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Print ISBN 978-3-415-05749-4
E-ISBN 978-3-415-05754-8

© 2016 Richard Boorberg Verlag

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

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Inhalt

A. Grundlegende Veränderungen im neuen Vergaberecht

1. Wesentliche Erweiterungen, neue Strukturen und neue Inhalte

2. Eckpunkte der Vergaberechtsreform

3. Europarechtlicher Ausgangspunkt und Ziele des neuen Vergaberechts

4. Die neuen Strukturen im Einzelnen und die ihnen zugrunde liegende Systematik

4.1 Bisheriger dreistufiger Aufbau

4.2 Erhebliche Erweiterungen des GWB, selbständige Regelungen in Verordnungen, Beibehaltung des inhaltlich veränderten zweiten Abschnitts der VOB/A

B. Wesentliche Veränderungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

1. Neuer Aufbau des GWB

2. Ausgewählte Regelungen der §§ 97 bis 114 GWB, Grundsätze, Definitionen und Anwendungsbereich

2.1 § 97 GWB, Grundsätze der Vergabe

2.2 §§ 98 bis 101 GWB, Auftraggeber

2.3 § 103 GWB, Öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen und Wettbewerbe

2.4 § 105 GWB, Konzessionen

2.5 § 106 GWB, Schwellenwerte

2.6 § 107 GWB, Allgemeine Ausnahmen vom Vergaberecht

2.7 § 108 GWB, Ausnahmen vom Vergaberecht bei öffentlich- öffentlicher Zusammenarbeit

2.8 §§ 110 bis 112 GWB, Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen in gemischten Fällen

2.9 §§ 113, 114 GWB, Verordnungsermächtigung, Statistikpflicht

3. Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber

3.1 § 119 GWB, Verfahrensarten, Wahlfreiheit

3.2 §§ 122 bis 124, 126 GWB, Eignung und Ausschlussgründe

3.3 § 125 GWB, Selbstreinigung

3.4 § 132 GWB, Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit

3.5 §§ 133, 135 GWB, Kündigung, Unwirksamkeit des Vertrages

4. Aufträge in besonderen Bereichen und von Konzessionen

4.1 Auftragsvergaben durch Sektorenauftraggeber, §§ 136 bis 143 GWB

4.2 Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen, §§ 144 bis 147 GWB

4.3 Vergabe von Konzessionen, §§ 148 bis 154 GWB

5. Nachprüfungsverfahren: Nachprüfungsbehörden, Verfahren vor der Vergabekammer, sofortige Beschwerde, §§ 155 bis 184 GWB

C. Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts

1. Gliederung und Überblick über die Inhalte der Vergaberechtsmodernisierungsverordnung

1.1 Gliederung

1.2 Überblick über die Inhalte

2. Neue Vergabeverordnung

2.1 Grundzüge der neuen Vergabeverordnung

2.2 Aufbau der neuen Vergabeverordnung

2.3 Allgemeine Bestimmungen und Kommunikation, §§ 1 bis 13 VgV

2.3.1 Anwendungsbereich der neuen Vergabeverordnung, §§ 1 und 2 VgV

2.3.2 Schätzung des Auftragswerts, § 3 VgV

2.3.3 Wahrung der Vertraulichkeit, Vermeidung von Interessenkonflikten, Mitwirkung an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens, §§ 5 bis 7 VgV

2.3.4 Dokumentation und Vergabevermerk, § 8 VgV

2.3.5 Regelungen zur Kommunikation, §§ 9 bis 13 VgV

2.4 Verfahrensarten, Besondere Methoden und Instrumente, Vorbereitung des Vergabeverfahrens, Veröffentlichungen, Transparenz, §§ 14 bis 41 VgV

2.4.1 Verfahrensarten, §§ 14 bis 20 VgV

2.4.2 Besondere Methoden und Instrumente in Vergabeverfahren, §§ 21 bis 27 VgV

2.4.3 Vorbereitung des Vergabeverfahrens, §§ 28 bis 36 VgV

2.4.4 Veröffentlichungen, Transparenz, §§ 37 bis 41 VgV

2.5 Anforderungen an Unternehmen, Eignung, §§ 42 bis 51 VgV

2.6 Einreichung, Form und Umgang mit Angeboten, Teilnahmeanträgen, Interessensbekundungen und Interessensbestätigungen, §§ 52 bis 55 VgV

