Alexandre Dumas

 

Die drei Musketiere

Band 2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Cover: Gemälde "Das Trinkgelage" von Jakob Emanuel Gaisser

Covergestaltung: nexx verlag gmbh, 2015

 

ISBN/EAN: 9783958702257

 

Rechtschreibung und Schreibweise des Originaltextes wurden behutsam angepasst.

 

www.nexx-verlag.de

 

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Die Equipirungsjagd

Der ängstlichste von den vier Freunden war offenbar d’Artagnan, obwohl er als Gardist viel leichter auszurüsten war als die Musketiere. Alle Erkundigungen, die er über Madame Bonacieux einzog, blieben erfolglos. Monsieur de Treville hatte mit der Königin gesprochen; die Königin wusste nicht, wo die junge Frau war, und versprach, sie suchen zu lassen. Aber diese Zusage diente d’Artagnan wenig zur Beruhigung.

Athos verließ sein Zimmer nicht, er war entschlossen, keinen Schritt seiner Ausrüstung wegen zu unternehmen.

»Es bleiben uns vierzehn Tage«, sagte er zu seinen Freunden. »Gut, habe ich oder vielmehr hat sich nach deren Verlauf nichts gefunden, dann werde ich, da ich ein zu guter Katholik bin, um mir mit einem Pistolenschuss die Hirnschale zu zerschmettern, einen ehrlichen Streit mit vier Leibwachen Seiner Eminenz oder mit acht Engländern suchen und mich schlagen, bis mich einer tötet, was schließlich nicht ausbleiben kann. Man wird dann sagen, ich sei im Dienste des Königs gefallen, und ich werde meinen Dienst getan haben, ohne dass ich mich auszurüsten brauche.«

Porthos ging fortwährend, die Hände auf dem Rücken und den Kopf schüttelnd, auf und ab und sagte: »Ich habe meine Gedanken«, und Aramis sah sorgenvoll und angegriffen aus und sagte gar nichts.

Man sieht, dass die Verzweiflung Oberhand gewann. Die Lakaien teilten die trübe Stimmung ihrer Herren: Mousqueton kaufte Brotvorräte ein, Bazin verließ die Kirche nicht mehr, Planchet beobachtete den Flug der Mücken, und Grimaud, den das allgemeine Unglück nicht dazu bringen konnte, dass er das ihm von seinem Herrn auferlegte Stillschweigen gebrochen hätte, stieß so herzzerreißende Seufzer aus, dass sich die Steine hätten erbarmen mögen.

Die drei Freunde, denn Athos hatte, wie gesagt, geschworen, keinen Schritt für seine Ausrüstung zu tun, gingen im frühen Morgen aus und kehrten sehr spät heim. Sie irrten in den Straßen umher und betrachteten jeden Pflasterstein, um zu sehen, ob nicht etwa ein Vorübergehender seine Börse hätte fallen lassen. Wenn sie sich begegneten, richteten sie verzweiflungsvolle Blicke aufeinander, die zu fragen schienen: Hast du etwas gefunden?

Da jedoch Porthos zuerst einen Gedanken gehabt und diesen sodann mit der größten Beharrlichkeit verfolgt hatte, dann war er auch der erste, der ans Werk ging. D’Artagnan sah ihn eines Tages zur Kirche Saint-Leu pilgern und folgte ihm unwillkürlich. Er trat in den heiligen Ort ein, nachdem er zuvor seinen Schnurrbart in die Höhe gestrichen und den Knebelbart langgezogen hatte, was bei ihm stets einen Eroberungszug andeutete. Er lehnte sich an die eine Seite eines Pfeilers, d’Artagnan, stets unbemerkt, an die andere.

Es wurde gerade eine Predigt gehalten, weshalb die Kirche sehr voll war. Porthos benutzte diesen Umstand, um die Frauen ins Auge zu fassen. Infolge Mousquetons Bemühungen ließ sein Äußeres nicht auf die Trübsal seines Innern schließen.

D’Artagnan bemerkte auf einer Bank, zunächst dem Pfeiler, an dem Porthos und er lehnten, eine ziemlich reife Schönheit, etwas vertrocknet, aber steif und hochmütig unter ihrer schwarzen Haube. Die Augen unseres Porthos senkten sich verstohlen auf die Dame und schweiften sodann wieder im Schiff der Kirche umher.

Die Dame, die von Zeit zu Zeit errötete, schleuderte mit Blitzesschnelle einen Blick auf den flatterhaften Porthos, und sogleich fing Porthos wieder an, seine Augen mit aller Macht umherirren zu lassen. Offenbar stachelte dieses Benehmen die Dame mit der Haube ganz ungemein auf; denn sie biss sich in die Lippen, kratzte sich an der Nase und rückte verzweiflungsvoll auf ihrem Stuhl hin und her.

Als dies Porthos merkte, strich er seinen Schnurrbart abermals in die Höhe, zog seinen Knebelbart zum zweiten Mal lang und fing an, einer schönen Dame, die nicht nur schön, sondern auch ohne Zweifel eine vornehme Dame war, denn ein Negerjunge brachte ihr das Kissen, auf dem sie kniete, und eine Kammerfrau hinter ihr hielt die mit einem Wappen gestickte Tasche, worin ihr Gebetbuch verwahrt wurde, den Hof zu machen.

Die Dame mit der schwarzen Haube verfolgte Porthos’ Blick auf allen seinen Irrfahrten und erkannte, dass er auf die Dame mit dem Samtkissen, dem Negerjungen und der Kammerfrau geheftet blieb.

Währenddessen blinzelte Porthos mit den Augen, legte die Finger auf seine Lippen und lächelte wiederholt in so unwiderstehlicher Weise, dass es der verschmähten Schönen durch Mark und Bein ging.

Sie stieß daher in Form eines mea culpa und sich an die Brust schlagend ein so kräftiges Hm! aus, dass alle und sogar die Dame mit dem roten Kissen sich umwandten. Porthos hielt stand. Er hatte wohl verstanden, aber er spielte den Tauben.

Die sehr schöne Dame mit dem roten Kissen brachte eine mächtige Wirkung auf die Dame mit der schwarzen Haube hervor, die in ihr eine ernsthafte Nebenbuhlerin erblickte, und auch auf Porthos, der sie viel jünger und auch viel hübscher fand, als die Dame mit der schwarzen Haube, endlich auch auf d’Artagnan, der in ihr die Dame von Meung erkannte, die der Mann mit der Narbe als Mylady begrüßt hatte.

Ohne die Dame mit dem roten Kissen aus den Augen zu verlieren, fuhr d’Artagnan fort, auf Porthos zu achten, dessen Benehmen ihn im höchsten Grade belustigte. Er erriet, dass die Dame mit der schwarzen Haube die Prokurator-Frau war.

