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Nr. 81

 

Raumschiff der Ahnen

 

Menschen als Diener von Maschinen – auf dem Geisterschiff aus der Vergangenheit ...

 

von CLARK DARLTON

 

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Seit Jahrtausenden treibt ein Raumschiff durch das All, abseits der vielbefahrenen Raumrouten.

Das Schiff ist gigantisch, denn es besitzt den gleichen Durchmesser wie die Superschlachtschiffe der arkonidischen Flotte, und doch ist es – verglichen mit den Weiten des Alls – nicht mehr als ein Stäubchen.

Niemand hat das Schiff bisher geortet – ungestört zieht es wie eh und je seine Bahn, vorbei an bewohnten und unbewohnten Sonnensystemen, vorbei an toten Planeten, vorbei an Planeten, auf denen sich das Leben erst noch entwickeln muss ...

Und das Raumschiff selbst ...? Trägt es überhaupt eine Mannschaft, oder ist es ein fliegender Sarg, der Zeugnis ablegt von einer Weltraumtragödie, die sich ereignete, bevor noch die Menschheit wusste, dass es ein Universum gibt ...?

Der Mausbiber Gucky, der fähigste Mutant aus Perry Rhodans Spezialeinheit, »ortet« das Schiff durch einen reinen Zufall – und behauptet, jemand habe »laut« gedacht ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

A-3, Ps-5, M-4, M-7 und R-75 – Fünf Besatzungsmitglieder des »Raumschiffs der Ahnen«, die als erste gegen ihr genormtes Dasein rebellieren.

Gucky – Der Mausbiber stellt sich als »Kaiser vom Andromeda-Nebel« vor.

Wilmar Lund – Kommandant des Leichten Kreuzers ARCTIC.

Kadett Brugg – Er weiß nicht, dass Gucky Vegetarier ist.

Vorwort

 

Die metallene Kugel gigantischen Ausmaßes trieb durch die Unendlichkeit des Universums. Wenn man ihren Kurs zurückverfolgte, führte er hinein in das Gewimmel des galaktischen Zentrums, wo die Sterne dichter zusammenstanden und eine genaue Ortsbestimmung nahezu unmöglich machten. Verfolgte man ihn aber nach vorn, so endete er in der trostlosen Öde am Rande der Milchstraße. Doch die Kugel würde diesen Rand erst in einigen Jahrzehntausenden erreichen, wenn sie die bisherige Geschwindigkeit beibehielt.

Sie war nicht nur gigantisch, sondern auch künstlichen Ursprungs.

Im ersten Augenblick hätte man meinen können, einen kleinen Planeten vor sich zu haben, aber bei näherer Betrachtung erwies sich dieser Eindruck als falsch. Die Kugel war ein künstliches Gebilde, von denkenden Wesen konstruiert und in Fahrt gebracht.

Und, wie es schien, auch von intelligenten Lebewesen bemannt.

Hinter erleuchteten Bullaugen konnte ein Betrachter hin und wieder sich bewegende Schatten beobachten. Diese Schatten besaßen durchaus humanoide Formen, was darauf schließen ließ, dass nicht Monster das Innere der Kugel bevölkerten, sondern Menschen.

Die Kugel war somit ein Raumschiff.

Ein Schiff allerdings, das einen Durchmesser von anderthalb Kilometer besaß und sicherlich ein paar tausend Menschen Platz bot.

Unbeirrt zog es seine Bahn, unberührt von allen Ereignissen, die sich auf den Tausenden von bewohnten Planeten abspielten, die in der jeweiligen Nachbarschaft lagen. Die ständig eingeschalteten Strahlbrech-Felder verhinderten eine elektronische Entdeckung aus der Ferne, und kein umherstreifendes Schiff irgendeiner Rasse entdeckte den ruhelosen Wanderer, der seinem unbekannten Ziel entgegenflog.

