sind, verfallen ihr danach vollständig. Nach einem Besuch bei ihr wollen die Männer mit dem Erlebnis prahlen. Aber irgendwie schafft sie es, dass sie es doch nicht tun. Niemand hat sich bisher gefunden, der offen und freizügig über Jade Louanne spricht. Man ergeht sich in Andeutungen. Und die besitzen eine derartige Macht, eine solche Anziehungskraft, dass eine Prahlerei gegen sie lächerlich platt und gewöhnlich gewirkt hätte.

Wenn jemand den Strom der Flaneure verlässt und in die Passage einbiegt, dann hat er für gewöhnlich ein äußerst aufwendiges Prozedere hinter sich. Es ist sehr kompliziert, an Jade Louanne heranzukommen.

Sie veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen eine kleine, unscheinbare Anzeige in den großen Tageszeitungen von Paris, nur nicht in der Zeitung der Besatzungsmacht. Doch es hat sich ohnehin längst bis zu den Deutschen herumgesprochen, was den französischen Zeitungen einen höheren Absatz beschert, denn man kauft sie in der Hoffnung, die begehrte Anzeige eines Tages zu finden. So handhabt Jade Louanne es seit drei Jahren. In einem winzigen Kasten steht ein einziges Wort.

Essayez. Versuchen Sie es.

Darunter eine Telefonnummer, die jedoch immer nur wenige Wochen erreichbar ist. Wer Glück hat, spricht mit einer jungen Frau namens Marlis, die den Anrufer auffordert, in einem Park von Paris zu einer festgesetzten Uhrzeit einem der armen Blumenmädchen eine Nelke abzukaufen, und zwar zum Preis eines Abendessens. Um den Stiel der Nelke ist ein Zettel gewickelt, auf dem eine Telefonnummer steht. Meldet man sich dort, erreicht man schließlich Jade Louanne. Sie stellt dem Anrufer ein paar recht enigmatische Fragen, die einige sofort aufgeben lassen. Sie fragt die Anrufer nach den ersten Erinnerungen an ein weibliches Wesen, an den Lieblingsgeruch, von was sie träumen. Bei manchen Antworten legt sie den Hörer auf, und man kommt nicht mehr an sie heran.

Wer jedoch geduldig bleibt, die richtigen Antworten gibt und ihren Gefallen findet, wird in ein abgelegenes und immer wieder wechselndes Café bestellt. Dort muss der Anwärter einen Umschlag mit der geforderten Geldsumme einem Kellner überreichen. Dieser gibt schließlich die Adresse heraus, fordert den Kunden auf, sie sich zu merken, und vernichtet den Zettel daraufhin. Wer am nächsten Abend mit zitternden Beinen die etwas schäbige Passage betritt, muss sich unweigerlich fragen, ob er einem schlechten Scherz aufgesessen ist. Aber wenn die Tür zu Jade Louannes Reich sich endlich öffnet, sind alle Zweifel und Bedenken vergessen. Dann wird man unweigerlich Teil des Geheimnisses einer Frau, die jedoch auch nach einem persönlichen Treffen so undurchsichtig bleibt wie das Glasdach über dem Zugang zu ihrem Boudoir.

Am Fenster auf der anderen Straßenseite gegenüber der Passage schaut jeden Abend eine einsame, alte Frau auf den Strom der Passanten. Mit einer gewissen Regelmäßigkeit hat sie in den letzten Monaten beobachtet, dass sich abends um neun Uhr ein einzelner Mann aus der Menge löst und die Passage betritt. Es sind immer unterschiedliche Männer, aber viele von ihnen tragen die gleiche Uniform. Es sind Deutsche, die es sich in Paris bequem gemacht haben, und die alte, einsame Frau hofft inständig, dass sie den Tag noch erleben wird, an dem diese unwillkommenen Gäste wieder aus der Stadt gejagt werden. Sie sieht nie, wie die uniformierten Männer wieder aus der Passage herauskommen, zu dieser Zeit ist sie längst im Bett und träumt von ihren Jugendtagen in Nizza. Aber selbst wenn sie bis tief in die Nacht an ihrem Fenster sitzen würde – die Uniformierten kommen nie zurück. Niemals.

An diesem verregneten Sommerabend ist es ein Mann im Anzug, der in die Passage einbiegt. Er heißt Arnold Strasser, und als er aus dem finsteren Treppenhaus zu ihr heraufkommt, fallen Jade sofort zwei Dinge auf. Erstens: Er trägt keine Uniform. Das bedeutet, er hat falsche Angaben gemacht. Er ist Deutscher, aber er ist ganz offensichtlich nicht Teil der Besatzungsmacht, die mit ihren bedrohlichen Uniformen ganz Paris einschüchtern und die von den Huren erwarten, dass sie beim Anblick dieser Uniformen weiche Knie bekommen. Nun, Jade Louanne passiert das nicht. Die deutschen Offiziere sind aus einem ganz bestimmten Grund momentan ihre favorisierte Kundschaft, und sie kann es sich nicht leisten, sich von Uniformen einschüchtern zu lassen. Die zweite Auffälligkeit des heutigen Gastes ist seine merkwürdige Unentschlossenheit. Er wirkt wie jemand, der Erfahrung mit solchen Besuchen hat, gleichzeitig strahlt er aber auch Widerwillen und Schüchternheit aus. Das gefällt Jade Louanne nicht, sie kann den Mann schlecht einschätzen.