Die Predigt war zu Ende. Die Dame ging auf den Weihkessel zu. Porthos kam ihr zuvor und steckte statt eines Fingers die ganze Hand hinein. Die Dame lächelte, im Glauben, Porthos tue dies um ihretwillen, aber sie wurde schnell und grausam enttäuscht. Als sie nur noch drei Schritte von ihm entfernt war, drehte er den Kopf und heftete seine Augen unveränderlich auf die Dame mit dem roten Kissen, die sich erhoben hatte und mit ihrem Negerjungen und der Kammerfrau näher kam. Als sie nahe bei Porthos war, zog dieser seine triefende Hand aus dem Weihkessel. Die schöne Andächtige berührte mit ihrer zarten Porthos’ plumpe Hand, machte lächelnd das Zeichen des Kreuzes und verließ die Kirche.

Das war zu viel für die Verschmähte, sie zweifelte nicht mehr daran, dass diese Dame und Porthos in einem Liebesverhältnis standen. Wäre sie eine vornehme Dame gewesen, dann würde sie in Ohnmacht gefallen sein, da sie aber nur eine Prokurator-Frau war, dann begnügte sie sich, mit verhaltener Wut zu Porthos zu sagen: »Ei, Monsieur Porthos, Ihr bietet mir kein Weihwasser?«

Porthos machte beim Klang dieser Stimme eine Bewegung, etwa wie ein Mensch, der nach einem Schlaf von hundert Jahren erwacht.

»Ma… Madame!« rief er, »seid Ihr es wirklich? Wie befindet sich Euer Gemahl, der liebe Monsieur Coquenard? Ist er noch immer so ein großer Filz wie früher? Wo hatte ich denn die Augen, dass ich Euch während der zwei Stunden der Predigt nicht einmal bemerkte?«

»Ich war nur zwei Schritte von Euch entfernt, Monsieur, aber Ihr bemerktet mich nicht, weil Ihr nur Augen für die schöne Dame hattet, der Ihr soeben Weihwasser botet.«

Porthos stellte sich, als geriete er in Verlegenheit.

»Ah!« sagte er, »Ihr habt wahrgenommen …«

»Man müsste blind sein, um es nicht zu sehen.«

»Ja«, sagte Porthos lächelnd, »es ist eine Herzogin, eine Freundin von mir, mit der ich wegen der Eifersucht ihres Gatten nur unter den größten Schwierigkeiten zusammenkommen kann, und die mich benachrichtigt hatte, sie würde heute, nur um mich zu sehen, in dieser baufälligen Kirche, in dieser abgelegenen, öden Gegend erscheinen.«

»Monsieur Porthos, würdet Ihr wohl die Güte haben, mir den Arm auf fünf Minuten zu bieten? Ich möchte gern mit Euch sprechen.«

»Wie, Madame!« sagte Porthos, sich selbst zublinzelnd, wie ein Spieler, der über den Toren lacht, den er zu fangen im Begriff ist.

In diesem Augenblick ging d’Artagnan, Mylady verfolgend, vorüber. Er warf Porthos einen Seitenblick zu und las den Triumph in seinem Auge. »Ei, ei«, sagte er zu sich selbst, »da ist einer, der wohl in der vorgeschriebenen Frist ausgerüstet sein wird.«

Dem Druck des Armes seiner Prokurator-Frau wie eine Barke dem Steuerruder nachgebend, gelangte Porthos in einen wenig besuchten, an beiden Enden durch Drehkreuze geschlossenen Gang.

»Ah, Monsieur Porthos«, rief die Prokurator-Frau, nachdem sie sich versichert hatte, dass sie von niemand gesehen oder gehört werden konnten, »Ihr seid, wie es scheint, ein großer Eroberer.«

»Ich, Madame?« fragte Porthos, sich spreizend. »Und wieso?«

»Nun, die Zeichen von vorhin und das Weihwasser soeben! Es ist mindestens eine Prinzessin, diese Dame mit ihrem Negerjungen und ihrer Kammerfrau.«

»Ihr täuscht Euch. Mein Gott, es ist nur eine Herzogin.«

»Und der Läufer, der an der Tür wartete, und die Karosse mit dem Kutscher in großer Livree.«

Porthos hatte weder Läufer noch Karosse gesehen, aber mit dem Blick der Eifersucht hatte Madame Coquenard alles wahrgenommen. Porthos bedauerte, dass er die Dame mit dem roten Kissen nicht auf den ersten Schlag zu einer Prinzessin gemacht hatte.

»Ah, Ihr seid der Liebling der Schönen, Monsieur Porthos«, versetzte die Prokurator-Frau seufzend. – »Ihr mögt wohl denken«, erwiderte Porthos, »dass es mir bei einem Äußeren, wie es mir die Natur vergönnt hat, nicht an Glück fehlen kann.« – »Mein Gott, wie schnell Männer doch vergessen!« rief die Prokurator-Frau, die Augen zum Himmel erhebend. – »Mir scheint es, weniger schnell als die Frauen, denn schließlich kann ich wohl sagen, dass ich Euer Opfer war, als ich mich verwundet und sterbend, von den Ärzten verlassen sah. Ich, der Sprössling einer erhabenen Familie, der ich mich Eurer Freundschaft anvertraut hatte, wäre in einer schlechten Herberge in Chantilly anfangs beinahe an meinen Wunden und dann vor Hunger gestorben, und zwar, ohne dass Ihr mich nur einer Antwort auf die dringenden Briefe würdigtet, die ich an Euch schrieb.« – »Aber, Monsieur Porthos …« murmelte die Prokurator-Frau, die einsah, dass sie im Unrecht war. – »Ich, der ich für Euch die Comtesse de Penaflor opferte!« – »Ich weiß es wohl.« – »Die Baronesse de …« – »Monsieur Porthos, peinigt mich nicht.« – »Die Comtesse de …« -»Monsieur Porthos, seid edelmütig!« – »Ihr habt recht, Madame, ich werde nicht vollenden.« – »Die Schuld liegt an meinem Mann, der nichts von Darlehen hören will.« – »Madame Coquenard«, sagte Porthos, »erinnert Euch des ersten Briefes, den Ihr mir geschrieben habt, und der tief in mein Herz geprägt ist.«

Die Prokurator-Frau vergoss eine Träne und sagte: »Monsieur Porthos, ich schwöre Euch, dass Ihr mich schwer bestraft habt und dass, wenn Ihr Euch in Zukunft in einer ähnlichen Verlegenheit befindet, nur an mich wenden dürft.«

»Pfui, Madame«, rief Porthos empört, »sprechen wir nicht von Geld, wenn es Euch beliebt, denn das ist demütigend.«

»Also liebt Ihr mich nicht mehr?« fragte die Prokurator-Frau langsam und traurig.

Porthos beobachtete ein würdevolles Stillschweigen.