Es gab niemand, der jemals in das Innere des geheimnisvollen Geisterschiffes geschaut hatte – außer jenen, die in ihm waren. Sie aber wiederum kannten nur das Innere und wussten nicht, was außerhalb der metallenen Wände vor sich ging. Sicher, sie sahen die langsam vorüberziehenden Sterne, aber sie gehörten zu ihrem Dasein und gaben keine Rätsel auf. Die ewige Schwärze des Alls war ihr Tag, und die funkelnden Sonnen waren immer ihre ständigen Begleiter. So riesig groß die Kugel aber auch sein mochte, gemessen an der Unendlichkeit des Universums war sie nichts als ein winziges Staubkorn, das einsam und unentdeckt seine vorgeschriebene Bahn zog, bis es eines Tages von der Ewigkeit verschluckt würde.

Niemand würde es jemals vermissen ...

1.

 

Maschinist Sieben beendete seine Arbeitsschicht und machte sich auf den Weg in sein Wohnquartier. Er wurde von Maschinist Vier abgelöst, einem kräftig gebauten Burschen, der lieber ein Wort zuwenig als zuviel sprach und mit dem daher nichts anzufangen war. Maschinist Sieben liebte eine kurze Plauderstunde zwischen den Arbeitsschichten, aber Vier war kein dankbares Objekt für derartige Unternehmungen.

Missmutig schlenderte M-7 durch den schmalen Gang, bis er den Antigravlift erreichte. Ohne zu zögern trat er hinein in den schwarzen Schacht und wurde sofort von der sanften Aufwärtsströmung erfasst, die ihn mit nach oben nahm. Sekunden später gesellte sich ein anderer Mann zu ihm, der mit einem kurzen Kopfnicken zu verstehen gab, dass auch er nicht besonders gesprächig war.

M-7 kannte den Mann. Es war einer der Ärzte, die das Personal zu betreuen hatten. Wenn er sich nicht irrte, war es Arzt Drei, ein an sich freundlicher und umgänglicher Mann, zumindest wenn man krank und somit seiner Obhut unterstellt war.

Maschinist Sieben bedauerte es direkt, jetzt nicht krank zu sein.

»Finden Sie die Luft heute nicht stickiger als sonst?«, erkundigte er sich vorsichtig, um ein Gespräch in Gang zu bringen. »Ich meine, es wäre wärmer als sonst.«

»Einbildung!«, antwortete der Arzt kurz angebunden. Er schien nicht dazu aufgelegt, sich mit dem Maschinisten zu unterhalten. Aber M-7 gab nicht so schnell auf.

»Wie kann man sich so täuschen, A-Drei«, entgegnete er und benutzte nun die übliche Abkürzung des Namens, der aus Branchenbezeichnung und Numerierung bestand. »Vielleicht bin ich auch krank.«

A-3 betrachtete M-7 mit einem abschätzenden Blick, dann schüttelte er den Kopf.

»Warum sollten Sie krank sein? Wenn Sie das Gefühl haben, melden Sie sich bei Ihrer Sektion krank und kommen anschließend zu mir. Wir werden dann schon sehen ...«

»Krank melden?« M-7 schien erschrocken. »Nur um ...«

Er stockte. Fast hätte er zuviel gesagt. Er konnte doch dem Arzt nicht verraten, dass er nur einmal Sehnsucht danach hatte, sich mit jemand auszusprechen. Seine Welt bestand nur aus Fragen, die niemals beantwortet wurden. Sicher, auch der Arzt würde die gesuchten Antworten nicht geben können, aber es wäre doch immerhin interessant zu erfahren, ob er sich die gleichen Fragen stellte.

»Nur um ... was?«

M-7 zuckte die Achseln.