2.7 Prüfung und Wertung der Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote; Zuschlag, §§ 56 bis 63 VgV

2.7.1 Transparenz und Gleichbehandlung

2.7.2 Nachforderung von Unterlagen, § 56 VgV

2.8 Soziale und andere besondere Dienstleistungen, §§ 64 bis 66 VgV

2.9 Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Liefer- oder Dienstleistungen, §§ 67 und 68 VgV

2.10 Planungswettbewerbe, Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen, §§ 69 bis 80 VgV

2.10.1 Planungswettbewerbe, §§ 69 bis 72 VgV

2.10.2 Besondere Vorschriften für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen, §§ 73 bis 80 VgV

3. Sektorenverordnung

4. Konzessionsvergabeverordnung

5. Vergabestatistikverordnung

6. Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit

D. Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen

1. VOB/A 2016

1.1 Schwerpunkte der Überarbeitung

1.2 Kein Gleichklang bei der Nachforderung von Unterlagen

1.3 Beispiele für wesentliche Neuerungen

1.4 Inkrafttreten der neuen VOB/A und der Regelungen über die elektronische Kommunikation

2. VOB/B 2016

Stichwortverzeichnis

A.
Grundlegende Veränderungen im neuen Vergaberecht

1. Wesentliche Erweiterungen, neue Strukturen und neue Inhalte

Die Vergaberechtsmodernisierung des Jahres 2016 ist, so führt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung selbst aus, das größte vergaberechtliche Gesetz- und Verordnungsverfahren der letzten 10 Jahre. Mit der im Wesentlichen auf den 18.4.20161 als Tag des Inkrafttretens ausgerichteten Novellierung des Vergaberechts hat der Gesetzgeber das Vergaberecht zum einen durch neu hinzugekommene Verordnungen erheblich umgestaltet und erweitert. Zu nennen sind die neue Konzessionsvergabeverordnung und die neue Vergabestatistikverordnung. Der Gesetzgeber hat das Vergaberecht zum andern strukturell auf völlig neue Beine gestellt. So sind die bisher für Vergaben ab den EU-Schwellenwerten geltenden Regelungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A Teil 2) und die Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) als selbständige Regelungen entfallen, sie sind in die neu gestaltete Vergabeverordnung (VgV) einbezogen. Lediglich die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) bleibt, nach aktuellen Änderungen durch den Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss, erhalten. Der Gesetzgeber hat zum dritten im gesamten Vergaberecht ganz erhebliche inhaltliche Veränderungen vorgenommen. Als Beispiele sind die erstmals im deutschen Vergaberecht kodifizierten Regelungen zu Leistungen öffentlicher Auftraggeber für andere öffentliche Auftraggeber (Abgrenzung ausschreibungspflichtiger Vergaben von den sog. Inhouse-Vergaben), die Möglichkeit der Selbstreinigung von Unternehmen bei früherem gesetz- oder wettbewerbswidrigem Fehlverhalten, ferner die neuen Reglungen zur Nachforderung von Unterlagen zu nennen. Die bisherigen Regelungen zur Nachforderung fehlender geforderter Erklärungen und Nachweise, die in der Praxis wegen ihres nicht sehr griffigen Inhalts zu einer Vielzahl von Vergabenachprüfungsverfahren geführt haben, sind für den Liefer- und Dienstleistungsbereich detailliert neu geregelt. Anstelle der bisherigen Begriffe wird für die Nachforderung differenziert zwischen unternehmensbezogenen und leistungsbezogenen Unterlagen. Die begrifflich klare Abgrenzung wird in der Praxis allerdings, davon ist auszugehen, nicht ohne Konkretisierungen durch die Rechtsprechung auskommen.

Hinweis für die Praxis:

Das neue Vergaberecht ist gegenüber dem bisherigen Recht um mehrere Verordnungen erweitert, strukturell auf neue Beine gestellt und inhaltlich erheblich verändert. Das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz vom 17.2.2016 ist im BGBl. I S. 203 veröffentlicht, die Vergaberechtsmodernisierungsverordnung vom 12.4.2016 ist im BGBl. I S. 624 abgedruckt. Sie regelt mit neuen Inhalten die Vergabeverordnung, die Sektorenverordnung, die Konzessionsvergabeverordnung, die Vergabestatistikverordnung und die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit. Die neue VOB-EU ist im Bundesanzeiger AT vom 19.1.2016 B3 veröffentlicht. Alle Regelungen sind im Wesentlichen am 18.4.2016 in Kraft getreten.