»Also auf diese Weise antwortet Ihr mir? Ach! Ich begreife!« – »Denkt an die Beleidigung, die Ihr mir zugefügt habt. Sie ist hier haften geblieben«, sagte Porthos und presste die Hand an sein Herz. – »Ich werde sie wiedergutmachen, hört wohl, mein lieber Porthos.« – »Überdies, was verlangte ich von Euch?« versetzte Porthos, gutmütig mit der Schulter zuckend, »eine Anleihe, nichts weiter; im ganzen bin ich kein unbilliger Mensch, ich weiß, dass Ihr nicht reich seid, Madame Coquenard, und dass Euer Mann die armen Prozesskrämer besteuern muss, um ihnen ein paar Taler abzulocken. Oh! wenn Ihr eine Gräfin, eine Marquise oder eine Herzogin wäret, dann wäre es etwas ganz anderes, und ich wüsste keine Entschuldigung für Euch zu finden.«

Die Prokurator-Frau erwiderte gereizt: »Wisst, Porthos, dass meine Geldkasse vielleicht besser gespickt ist, als die aller Eurer zugrunde gerichteten Zierpüppchen.« – »Das ist eine doppelte Beleidigung für mich«, sagte Porthos, seinen Arm von dem der Prokurator-Frau losmachend, »denn wenn Ihr reich seid, Madame Coquenard, dann ist Eure Weigerung völlig unentschuldbar.« – »Wenn ich Euch sage reich«, erwiderte die Prokurator-Frau, die sah, dass sie sich etwas zu weit hatte fortreißen lassen, »so darf man meine Worte nicht buchstäblich nehmen. Ich bin nicht reich, aber wohlhabend.« – »Gut, Madame«, sagte Porthos. »Reden wir nicht mehr hiervon, ich bitte Euch. Ihr habt mich verkannt, jede Sympathie ist zwischen uns erloschen.« – »Undankbarer Mensch!« – »Ihr habt wohl ein Recht, Euch zu beklagen.« – »Geht also mit Eurer Herzogin. Ich halte Euch nicht zurück.« – »Ach, Madame«, entgegnete Porthos, mit dem schwermütigsten Ton, den er anzunehmen vermochte, »wenn wir in einen Krieg ziehen, in einen Krieg, wo mir meine Ahnungen sagen, dass ich meinen Tod finden werde …« – »Oh! spricht nicht solche Dinge«, rief die Prokurator-Frau und brach in ein Schluchzen aus. – »Irgendetwas sagt mir dies«, fuhr Porthos, immer schwermütiger werdend, fort. – »Gesteht vielmehr, dass Ihr eine neue Liebe hegt.« – »Nein, gewiss nicht, ich rede offenherzig mit Euch. Kein neuer Gegenstand rührt mich, und ich fühle, dass sogar hier im Grunde meines Herzens etwas für Euch spricht. Aber in vierzehn Tagen wird dieser unselige Feldzug eröffnet, und ich sehe mich durch meine Ausrüstung in Anspruch genommen. Darum muss ich eine Reise zu meiner Familie machen, die im entferntesten Teil der Bretagne wohnt, um die erforderlichen Summen zu erhalten.«

Porthos bemerkte einen letzten Kampf zwischen der Liebe und dem Geiz.

»Und da die Güter der Herzogin«, fuhr er fort, »die Ihr eben in der Kirche gesehen habt, bei den meinigen liegen, machen wir die Reise miteinander. Eine Reise ist bekanntlich viel kurzweiliger, wenn man sie zu zweit macht.« – »Ihr habt also keine Freunde in Paris, Monsieur Porthos?« – »Ich glaubte, welche zu haben«, erwiderte Porthos mit seiner schwermütigen Miene, »aber ich habe eingesehen, dass ich mich täuschte.« – »Ihr habt Freunde, Monsieur Porthos, Ihr habt«, versetzte die Prokurator-Frau mit einer Begeisterung, über die sie selbst erstaunte. »Ihr seid der Sohn meiner Tante, folglich mein Vetter. Ihr kommt aus Noyon in der Picardie; Ihr habt mehrere Prozesse in Paris und keinen Prokurator. Werdet Ihr dies alles wohl behalten?« – »Vollkommen, Madame.« – »Kommt zur Mittagszeit.« – »Sehr gut.« – »Und haltet Euch fest an meinen Mann, der es trotz seiner sechsundsiebzig Jahre faustdick hinter den Ohren hat.« – »Sechsundsiebzig Jahre! Pest! Was für ein schönes Alter!« – »Hohes Alter, wollt Ihr sagen, Monsieur Porthos. Der liebe alte Mann kann mich auch jeden Augenblick zur Witwe machen«, fuhr sie mit einem vielsagenden Blick fort. »Glücklicherweise ist nach dem unter uns abgeschlossenen Heiratsvertrag der überlebende Teil Erbe des ganzen Vermögens.« – »Des ganzen?« sagte Porthos. – »Des ganzen.« – »Ihr seid eine vorsichtige Frau, wie ich sehe, meine liebe Madame Coquenard«, sagte Porthos, der Prokurator-Frau zärtlich die Hand drückend. – »Wir sind also ausgesöhnt, lieber Monsieur Porthos«, sagte sie geziert. – »Fürs ganze Leben«, antwortete Porthos ebenso. – »Auf Wiedersehen also, mein Verräter.« – »Auf Wiedersehen, meine Vergessliche.« – »Morgen, mein Engel?« – »Morgen, Flamme meines Lebens!«

 

Mylady

D’Artagnan war Mylady gefolgt, ohne dass er von ihr bemerkt wurde. Er sah sie in den Wagen steigen und hörte sie dem Kutscher Befehl geben, nach Saint-Germain zu fahren.

D’Artagnan kehrte zur Rue Ferou zurück. In der Rue de la Seine traf er Planchet. Er gab ihm Befehl, zwei Pferde in den Ställen des Monsieur de Treville zu satteln und ihn bei Athos damit abzuholen. Monsieur de Treville hatte d’Artagnan ein für alle Mal seine Ställe zur Verfügung gestellt.

Planchet begab sich in die Rue du Colombier, d’Artagnan in die Rue Pérou. Athos war zu Hause und leerte in trauriger Stimmung eine von den Flaschen des spanischen Weines, den er von seiner Reise in die Picardie mitgebracht hatte. Er gab Grimaud ein Zeichen, für d’Artagnan ein Glas zu bringen.

D’Artagnan erzählte dann Athos alles, was sich in der Kirche zwischen Porthos und der Prokuratorin zugetragen hatte, und wie wahrscheinlich schon zu dieser Stunde ihr Freund auf dem Weg sei, sich seine Ausrüstung zu beschaffen.

»Was mich anbelangt«, erwiderte Athos darauf, »so bin ich unbesorgt, mir werden die Frauen meine Ausrüstung nicht verschaffen.« – »Und doch würden einem so hübschen, galanten, hohen Herrn, wie Ihr seid, mein lieber Athos, weder Prinzessinnen noch Königinnen ihr Herz verschließen.« – »Wie jung doch dieser d’Artagnan ist!« sagte Athos mit einem Achselzucken und gab Grimaud ein Zeichen, eine zweite Flasche zu bringen.