»Nichts«, sagte er knapp und sprang aus dem Lift. Es machte ihm nichts aus, dass er den falschen Korridor erwischt hatte, wenn er nur den forschenden und misstrauischen Blicken des Arztes entgehen konnte. Er sah die Beine von A-3 nach oben verschwinden und wartete zwei Minuten. Dann trat er erneut in den Lift und erreichte zehn Minuten später seine Wohnkabine, die er mit M-4 teilte, den er nur selten zu Gesicht bekam. Meist hatten sie unterschiedliche Arbeitsschichten, aber wenn sie wirklich einmal beide gleichzeitig frei hatten, lag M-4 untätig auf seinem Bett und ließ sich auf keine Diskussionen ein.

M-7 seufzte, wusch sich und legte sich dann hin.

Warum lebte er eigentlich?

 

*

 

Der Kommandant saß einsam in seiner Kabine.

Der kräftig gebaute Körper war ein wenig nach vorn gebeugt und verriet so sein Alter. Dieser Eindruck wurde durch die schneeweißen Haare erhöht, die das schmale und oval geformte Gesicht umrahmten, in dem zwei rötlich schimmernde Augen und eine fast frauliche Nase über dem engen Mund standen. Das Kinn war energisch und verriet ungewohnte Tatkraft, aber die weichen Linien um den Mund sprachen wiederum vom Gegenteil.

Die Hände des Kommandanten ruhten auf einem dünnen Stapel hauchfeiner Plastikakten, als wollten sie dafür sorgen, dass sie ihm niemand wegnahm. Ausgestreckt reichten die Füße fast bis zur anderen Seite des Metalltisches, der fest verschraubt mit dem Boden verbunden war. Lediglich der leichte Sessel konnte verrückt werden.

Die eine Wand bestand aus durchsichtigem Material und gab den Blick in den Weltraum frei. Zwei andere Wände waren mit technischen Kommandoinstrumenten bedeckt – den ganzen Reihen kleiner Bildschirme, Schalttafeln, Hebeln und Skalen. Dazu Stellknöpfe, Regulatoren und Nachrichtengeräte. In der vierten Wand waren lediglich zwei Türen. Eine davon führte in den Raum, den niemand außer dem Kommandanten betreten durfte.

Er sah auf, als ein leises Summen ertönte und der oberste linke Bildschirm aufleuchtete. Müde nickte er, erhob sich und drehte an dem Knopf, der unter dem Schirm zu sehen war. Sofort materialisierte darauf das Gesicht eines Mannes, der trotz der ebenfalls weißen Haare noch jung und frisch wirkte. Energische Gesichtszüge verrieten die Freude an schnellen Entschlüssen, und die farblosen Augen besaßen eine Schärfe, die jeden Gegner zur Vorsicht gemahnt hätte.

»Warum stören Sie mich, Offizier Eins?«

Der Mann auf dem Bildschirm verzog keine Miene.

»Ich muss mit Ihnen sprechen, K-Eins«, sagte er kurz. »Es ist wichtig«, fügte er hinzu.

Der Kommandant seufzte.

»Ich weiß, was Sie wollen«, nickte er resigniert. »Warum hat die Jugend nie Zeit, bis sie dran ist? Ich weiß, dass meine Zeit fast abgelaufen ist, aber warum diese Eile, O-Eins? Sie sind mein Nachfolger ...«

»Ich merke kaum etwas davon«, gab der andere zornig zurück. »Wie soll das Junge sich entfalten können, wenn das Alte ihm keine Gelegenheit dazu gibt?«

Der Kommandant lächelte.

»Entfalten, O-Eins? Sie wollen sich entfalten? Wenn Sie wüssten ...«

»Ich will es ja wissen! Also – haben Sie Zeit für mich?«

Der Kommandant schüttelte entschlossen den Kopf.