Als während der Weimarer Republik an jeder Ecke von Berlin die Sünde in allen nur erdenklichen Formen lockte, war Arnold Strasser noch ein Junge gewesen. Jetzt ist er erwachsen, und Jade Louanne hat keine Ahnung, dass sie in diesem Raum nicht mehr die einzige Person mit einem Hintergedanken ist.

Sie begrüßt ihn mit der ihr eigenen, etwas spröden Art und amüsiert sich über die übliche Überraschung beim Anblick ihrer schlichten Alltagskleidung. Sie empfängt ihre Gäste nicht im Negligé oder in Dessous, sondern in einer weiten Seidenhose und einer dünnen Bluse. Sie ist barfuß und ungeschminkt. Und trotzdem schafft sie es, dass ihren Gästen der Mund trocken wird. Die meisten sind von Jades Präsenz so beeindruckt, dass ihnen gar nicht auffällt, dass sie keine Dessous trägt.

Der Händedruck des Mannes ist fest und trocken. Also ist er doch nicht so aufgeregt, wie sie dachte. Er ist stattlich und groß, trägt einen gut geschnittenen, dunklen Leinenanzug und ein weißes Hemd. Ein Blick genügt, um zu sehen, dass er Geld hat. Geld und Geschmack und Erfahrung. In einem geradezu absurden Widerspruch dazu stehen seine ungelenken Bewegungen und der unstete Blick.

Jade Louanne sagt nicht viel. Sie führt ihn zu einem samtbezogenen Sofa in einer Fensternische und gießt ihm Champagner ein.

»Wir haben viel Zeit miteinander«, erklärt sie. »Sehr viel Zeit. Schenken Sie mir und sich Geduld. Sie haben nicht für das schnelle Vergnügen bezahlt.«

Arnold Strasser nickt und lehnt sich zurück. Jade Louanne nimmt vor einer Frisierkommode Platz. Sie drückt auf einen Lichtschalter, und rund um den Spiegel flammt ein Dutzend Glühbirnen auf, wie in der Garderobe einer Schauspielerin. Und genau darum geht es auch in dem kleinen Appartement am Ende der Passage, das mit roten Seidentapeten ausgekleidet und mit schlichten Art-déco-Möbeln unaufdringlich eingerichtet ist. Illusion. Verwandlung.

Jade Louanne weiß, dass Huren glauben, sie würden ein Idealbild einer verdorbenen, verführerischen, lüsternen Frau darstellen, indem sie sich grell schminken und gekünstelt sprechen. Aber sie weiß auch, dass Männer ganz genau spüren, wie falsch das alles ist. Sie weiß, dass Männer enttäuscht sind, wenn sie von einer Hure kommen. Und deswegen macht sie es auf eine vollkommen andere Weise. Sie verwandelt sich und wird sich später wieder zurückverwandeln und gibt Männern dadurch ein Stück wertvolle Zeit, in der sie ihnen die Illusion, für die sie bezahlen, ganz genau zeigt. Sie wird am Ende wieder zu der Frau, mit der sie alle verheiratet sein könnten.

Sie beginnt damit, gedankenverloren ihr Haar zu lösen und auszubürsten. Gegen ihren Willen ist sie irritiert von Arnold Strasser – oder wie auch immer der gutaussehende Bursche auch heißen mag. Er sieht nicht aus wie einer vom Militär.

»Sind Sie zu Besuch in Paris?«, fragt sie und knöpft langsam ihre Bluse auf. Sie begegnet seinem Blick im Spiegel. Strasser nickt. Er hat dunkle Augen und für einen Deutschen auch ziemlich dunkles Haar. Er verfolgt ihre Bewegungen anscheinend ruhig, aber sein Champagnerglas ist ziemlich schnell leer. Langsam streift Jade Louanne ihre Bluse ab und steht auf. Mit einem schlichten, schwarzen BH bekleidet, stellt sie sich vor ihn hin und schenkt ihm nach. In der Wohnung ist es still, und man hört das Platzen der winzigen Bläschen im Champagner überdeutlich.

Seine Blicke wandern unsicher über ihren entblößten Oberkörper. Jade Louanne weiß, dass viele Männer sich an dem absoluten Weiß ihrer Haut und an den kleinen Muskelsträngen darunter nicht sattsehen können.