In diesem Augenblick steckte Planchet bescheiden den Kopf durch die halb geöffnete Tür und meldete seinem Herrn, dass die beiden Pferde bereit ständen.

»Welche Pferde?« fragte Athos, »Zwei, die Monsieur de Treville mir für meine Spazierritte leiht, und mit denen ich mich nach Saint-Germain begeben will.« – »Und was wollt Ihr in Saint-Germain?« fragte Athos wieder.

Da erzählte ihm d’Artagnan seine Begegnung in der Kirche und dass er die Frau wiedergesehen habe, die, wie der Mann im schwarzen Mantel und mit der Narbe an der Schläfe, ihm nie aus dem Kopf gegangen war.

»Das heißt, Ihr seid in sie verliebt, wie Ihr es in Madame Bonacieux wurde«, sagte Athos und zuckte verächtlich mit den Achseln, als hätte er mit dieser menschlichen Schwäche Mitleid. – »Ich? Keineswegs!« rief d’Artagnan. »Ich möchte nur das Geheimnis lüften, in das sie sich hüllt. Ich weiß nicht warum, aber ich bilde mir ein, diese Frau, so unbekannt sie mir ist, übt einen Einfluss auf mein Leben aus.«

»Im Grunde habt Ihr recht«, sagte Athos, »ich kenne nicht eine Frau, die der Mühe wert wäre, dass man sie suche, wenn sie verloren ist. Madame Bonacieux ist verloren, umso schlimmer für sie, mag sie zusehen, wie sie wiedergefunden wird.«

»Nein, Athos, nein, Ihr täuscht Euch«, sagte d’Artagnan, »ich liebe meine arme Konstanze mehr als je, und wenn ich wüsste, wo sie ist, würde ich aufbrechen und – wäre es am Ende der Welt – sie den Händen ihrer Feinde entreißen.« – »Zerstreut Euch also mit Mylady, mein lieber d’Artagnan, ich wünsche es Euch von ganzem Herzen, wenn Euch dies unterhalten kann.«

»Hört, Athos«, sagte d’Artagnan, »anstatt Euch da so einzusperren, reitet lieber mit mir nach Saint-Germain.« – »Mein Lieber«, antwortete Athos, »ich reite nur auf eigenen Pferden, wenn ich welche habe, wenn nicht, dann gehe ich zu Fuß.« – »Nun«, erwiderte d’Artagnan, indem er über die Unfreundlichkeit lächelte, die ihn bei jedem andern als bei Athos sicherlich verletzt hätte, »ich bin weniger stolz als Ihr und besteige jedes Pferd. Also auf Wiedersehen, mein lieber Athos.« - »Auf Wiedersehen«, sagte der Musketier, indem er Grimaud ein Zeichen gab, die Flasche zu entkorken, die er eben gebracht hatte.

D’Artagnan und Planchet sprangen in den Sattel und schlugen die Straße nach Saint-Germain ein.

Er schaute, durch eine ziemlich öde Straße reitend, rechts und links, ob er nicht irgendeine Spur von seiner schönen Engländerin finden könnte, als er im Erdgeschoß eines hübschen Hauses ein bekanntes Gesicht erblickte. Planchet erkannte den Träger dieses Gesichts, der auf einer mit Blumen geschmückten Terrasse spazieren ging.

»Ei, Monsieur«, sagte er, sich an d’Artagnan wendend, »erinnert Ihr Euch dieses Gesichts nicht mehr, das dort Maulaffen feil hält?«

»Nein, und doch weiß ich gewiss, dass ich diesen Menschen nicht zum ersten Mal sehe.« - »Bei Gott, ich glaube es wohl, das ist der arme Lubin, der Lakai des Comte de Wardes, den Ihr vor einem Monat in Calais auf dem Weg zum Landhaus des Gouverneurs so übel zugerichtet habt.«

»Ach! Ja, so ist’s, ich erkenne ihn nun wieder. Glaubst du, dass er dich auch erkennt?«

»Wahrhaftig, Monsieur, er war so voll Angst, dass ich nicht glaube, dass ich ihm im Gedächtnis geblieben bin.«

»Nun, geh’ und rede mit dem Burschen, erkundige dich, ob sein Herr noch lebt.«

Planchet stieg ab, ging gerade auf Lubin zu, der ihn wirklich nicht erkannte, und die beiden Bedienten fingen an, in schönster Eintracht miteinander zu plaudern, während d’Artagnan die Pferde in ein Gässchen trieb, rund um ein Haus ritt und zurückkehrte, um hinter einem Haselnuss-Strauch das Gespräch anzuhören.

Kaum hatte er sich einen Augenblick seinen Beobachtungen hingegeben, als er Wagengerassel vernahm und Myladys Prunkwagen ihm gegenüber anhielt. Er konnte sich nicht täuschen. Mylady saß darin. D’Artagnan legte sich auf den Hals seines Pferdes, um alles zu sehen, ohne gesehen zu werden. Mylady schaute mit ihrem reizenden blonden Kopf aus dem Kutschenschlag heraus und gab ihrer Zofe Befehle. Diese, ein hübsches, lebhaftes, flinkes Mädchen, sprang von dem Fußtritt herab und wandte sich zur Terrasse, wo d’Artagnan Lubin bemerkt hatte.

D’Artagnan folgte der Zofe mit den Augen und sah sie zur Terrasse gehen. Zufälligerweise aber hatte ein Befehl aus dem Inneren des Hauses Lubin hineingerufen, und Planchet war allein geblieben. Die Kammerfrau näherte sich Planchet, den sie für Lubin hielt, gab ihm ein Billett und sagte: »Für Euern Herrn.«

»Für meinen Herrn?« fragte Planchet sehr erstaunt.

»Ja – und es eilt – nehmt also geschwind!«

Hierauf ging sie zum Wagen zurück, der wieder, nachdem sie aufgesprungen war, zurückfuhr.

Planchet wandte das Billett um und um, lief dann von der Terrasse hinab, eilte in das Gässchen und traf nach zwanzig Schritten seinen Herrn, der alles gesehen hatte und ihm entgegen kam. »Für Euch, Monsieur«, sagte Planchet, das Billett dem jungen Mann überreichend.