»Noch nicht, O-Eins! Ich werde Sie benachrichtigen, wenn es soweit ist. Sie ahnen nicht, nach welcher Verantwortung Sie drängen. Wenn Sie erst einmal an meinem Platz sitzen werden, werden Sie ihre Voreiligkeit bereuen, aber dann gibt es kein Zurück mehr. Wer an meinem Platz sitzt, wird zum einsamsten Geschöpf des Universums!«

»Niemand kann einsamer sein als der, der sich freiwillig von den anderen abschließt. Und das tun Sie, Kommandant!«

»Sie werden es nicht anders machen, weil Ihnen keine Wahl bleibt. Eines Tages werden Sie mich schon verstehen, bis dahin gedulden Sie sich, bitte. Ich warne Sie, O-Eins! Jedes Drängen kann verhängnisvoll für Sie werden. Die Zeit ist noch nicht gekommen ...«

Der junge Mann auf dem Bildschirm nickte grimmig.

»Bestimmen Sie es, wann die Zeit gekommen ist?«

Jetzt lächelte der Kommandant matt.

»Nehmen Sie ruhig an, dass ich es bestimme – Ihr Gewissen wird dann nicht unnötig belastet. Die Wahrheit werden Sie erst dann erfahren, wenn Sie an meiner Stelle sitzen.« Er sah auf die Uhr über der Kontrolltafel. »Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe zu tun.«

Der Bildschirm erlosch jäh, ehe der Offizier antworten konnte.

Der Kommandant ließ sich wieder hinter dem Tisch nieder und stützte den Kopf in die Hände, als sei dieser plötzlich zu schwer geworden. Ganz in seinem Innern konnte er den jungen Offizier verstehen, der zu seinem Nachfolger bestimmt worden war. Aber das Reglement verbot jede Ausnahme bei der Strafe des Todes durch den Konverter. Der Nachfolger hatte zu warten, bis das Zeichen gegeben wurde. Dann erst durfte er sein Amt antreten, damit es nur immer einen Träger des Geheimnisses gab.

Ich muss so und so sterben, dachte der Kommandant mit aufsteigender Bitterkeit. Das ist nun einmal der Preis, den ich zu zahlen habe – alle vor mir zahlten ihn genau so wie alle jene, die nach mir kommen werden.

Nichts konnte die Kette unterbrechen.

Erneut wurde er durch das Summen der Nachrichtenanlage aufgeschreckt. Es war seine Pflicht, jeden Anruf zu beachten. Also erhob er sich und sah nach, ob es nicht wieder Offizier Eins war.

Diesmal war es Offizier Zwei, der Sprecher der Mannschaft.

»Kommandant, Ps-Fünf, A-Drei und R-Fünfundsiebzig haben um eine Unterredung gebeten. Wann wünschen Sie die Genannten zu sehen?«

Der Kommandant überlegte einige Augenblicke.

Dass der Arzt und der Psychologe eine Besprechung wünschten, war nicht außergewöhnlich. Das kam fast wöchentlich vor. Aber dass ihn auch der Reparatur 75 zu sprechen wünschte, gehörte nicht zu den Alltäglichkeiten. Mit einer Mischung von Neugier und Befremden sagte der Kommandant daher: »Erteilen Sie die Genehmigung. Ich erwarte die Genannten zum üblichen Zeitpunkt.« Aus einem inneren Gefühl heraus fügte er hinzu: »Ich möchte nur die drei Gemeldeten sehen, O-Zwei. Sorgen Sie dafür, dass O-Eins unter keinem Vorwand zugelassen wird.«

»Verstanden, Herr«, entgegnete der Sprecher und schaltete ab.

Der Kommandant setzte sich wieder und versank in tiefes Nachdenken.

Er ahnte, dass sich Unheil über seinem Haupt zusammenbraute.

Er wusste nur noch nicht, welcher Art dieses Unheil war.

 

*

 

Einige Tage Schiffszeit vorher ...

Der Psychologe sah erstaunt auf, als sich die Tür öffnete und Arzt Drei unangemeldet seinen Arbeitsraum betrat. Beide waren sie etwa im gleichen Alter, und wenn ihre Berufskleidung sie nicht unterschieden hätte, wäre es einem Fremden schwergefallen, sie auseinander zu halten.