2. Eckpunkte der Vergaberechtsreform

Zur Vorbereitung des neuen Vergaberechts hat das Bundeskabinett am 7.1.2015 »Eckpunkte zur Reform des Vergaberechts« beschlossen. Diese Eckpunkte sind in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen, sie ermöglichen einen schnellen Blick auf die mit der Novelle angestrebten Ziele. Nachfolgend sind die wesentlichen Inhalte der Eckpunkte wiedergegeben. Nachträglich ergänzt sind sie um diejenigen Paragrafen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in die die Eckpunkte in erster Linie Eingang gefunden haben.

Hinweis für die Praxis:

Das Eckpunktepapier der Bundesregierung ermöglicht es, wesentliche Änderungen des Vergaberechts rasch zu erfassen und einzelnen Paragrafen zuzuordnen.

3. Europarechtlicher Ausgangspunkt und Ziele des neuen Vergaberechts

Der Europäische Gesetzgeber hat 2014 mit seinem Paket zur Modernisierung des europäischen Vergaberechts ein vollständig überarbeitetes Regelwerk für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen vorgelegt. Dieses Modernisierungspaket umfasst die Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe (Richtlinie 2014/24/EU vom 26.2.2014, ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65), die Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Richtlinie 2014/25/EU vom 26.2.2014, ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243) und die damals neu erlassene Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen (Richtlinie 2014/23/EU vom 26.2.2014, ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1; ABl. L 114 vom 5. 5.2015, S. 24). Die Reform des deutschen Vergaberechts durch die Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, der Vergabeverordnung (VgV), der Sektorenverordnung (SektVO), der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) und aller bisherigen Vergabe- und Vertragsordnungen (VOB, VOL, VOF) dient der Umsetzung der vorgenannten drei Richtlinien in deutsches Recht. Gleiches bewirken die neue Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) und die neue Vergabestatistikverordnung (VergStatVO).

Die EU-Vergaberechtsmodernisierung zielt darauf ab, das Regelwerk für die Vergaben dem fortschreitenden Binnenmarkt anzupassen und innerhalb der Europäischen Union stärker zu vereinheitlichen. Die Vergabeverfahren sollen einfacher gestaltet und die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen an öffentlichen Vergabeverfahren erleichtert werden. Zugleich wird ermöglicht, bei der Vergabe verstärkt soziale, ökologische und innovative Aspekte zu berücksichtigen. Außerdem regeln die Richtlinien grundlegende Ausnahmen vom Vergaberecht. Dies bietet gerade Kommunen mehr Rechtssicherheit bei der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge.

Die Umsetzung in das deutsche Recht soll anwenderfreundliche, rechtssichere Vergaben im Wettbewerb und die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel ermöglichen. Dem dienen die folgenden Leitlinien, die der Umsetzung in das deutsche Recht zugrunde liegen: Wirtschaftliche Beschaffung durch Wettbewerb, Transparenz und Nichtdiskriminierung, Erhaltung kommunaler Handlungsspielräume, Vereinheitlichung des Vergabeverfahrens, um öffentliche Aufträge im Inland und im EU-Ausland für deutsche Unternehmen gleichermaßen attraktiv zu machen, keine Benachteiligung, sondern besondere Berücksichtigung kleiner und mittlerer Unternehmen, Einführung weitgehend digitalisierter Beschaffungsprozesse und Unterbindung von Wirtschaftsdelikten. Die EU-Richtlinien sind dazu »eins zu eins« in das deutsche Recht umgesetzt.

Hinweis für die Praxis:

Ausgangspunkt des neuen Vergaberechts sind drei Richtlinien der EU (Vergaberichtlinie, Sektorenvergaberichtlinie und Konzessionsvergaberichtlinie), die ein europarechtlich einheitliches, anwenderfreundliches und für die Anbieter faires und effizientes Wettbewerbsverfahren sicherstellen sollen.