»Für mich? Bist du dessen ganz gewiss?«

»Bei Gott, ganz gewiss, die Zofe sagte: ›Für deinen Herrn‹. Ich habe keinen andern Herrn außer Euch, also … Ein hübscher Bissen von einem Mädchen, diese Zofe, wahrhaftig.«

D’Artagnan öffnete den Brief und las folgende Worte:

»Eine Person, die sich mehr für Euch interessiert, als sie sagen kann, wünscht zu wissen, an welchem Tag sie Euch im Wald treffen kann. Morgen erwartet ein schwarzrot gekleideter Bedienter im Gasthof zum ›Goldenen Feld‹ Eure Antwort.«

»Oh! Oh!« sagte d’Artagnan zu sich selbst, »das ist ein lebhaftes Tempo. Es scheint, Mylady und ich interessieren uns für denselben Patienten. Nun, Planchet, lasst hören, wie befindet sich der Comte de Wardes? Er ist also nicht tot?«

»Nein, Monsieur, es geht ihm so gut, als es einem mit vier Degenstichen im Leibe gehen kann, denn Ihr habt diesem Edelmann vier ganz tadellose beigebracht, und er ist noch sehr schwach, da er beinahe all sein Blut verloren hat. Lubin erkannte mich nicht und erzählte mir das ganze Abenteuer von Anfang bis zum Ende.«

»Sehr gut, Planchet, du bist der König der Lakaien. Jetzt steig aufs Pferd, und wir wollen dem Wagen nachreiten.«

Das dauerte nicht lange. Nach fünf Minuten erblickte man den Wagen, der auf der Straße still hielt, ein reichgekleideter Kavalier befand sich am Kutschenschlag.

Das Zwiegespräch zwischen Mylady und dem Kavalier war so lebhaft, dass d’Artagnan auf der andern Seite des Wagens haltmachte, ohne dass jemand, außer der hübschen Zofe, seine Gegenwart bemerkte.

Die Unterredung fand in englischer Sprache statt, von der d’Artagnan nichts verstand, aber am Ausdruck glaubte der junge Mann zu erkennen, dass die schöne Engländerin sehr erzürnt war. Sie schloss mit einer Gebärde, die ihm keinen Zweifel über die Natur der Unterhaltung ließ, das heißt, mit einem heftigen Schlag mit dem Fächer, so dass dieser in tausend Stücke zersplitterte.

Der Reiter brach in ein Gelächter aus, das Mylady in Verzweiflung zu bringen schien. D’Artagnan meinte, das sei der geeignete Augenblick, sich bemerkbar zu machen; er näherte sich dem Kutschenschlag, zog ehrfurchtsvoll seinen Hut und sagte: »Madame, erlaubt mir, Euch meine Dienste anzubieten. Es scheint mir, dieser Kavalier hat Euch in Zorn gebracht, spricht ein Wort und ich übernehme es, ihn für seinen Mangel an Höflichkeit zu bestrafen.«

»Mein Herr«, antwortete sie in gutem Französisch, »mit freudigem Herzen würde ich mich unter Euern Schutz stellen, wenn es nicht mein Bruder wäre.«

»Oh! Dann verzeiht mir«, sagte d’Artagnan, »Ihr begreift, dass ich das nicht wusste, Madame.«

»Was hat sich denn dieser Narr in unsere Angelegenheit zu mischen«, rief, sich zum Kutschenschlag herabbeugend, der Kavalier, den Mylady als ihren Bruder bezeichnet hatte.

»Selbst Narr«, erwiderte d’Artagnan, sich ebenfalls auf den Hals seines Pferdes herabbeugend und durch den Kutschenschlag redend.

Der Kavalier richtete einige englische Worte an seine Schwester.

»Ich spreche französisch mit Euch«, rief d’Artagnan; »ich bitte Euch also, macht mir das Vergnügen und antwortet mir in derselben Sprache. Ihr seid der Bruder dieser Dame, gut! Aber Ihr seid glücklicherweise nicht mein Bruder.«

Man hätte glauben sollen, Mylady würde mit weiblicher Ängstlichkeit gleich beim Ausbruch des Streites zu vermitteln suchen, aber sie warf sich im Gegenteil in ihren Wagen zurück und rief dem Kutscher kalt zu: »Fahr zum Hotel!«

Die hübsche Zofe warf einen unruhigen Blick auf d’Artagnan, dessen gefälliges Aussehen einen bestechenden Eindruck auf sie gemacht zu haben schien.

Der Wagen fuhr weiter und ließ die beiden Männer einander gegenüber. Der Engländer machte eine Bewegung, um dem Wagen zu folgen, aber d’Artagnan fiel ihm in die Zügel und hielt ihn zurück.

»Ei!« sagte er, »Ihr scheint mir noch mehr Narr zu sein als ich, denn es kommt mir vor, als wolltet Ihr vergessen, dass wir eben in Streit geraten waren.«

»Ah«, sagte der Engländer, »Ihr seid es? Ihr müsst also immer spielen?«

»Ja, und das erinnert mich daran, dass ich noch eine Revanche zu nehmen habe. Wir wollen sehen, mein lieber Herr, ob Ihr den Degen auch so geschickt schwingen könnt wie den Würfelbecher.«

»Ah! Ah!« entgegnete der Engländer, »Ihr müsst sehen, dass ich keinen Degen bei mir habe. Wollt Ihr gegen einen Unbewaffneten den Tapferen spielen?« – »Ich hoffe, Ihr werdet zu Hause einen besitzen. Jedenfalls habe ich zwei, und wenn Ihr wollt, dann würfle ich um einen mit Euch.« – »Unnötig, ich bin hinreichend mit dergleichen versehen.« – »Gut, Monsieur, wählt Euren längsten Degen und zeigt ihn mir heute Abend.« – »Wo, wenn ich bitten darf?« – »Hinter dem Luxembourg, das ist ein allerliebstes Plätzchen für Spaziergänge, wie ich sie Euch vorschlage.« – »Schön, man wird sich einfinden.« – »Zu welcher Stunde?« – »Um sechs Uhr.« – »Ihr habt auch wohl ein paar Freunde?« – »Ich habe drei, die sich eine Ehre daraus machen würden, dasselbe Spiel zu spielen, wie ich.« – »Drei? Vortrefflich! Wie sich das trifft!« rief d’Artagnan, »das ist gerade meine Zahl.« – »Und nun, wer seid Ihr?« – »Ich bin d’Artagnan, gascognischer Edelmann, diene bei der Leibwache, Kompanie des Monsieur des Essarts. Und Ihr?« – »Ich bin Lord Winter, Baron von Sheffield.« – »Gut, ich bin Euer Diener, mein Monsieur de Baron.«

Und er spornte sein Ross und galoppierte Paris zu. Wie gewöhnlich bei solchen Gelegenheiten, stieg er unmittelbar bei Athos ab. Er fand diesen auf dem Bett liegend, wo er, wie er sagte, wartete, bis ihn seine Ausrüstung aufsuchen würde. D’Artagnan erzählte Athos, abgesehen von dem Brief an den Comte de Wardes, alles was vorgefallen war. Athos war entzückt, als er erfuhr, dass er sich mit einem Engländer schlagen sollte. Sogleich wurden auch Porthos und Aramis durch die Lakaien von der Lage der Dinge in Kenntnis gesetzt.

D’Artagnan entwarf in aller Stille einen kleinen Plan, von dessen Ausführung wir später hören werden, und der ihm ein anmutiges Abenteuer verhieß, wie man an dem Lächeln sehen konnte, das von Zeit zu Zeit über sein Antlitz flog.