»Nanu, A-Drei? Ein seltener Besuch ...?«

»Ich muss mit dir reden, Ps-Fünf. Nur du kannst mir auf die vielen Fragen antworten, die ich mir stelle – und die mir gestellt werden.«

Der Psychologe zog die Stirn in Falten.

»Fragen ...? Seit wann stellt man sich Fragen?«

»Das Leben hier stellt uns diese Fragen, und ich kann jeden verstehen, der sie an die führende Schicht weiterleitet. Das sind wir! Und wir dürfen nicht antworten.«

Der Psychologe lächelte.

»Dürfen, mein Freund? Selbst wenn wir wollten, was könnten wir antworten? Was wissen wir denn schon vom Leben? Wir werden hier geboren, wir leben und arbeiten hier – und wir sterben auch hier, wenn unsere Zeit gekommen ist.«

»Aber – warum? Warum leben und sterben wir? Welchen Sinn hat unser Dasein? Das, Ps-Fünf, sind die Fragen, die mir in den letzten Tagen mehrfach vorgelegt wurden. Wie sollte ich darauf antworten? Ich weiß, dass solche Fragen verboten sind und dem Kommandanten gemeldet werden sollten, aber ich weiß auch, dass das Todeskommando zu jedem kommt, der solche Fragen stellt und gemeldet wird. Wenn wir nach den Befehlen gingen, gäbe es in dieser Welt bald kein Lebewesen mehr.«

Der Arzt beugte sich vor und sah dem anderen in die Augen.

»Was ist diese Welt – weißt du das?«

»Niemand weiß es.« Der Psychologe schüttelte den Kopf. Dann lächelte er plötzlich wieder. »Warum willst du es wissen? Wir werden in ihr geboren und aufgezogen, wir erhalten unsere Aufgaben und erfüllen sie. Unsere Welt erhält uns, sie gibt uns zu essen, zu trinken und zu atmen, sie kleidet uns und sie gewährt uns einmal im Leben den Urlaub mit den Frauen. Und schließlich sorgt sie noch dafür, dass wir schnell und schmerzlos sterben. Wir müssen unserer Welt dankbar sein, dass sie so für uns sorgt. Bist du anderer Meinung?«

»Nein, ich bin nicht anderer Meinung, aber ich will wissen, warum das alles so ist und wer über uns steht.«

»Wer?« Der Psychologe sann vor sich hin und hörte auf zu lächeln. »Der Kommandant, wer sonst? Er gibt die Befehle, und er ist – zum Glück – genau so dem Tod verfallen wie wir. Für viele Menschen ist dieser Gedanke tröstlich genug, selbst freudig zu sterben, wenn die Reihe an sie kommt.«

»Der Kommandant«, sagte der Arzt ruhig, »ist nicht jener, der über uns allen steht.«

Der Psychologe fuhr mit einem Ruck zusammen. Seine Augen wurden ganz schmal, und ein ängstlicher Blick ging zu den Rillen der unter der Decke befindlichen Entlüftungsanlage, als vermute er dort einen heimlichen Lauscher. In sein Gesicht trat ein lauernder Ausdruck, der sich mit Furcht mischte.

»Pst! Was redest du für einen Unsinn? Du bringst uns noch beide in die Konverter!«

Der Tod im Atomreaktor – das war das Ziel ihres Lebens. Niemand konnte diesem Ziel aus dem Wege gehen, aber jeder Unvorsichtige konnte das unvermeidliche Ende beschleunigen. Der Kommandant war mit dem Todesurteil schnell zur Hand. Und sein Befehl war Gesetz.

Der Arzt wischte die Bedenken seines Freundes mit einer Handbewegung beiseite.