4. Die neuen Strukturen im Einzelnen und die ihnen zugrunde liegende Systematik

4.1 Bisheriger dreistufiger Aufbau

Das bisherige deutsche Vergaberecht war gekennzeichnet durch einen dreistufigen Aufbau, das sog. Kaskadenprinzip. Den obersten Rang hatten als Gesetz die Regelungen im GWB. Sie enthielten konzentriert die wesentlichen Vorgaben für die verschiedenen Vergabeverfahren und ihre Überprüfungen. Unterhalb des Gesetzes, auf der zweiten Ebene, gab es als »Scharnier« zwischen dem Gesetz und den drei Vergabe- und Vertragsordnungen VOB, VOL und VOF die Vergabeverordnung. Diese stellte in relativ wenigen Paragrafen neben der Schätzung des Auftragswertes vor allem den Bezug zu den drei Vergabe- und Vertragsordnungen her, die in der Praxis die Basis für die jeweiligen Vergaben waren. Als eigenständige Verordnungen gab es neben der Vergabeverordnung die Sektorenverordnung und die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit.

4.2 Erhebliche Erweiterungen des GWB, selbständige Regelungen in Verordnungen, Beibehaltung des inhaltlich veränderten zweiten Abschnitts der VOB/A

Die bisherige Struktur ist durch die Änderungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und durch die Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsverordnung – VergRModVO), die wie die Gesetzesänderungen am 18.4.2016 in Kraft getreten ist, erheblich verändert worden. Unterhalb des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gibt es nun eine Vielzahl von Verordnungen, die gesetzestechnisch in der als Artikel- bzw. Mantelverordnung gestalteten Vergaberechtsmodernisierungsverordnung zusammengefasst sind. Die neuen Rechtsverordnungen greifen die allgemeinen Regelungen des Gesetzes auf und ergänzen dieses in zahlreichen Detailfragen. Die in sieben Artikel gegliederte Modernisierungsverordnung besteht in den ersten Artikeln aus der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung, VgV), der Verordnung über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung, SektVO), der Verordnung über die Vergabe von Konzessionen (Konzessionsvergabeverordnung, KonzVgV), der Verordnung zur Statistik über die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen (Vergabestatistikverordnung, VergStatVO) und der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV). Außerdem enthält die Mantelverordnung in Artikel 6 Folgeänderungen zu anderen Verordnungen sowie in Artikel 7 Regelungen zum In- und Außerkrafttreten.

In die neue Vergabeverordnung, die auf Grund der Ermächtigungen in den §§ 113, 114 Abs. 2 Satz 4 GWB detailliert die Einzelheiten der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch die traditionellen öffentlichen Auftraggeber festlegt, sind die bisherige Vergabeverordnung, die Regelungen des 2. Abschnitts der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A-EG) sowie die bisherige Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) einbezogen. Mit der Einbeziehung des 2. Abschnitts der VOL/A und der VOF werden bisher unter dem Gesetz und den Verordnungen stehende Vergabe- und Vertragsordnungen »höher qualifiziert« und in den Bereich der Verordnungen aufgenommen. Demgegenüber bleibt die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, der 2. Abschnitt der VOB/A, gemäß § 2 VgV für die herkömmlichen öffentlichen Auftraggeber als Vergabe- und Vertragsordnung erhalten. Begründet ist dies vom Verordnungsgeber mit den Besonderheiten bei Bauvergaben und damit, dass sonst die neue Vergabeverordnung überfrachtet worden wäre. In diesem Bereich besteht mithin das dreistufige Kaskadenprinzip fort, dessen dritte, d. h. unterste Stufe, eigentlich aufgelöst werden sollte und ansonsten auch aufgelöst wurde.