 

Engländer und Franzosen

Zur bestimmten Stunde begab man sich mit den vier Lakaien hinter dem Luxembourg in ein Gehege, wo Ziegen weideten; Athos gab dem Hirten ein Goldstück, damit er sich entfernte. Die Lakaien mussten Wache halten. Bald stellten sich auch die Gegner ein, und es fand nach englischem Brauch die Vorstellung statt, wobei es sich herausstellte, dass die Engländer insgesamt Leute von hohem Stand waren; die sonderbaren Namen ihrer Gegner überraschten sie deshalb nicht nur, sondern sie beunruhigten sie geradezu.

»Aber bei alledem«, sagte Lord Winter, als die drei Freunde sich vorgestellt hatten, »wissen wir noch nicht, wer ihr seid, und wir schlagen uns nicht mit Leuten, die solche Namen führen. So heißen ja Hirten.« – »Es sind auch, wie Ihr wohl vermutet, Mylord«, erwiderte Athos, »angenommene Namen.« – »Umso mehr wünschen wir, die wahren Namen kennenzulernen«, erwiderte der Engländer. – »Auch ohne unsere Namen zu kennen«, versetzte Athos, »habt Ihr so gut mit uns gespielt, dass Ihr uns beide Pferde abgewonnen habt.«

»Das ist wahr, aber wir setzten nur unsere Pistolen aufs Spiel, jetzt geht es um unser Blut. Man spielt mit jedermann, schlägt sich aber nur mit seinesgleichen.« – »Das ist ganz in Ordnung«, meinte Athos und nannte den der vier Engländer, mit welchem er sich schlagen sollte, leise seinen Namen. Porthos und Aramis taten ihrerseits dasselbe.

»Genügt das?« fragte Athos seinen Gegner, »und findet Ihr meine Abkunft vornehm genug, um mir die Ehre zu erweisen, den Degen mit mir zu kreuzen?« – »Ja, Monsieur«, antwortete der Engländer, sich verbeugend. – »Gut! Soll ich Euch nun etwas sagen?« versetzte Athos kalt. – »Was?« fragte der Engländer. – »Ihr hättet besser daran getan, nicht von mir zu fordern, dass ich meinen Namen nenne.« – »Wieso?« – »Weil man mich für tot hält, und ich aus triftigen Gründen wünschen muss, dass mein Geheimnis bewahrt bleibe; ich werde Euch deshalb töten müssen, um eine Entdeckung zu verhüten.«

Der Engländer schaute Athos an und glaubte, dieser scherze, aber Athos scherzte überhaupt nicht.

»Messieurs«, sagte Athos, sich an seine Gefährten und seinen Gegner wendend, »sind wir fertig?« – »Ja«, antworteten alle einstimmig. – »Dann legt aus!«

Und alsbald glänzten acht Degen in den Strahlen der untergehenden Sonne, und rasch begann der Kampf mit einer Erbitterung, die bei dem gegenseitigen Nationalhass ganz natürlich war.

Athos tötete seinen Gegner zuerst. Er hatte ihm nur einen Stoß beigebracht, aber dieser war, wie er vorhergesehen, tödlich gewesen, der Degen drang durch das Herz. Hierauf streckte Porthos seinen Gegner zu Boden, er hatte ihm den Schenkel durchstoßen. Da ihm der Engländer seinen Degen übergab, nahm er ihn in seine Arme und trug ihn in seinen Wagen. Aramis bedrängte seinen Kontrahenten so heftig, dass er ihn, nachdem er ihn fast fünfzig Schritte hinter seine Stellung gedrängt hatte, kampfunfähig machte. D’Artagnan verhielt sich nur abwehrend. Erst als er seinen Gegner sehr ermüdet sah, schlug er ihm mit einem heftigen Querstoß den Degen aus der Faust. Sobald der Baron sich entwaffnet sah, machte er ein paar Schritte rückwärts, aber bei dieser Bewegung glitt sein Fuß aus, und er fiel auf die Erde. D’Artagnan war mit einem Sprung bei ihm und setzte ihm den Degen an die Kehle.

»Ich könnte Euch töten, Monsieur«, sagte er zu dem Engländer, »und Ihr seid in meinen Händen, aber ich schenke Euch Eurer Schwester zuliebe das Leben!«

Entzückt darüber, dass er es mit einem Edelmann von so edlem Charakter zu tun hatte, schloss der Engländer d’Artagnan in seine Arme, sagte den drei Musketieren tausend Schmeicheleien, und da Porthos’ Gegner bereits in den Wagen gebracht war und der von Aramis sich aus dem Staub gemacht hatte, dachte man nur an den Toten.

Als ihn Porthos und Aramis in der Hoffnung, seine Wunde würde doch nicht tödlich sein, entkleideten, fiel eine schwere Börse aus seinem Gürtel. D’Artagnan hob sie auf und reichte sie Lord Winter.

»Ei, zum Teufel, was soll ich denn damit machen?« fragte der Engländer. – »Gebt die Börse seiner Familie zurück!« – »Seine Familie kümmert sich nicht um solche Lappalien. Sie erbt eine Rente von fünfzehntausend Louisdor. Behaltet die Börse für die Lakaien.«

»Gut«, sagte Athos, »aber geben Sie die Börse nicht unseren Lakaien, sondern den englischen.« Er nahm sie und warf sie dem Kutscher zu. »Für dich und deine Kameraden.« Diese großmütige Geste machte auf alle, außer auf Mousqueton, Grimaud, Bazin und Planchet, den besten Eindruck.

»Und nun, mein junger Freund, denn Ihr erlaubt mir hoffentlich, dass ich Euch diesen Namen gebe«, sagte Lord Winter, »noch heute Abend, wenn es Euch genehm ist, stelle ich Euch Lady Clarick, meiner Schwester, vor, denn sie soll Euch ebenfalls gewogen werden, und da sie bei Hof nicht übel angeschrieben ist, wird vielleicht in Zukunft ein Wort von ihr nicht unvorteilhaft für Euch sein.«

D’Artagnan errötete vor Vergnügen und verbeugte sich zum Zeichen der Einwilligung.

Diese Vorstellung bei Mylady beschäftigte die Phantasie unseres Gascogners außerordentlich. Er erinnerte sich, auf wie seltsame Weise diese Frau bis jetzt in sein Geschick verwickelt gewesen war. Nach seiner Überzeugung war sie ein Geschöpf des Kardinals, und dennoch sah er sich unwiderstehlich durch eines jener Gefühle, von denen man sich keine Rechenschaft gibt, zu ihr hingezogen.

D’Artagnan fing damit an, dass er in seinem Zimmer glänzende Toilette machte, dann kehrte er zu Athos zurück und erzählte diesem seiner Gewohnheit gemäß alles. Athos hörte ruhig seine Pläne an, schüttelte den Kopf und empfahl ihm mit einer gewissen Bitterkeit große Vorsicht.