»Unsinn, Ps-Fünf! Wir sind keine kleinen Kinder mehr, die man mit dem Konverter schrecken kann. Wir sind Manns genug, um uns im Notfall wehren zu können, wenn sie uns abholen wollen. Ich habe vorgesorgt. Glaubst du, ich hätte mir Gedanken gemacht, ohne mir Waffen zu verschaffen?«

»Waffen?«, fragte Ps-5 erstaunt und mit einem Funken Hoffnung. »Du weißt, dass der Besitz von Waffen verboten ist. Außerdem – wie solltest du zu ihnen gelangen? Niemand in unserer Welt hat Waffen, außer ...«

»Stimmt! Außer den Wächtern hat niemand Waffen. Sie tragen sie in ihren metallenen Körpern verborgen. Man muss einen der Wächter zerstören, wenn man an seine Waffen gelangen will.«

Ungläubig starrte der Psychologe seinen Freund an.

»Du willst doch damit nicht sagen ...?«

»Doch, das will ich. Ich habe einen Wächter in den Hinterhalt gelockt und unschädlich gemacht. Dann nahm ich ihn auseinander und verschaffte mir seine Energiewaffen. Ein Maschinist half mir dabei. Er ist mein Vertrauter.«

»Ein einfacher Mann? Wird er dich nicht verraten?«

Nun lächelte der Arzt.

»Er kann nicht, mein Freund. Ich machte ihn süchtig. Das ist verboten. Käme es heraus, würde ich bestraft – aber M-Vier erhielte keine Drogen mehr und er würde elend zugrunde gehen. Du siehst, ich habe vorgesorgt. Ich bin somit fest entschlossen, die Wahrheit zu finden. Willst du mir dabei helfen, Ps-Fünf? Du kannst es dir überlegen. Wenn du andere Meinung bist wie ich, vergiss unser Gespräch. Ich vertraue deinem Wort.«

»Wer außer dir und diesem M-Vier weiß davon?«

»Niemand!«

Der Psychologe lehnte sich in seinem Sessel zurück und betrachtete gedankenvoll die Decke seines Raumes. Hier arbeitete er, gab seine Anordnungen an die psychologische Abteilung und genoss ein gewisses Maß an Ansehen. Sollte er das alles aufs Spiel setzen, um seine Neugier zu befriedigen?

Saß er nicht gewissermaßen an der Quelle aller Informationen? War er nicht außer dem Kommandanten derjenige in dieser Welt, dem alle Neuigkeiten schon berufshalber zugetragen wurden? Warum sollte er noch neugieriger sein als die anderen?

Sein Blick fiel auf das Gesicht seines Freundes, der ihn erwartungsvoll ansah. In ihm spiegelte sich Hoffnung und Glaube, aber auch Furcht und verzweifelte Entschlossenheit.

Ihm kam ein plötzlicher Gedanke.

»Hast du eine solche Waffe bei dir?«, fragte er langsam.

A-3 nickte. Er griff in die Tasche und zog einen kleinen, handlichen Stab hervor, der am vorderen Ende eine gläserne Linse besaß.

»Du hast sie noch nie in Aktion gesehen, Ps-Fünf, aber ich kann dir versichern, dass ihre Wirkung schrecklich ist. Wenn ich will, kann ich damit sogar die Außenwände unserer Welt durchbohren und den Eistod hereinlassen. Damit einen Menschen zu töten, ist kein Problem.«

Der Psychologe erschauerte plötzlich. Er ahnte, dass er noch nie in seinem Leben dem Tod so nahe war wie jetzt in dieser Sekunde. Aber der Arzt war doch sein Freund ...!

Oder ...?

Er starrte genau in die gläserne Linse und versuchte sich vorzustellen, wie der Tod aussah, der in dem silbernen Stab hauste. War es ein schneller und schmerzloser Tod? Oder ...?

Wieder Frage auf Frage, auf die ihm niemand eine Antwort erteilte.