Im bisherigen deutschen Vergaberecht, das sich mit den Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte befasst, sind vergleichbare Sachverhalte in nicht wenigen Fällen an verschiedenen Stellen und teilweise ohne ersichtlichen Grund inhaltlich unterschiedlich geregelt. Dem wird durch die neuen Regelungen entgegengewirkt, indem die wesentlichen Vorgaben nun umfassend im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gebündelt sind. Dort sind die Grundsätze der Vergabe (§ 97), der Anwendungsbereich (§§ 98 ff.), die Verfahrensarten (§ 119), die neuen Vorgaben der EU-Richtlinien für die Änderung von Aufträgen während der Vertragslaufzeit und für die Kündigung (§§ 132, 133), die Gründe für den Ausschluss von einem Vergabeverfahren (§§ 123, 124) und die grundsätzlichen Anforderungen an Eignung und Zuschlag (§§ 122, 127) zu finden. Für Konzessionen ist auf § 154 GWB zu verweisen, der die dort genannten Vergaberegelungen für anwendbar erklärt. Neu strukturiert sind auch die Vergabeverordnung, die Sektorenverordnung, die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit und die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A). Diese Normen regeln aufgrund von Ermächtigungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Einzelheiten des Vergabeverfahrens. Ganz wesentlich ist, dass jede dieser Regelungen (ggf. unter Rückgriff auf das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) für sich vollständig ist und dem Anwender als eigenständiger Regelungskomplex zur Verfügung steht. Die Vergabeverfahren für Liefer- und Dienstleistungen (die frühere VOL/A-EG) sowie für freiberufliche Leistungen (die frühere VOF) sind, wie bereits ausgeführt, in die Vergabeverordnung integriert und dort zusammengeführt. Die spezifischen Vergabevorschriften zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen (bislang Kapitel 3 der VOF) und die Vorschriften zu Wettbewerben (Auslobungsverfahren) im Bereich der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens (bislang Kapitel 2 der VOF) sind als neue Abschnitte 5 und 6 in der Vergabeverordnung hervorgehoben. Bauspezifische Vergabeverfahren werden weiterhin in der VOB/A durch den Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen geregelt. Damit wird den Besonderheiten der Bauleistungen bei öffentlichen Aufträgen Rechnung getragen. Die Konzessions-Richtlinie der EU ist in einer eigenständigen Rechtsverordnung, der Konzessionsvergabeverordnung, umgesetzt, wobei die spezifischen Belange der Baukonzession berücksichtigt sind. Außerdem hat der Gesetzgeber angekündigt, nach der Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien zeitnah den Anpassungsbedarf für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte zu prüfen.

Hinweis für die Praxis:

Der bisherige dreistufige Aufbau des Vergaberechts ist, abgesehen von der Beibehaltung dieses Aufbaus im Bereich der VOB, entfallen. Das GWB ist als Basis des Vergaberechts erheblich erweitert und gestärkt, die Vergaberechtsmodernisierungsverordnung umfasst mehrere Verordnungen, die jeweils spezielle Regelungen und grundsätzlich einen für den Anwender in sich geschlossenen Anwendungsbereich enthalten.

B.
Wesentliche Veränderungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

1. Neuer Aufbau des GWB

Das GWB regelte bisher in seinem 4. bis 6. Teil die Vergabe öffentlicher Aufträge in den §§ 97 bis 131. Es umfasst nunmehr in diesen Teilen die §§ 97 bis 186. Diese fast Verdreifachung der Regelungen hat ihren Grund zum einen darin, dass der Gesetzgeber die Richtlinien der EU umfassend in das Gesetz übertragen hat, zum anderen, dass ihm eine Verankerung der Vergaberegelungen unmittelbar im Gesetz und nicht lediglich in Verordnungen wichtig war. Um die praktische Anwendung des Gesetzes zu erleichtern, sind der Ablauf des Vergabeverfahrens von der Leistungsbeschreibung bis zur Prüfung von Ausschlussgründen, die Eignungsprüfung, der Zuschlag bis hin zu den Bedingungen für die Ausführung des Auftrags sowie Änderungen und Kündigungen erstmals im Gesetz geregelt.

Der neue Teil 4 des GWB (Vergabe von öffentlichen Aufträgen und – neu – Konzessionen) gliedert sich im Kapitel 1 in die Abschnitte 1 bis 3. Abschnitt 1 umfasst Grundsätze, Definitionen und Anwendungsbereich. Abschnitt 2 enthält die wesentlichen Vorschriften für die klassische öffentliche Auftragsvergabe, d. h. für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber. In diesem Abschnitt sind insbesondere geregelt: Leistungsbeschreibung (§ 121), Eignung (§ 122), Ausschlussgründe (§§ 123, 124), Selbstreinigung (§ 125), Auftragsänderungen (§ 132), Kündigungen (§ 133) und Unwirksamkeit von Verträgen (§