»Wie«, sagte er zu ihm, »Ihr habt soeben eine Frau verloren, die Ihr gut, reizend und vollkommen fandet, und jetzt lauft Ihr schon wieder einer anderen nach?« D’Artagnan fühlte, dass dieser Vorwurf begründet war. »Ich liebe Madame Bonacieux mit dem Herzen, während ich Mylady mit dem Kopf liebe«, sagte er. »Indem ich mich bei ihr einführen lasse, suche ich hauptsächlich mir über eine Rolle klar zu werden, die sie bei Hof spielt.«

»Die Rolle, die sie spielt! Bei Gott, die ist wohl nach allem, was Ihr mir gesagt habt, nicht schwer zu erraten. Sie ist eine Spionin des Kardinals, eine Frau, die Euch in eine Falle locken wird, in der Ihr ganz hübsch Euren Kopf werdet lassen müssen.«

»Teufel, mein lieber Athos, es scheint mir, Ihr seht zu schwarz.« – »Mein Lieber, ich misstraue den Frauen. Kann es anders sein? Ich habe genug leiden müssen, besonders von den Blonden. Mylady ist blond, nicht wahr?« – »Ich habe nie so schönes blondes Haar gesehen.« – »Ach, mein armer d’Artagnan!« seufzte Athos.

»Hört, ich will mir ja nur Klarheit verschaffen. Wenn ich weiß, was ich wissen wollte, halte ich mich fern.« – »Verschafft Euch also Klarheit«, erwiderte Athos phlegmatisch.

Zur bestimmten Zeit erschien Lord Winter und brachte unser Gascogner in einem Prunkwagen zur Place Royale.

Mylady empfing d’Artagnan höchst verbindlich.

»Ihr seht hier«, sagte Lord Winter, »einen jungen Edelmann, der mein Leben in seinen Händen hatte und es doch schonte, obwohl wir doppelte Feinde waren, einmal weil ich ihn beleidigt hatte, und dann weil ich Engländer bin. Dankt ihm also, wenn Ihr einige Freundschaft für mich fühlt.«

Mylady zog die Augenbrauen etwas zusammen. Eine kaum bemerkbare Wolke lagerte sich über ihre Stirn, und ein so seltsames Lächeln erschien auf ihren Lippen, dass der junge Mann, der diese dreifache Äußerung bemerkte, von einem leichten Schauer erfasst wurde.

»Seid willkommen, Monsieur«, sagte Mylady mit einer Stimme, deren Weichheit in seltsamem Widerspruch zu dem von d’Artagnan bemerkten Mienenspiel stand, »denn Ihr habt Euch heute ein ewiges Recht auf meine Dankbarkeit erworben.«

Die hübsche Zofe, die d’Artagnan bereits gesehen hatte, trat ein, sie sagte einige Worte auf Englisch zu Lord Winter, der augenblicklich d’Artagnan um Erlaubnis bat, sich entfernen zu dürfen.

D’Artagnan tauschte einen Händedruck mit Lord Winter und wandte sich wieder Mylady zu, deren Gesicht mit überraschender Beweglichkeit seinen anmutigen Ausdruck wiedergewonnen hatte.

Das Gespräch nahm eine heitere Wendung. Mylady erzählte, dass Lord Winter in Wahrheit nur ihr Schwager und nicht ihr Bruder sei, sie selbst habe dessen jüngeren Bruder geheiratet, der sie als Witwe mit einem Kind zurückgelassen. Dieses Kind sei der einzige Erbe von Lord Winter, wenn er nicht heirate. Das alles kam d’Artagnan wie ein Schleier vor, der etwas verhüllte, aber was dieses Etwas war, vermochte er sich nicht zu denken.

Nach einer Unterredung von einer halben Stunde hatte d’Artagnan indessen die Überzeugung gewonnen, dass Mylady seine Landsmännin war, sie sprach das Französische mit einer Reinheit und Eleganz, dass kein Zweifel übrig blieb. D’Artagnan erging sich in nicht sehr geistreichen, galanten Redensarten und Ergebenheitsbeteuerungen, die Mylady wohlwollend anhörte. Endlich war die Stunde zum Aufbruch gekommen. D’Artagnan verabschiedete sich und verließ den Saal als der glücklichste der Sterblichen.

Auf der Treppe begegnete er der hübschen Zofe, die sanft an ihn anstreifte, bis unter die Augen errötete und ihn mit so weicher Stimme wegen dieser Berührung um Verzeihung bat, dass diese auch augenblicklich bewilligt wurde.

D’Artagnan kam am anderen Tag wieder und wurde noch freundlicher als am Abend vorher empfangen. Lord Winter war nicht anwesend, und Mylady machte die liebenswürdigste Wirtin. Sie schien ein großes Interesse an ihm zu nehmen, fragte ihn, wo er wohne, wer seine Freunde seien, und ob er nicht zuweilen daran gedacht habe, in den Dienst des Kardinals zu treten.

D’Artagnan war, wie man weiß, sehr klug für einen jungen Mann von zwanzig Jahren. Er sprach mit großen Lobeserhebungen von Seiner Eminenz und sagte Mylady, er würde nicht verfehlt haben, bei der Leibwache des Kardinals statt bei der des Königs einzutreten, wenn er zum Beispiel Monsieur de Cavois statt Monsieur de Treville gekannt hätte.

Mylady gab dem Gespräch eine andere Wendung und fragte d’Artagnan mit der harmlosesten Miene, ob er je in England gewesen sei.

D’Artagnan antwortete, er sei von Treville dahin geschickt worden, um wegen eines Ankaufs von Pferden zu unterhandeln, und habe auch vier Stück als Muster mitgebracht. Mylady biss sich im Verlauf des Gesprächs wiederholt auf die Lippen, denn sie erkannte, dass sie es mit einem jungen Mann zu tun hatte, der sich keine Blößen gab.

Zu derselben Stunde wie am Tag vorher zog sich d’Artagnan zurück. Im Flur begegnete er abermals der hübschen Kitty, so hieß die Zofe. Sie schaute ihn mit einem unverkennbaren Ausdruck des Wohlwollens an. Aber d’Artagnan war so sehr mit der Gebieterin beschäftigt, dass er nur für das Auge hatte, was von ihr kam.

Am nächsten Tag kam d’Artagnan abermals und am darauffolgenden ebenso, und jedes Mal wurde ihm ein freundlicher Empfang von Mylady zuteil. Jeden Abend begegnete er auch der hübschen Zofe auf der Treppe oder im Hausflur. Aber d’Artagnan ließ, wie gesagt, die auffallende Beharrlichkeit der armen Kitty unbeachtet.

 

Ein Procuratorsmahl

Das Duell, bei dem Porthos eine so glänzende Rolle gespielt hatte, ließ diesen indessen das Mittagsmahl nicht vergessen, wozu er von Madame Coquenard eingeladen worden war. Am andern Tag gegen ein Uhr ließ er sich von Mousqueton den letzten Bürstenstrich geben und wanderte der Rue aux Ours zu. Sein Herz klopfte, aber nicht wie jenes d’Artagnans, von einer jungen und ungeduldigen Liebe. Nein, ein größeres Interesse leitete seine Schritte.

An der Tür regten sich jedoch in dem Musketier einige Zweifel. Der Eingang hatte überhaupt nichts Einladendes. Er fand einen übelriechenden schwarzen Gang, eine schlechtbeleuchtete Treppe mit einem Fenster, durch dessen eiserne Stangen das graue Licht eines benachbarten Hofs nur mühsam eindrang. Im ersten Stock kam er vor eine niedere und mit ungeheuren Nägeln beschlagene Tür. Porthos klopfte mit dem Finger an. Ein großer, bleicher und von einem Wald struppiger Haare überdachter Schreiber öffnete.

Der Prokurator war ohne Zweifel von seinem Besuch in Kenntnis gesetzt worden, denn er zeigte nicht das geringste Erstaunen, als Porthos erschien, der sich ihm mit der ungezwungensten Miene näherte und ihn höflich begrüßte.

»Wir sind Vettern, wie es scheint, Monsieur Porthos?« sagte der Prokurator und stand, sich mit den Armen stützend, von seinem Rollstuhl auf.

Der Greis war in ein großes schwarzes Wams gehüllt, in dem sich ein schmächtiger Körper verlor, und sah gelb und vertrocknet aus.

»Ja, wir sind Vettern«, sagte Porthos, der nie auf eine begeisterte Aufnahme seitens des Gatten gerechnet hatte.

»Durch die Frauen, glaube ich«, sagte der Prokurator anzüglich. Porthos fühlte diesen Spott nicht und hielt ihn für Naivität, Madame Coquenard lächelte ein wenig und errötete stark.

Monsieur Coquenard hatte seit Porthos’ Ankunft seine Augen unruhig auf einen großen, seinem eigenen Schreibtisch gegenüberstehenden Schrank geworfen. Porthos erkannte sofort, dass dieser Schrank, obwohl er seiner Form nach überhaupt nicht der Kiste seiner Träume entsprach, das glückselige Möbel sein musste, und er wünschte sich Glück dazu, dass die Wirklichkeit sechs Fuß höher war als seine Träume.

Bald schlug die Mittagsstunde und man ging in das Speisezimmer, eine große dunkle Stube der Küche gegenüber.

Monsieur Coquenard wurde auf seinem Rollstuhl von Madame Coquenard hereingeschoben, die Porthos zuvorkommend im Rollen unterstützte. Kaum war der Prokurator im Zimmer, als er Nase und Kinnbacken nach dem Beispiel seines Schreibers in Bewegung setzte.

»Oh! Oh!« sagte er, »das ist eine einladende Suppe.«

»Was zum Teufel riechen sie denn Außerordentliches in dieser Suppe?« sagte Porthos zu sich selbst beim Anblick einer blassen, weißlichen, aber ganz blinden Fleischbrühe, auf der einige seltene Krusten, wie die Inseln eines Archipels, schwammen.

Madame Coquenard lächelte, und auf ein Zeichen von ihr beeilten sich alle, Platz zu nehmen.

Monsieur Coquenard wurde zuerst bedient, dann Porthos, hierauf füllte Madame Coquenard ihren Teller und teilte dann die Krusten ohne Fleischbrühe unter die ungeduldigen Schreiber aus.

Nach der Suppe brachte die Magd eine gekochte Henne, bei dessen Anblick die Gäste ihre Augen so weit aufrissen, dass man glaubte, sie wollten das Tier damit verschlingen.

»Man sieht, Ihr liebt Eure Familie, Madame Coquenard«, sagte der Prokurator mit einem beinahe tragischen Lächeln, »das ist offenbar eine Galanterie, die Ihr Eurem Vetter erweist.«

Die arme Henne war alt und mager und mit einer von den dicken, rauen Häuten bedeckt, durch die die Knochen mit aller Anstrengung nicht zu dringen vermögen. Sicher hatte man sie lange suchen müssen, ehe man sie auf der Aufsitzstange fand, auf die sie sich zurückgezogen hatte, um an Altersschwäche einzugehen.

»Zum Teufel!« dachte Porthos, »das ist doch sehr traurig. Ich ehre das Alter, aber ich schätze es wenig, wenn es gekocht oder gebraten ist.«

Madame Coquenard teilte dieses Gericht mit der Mäßigung einer guten Hausfrau aus.

Nun kam die Reihe an den Wein; Monsieur Coquenard schenkte aus einem mageren Weinkrug jedem das Drittel eines Glases ein.

Porthos verspeiste schüchtern seinen Flügel. Er trank auch ein halbes Glas von diesem so spärlich zugemessenen Wein und erkannte ihn als einen Montreuil. Meister Coquenard sah ihn den Wein ungemischt trinken und stieß einen Seufzer aus.

»Esst Ihr vielleicht von diesen Bohnen, mein Vetter Porthos?« sagte Madame Coquenard in einem Ton, der sagen wollte: »Lasst Euch raten und esst nicht davon.«

»Ich danke meiner Base«, erwiderte er, »ich habe keinen Hunger mehr.«

Madame Coquenard erhob sich nach dem Weggang der Schreiber und holte aus einem Speiseschrank ein Stück Käse, eingemachte Quitten und einen Kuchen, den sie aus Mandeln und Honig selbst verfertigt hatte.

Monsieur Coquenard runzelte die Stirn, als er so viele Gerichte erblickte.

»Ein Festmahl, ganz entschieden!« rief er, ungeduldig sich auf seinem Stuhl hin- und herbewegend. »Ein wahres Festmahl! Epulae epularum, Lucullus speist bei Lucullus!«

Porthos schaute die Flasche an, die in seiner Nähe stand, und hoffte, sich an Wein, Brot und Käse gütlich tun zu können. Aber der Wein ging bald aus, die Flasche war leer. Monsieur und Madame Coquenard taten, als ob sie es nicht bemerkten.

»Das ist gut«, sagte Porthos zu sich selbst, »ich weiß nun, woran ich bin.«

Er leckte etwas an einem Löffel voll eingemachten Quitten und biss sich an dem zähen Teig von Madame Coquenards Kuchen fast die Zähne aus.

»Nun ist das Opfer gebracht«, dachte er.

Monsieur Coquenard fühlte nach den Leckereien eines solchen Mahls, das er Gaumenkitzel nannte, das Bedürfnis, Siesta zu halten.

Porthos hoffte, dies würde an Ort und Stelle und in demselben Raum vor sich gehen, aber der Prokurator wollte nichts davon hören. Man musste ihn in sein Zimmer zurückbringen, und er schrie, bis er vor seinem Schrank war, auf dessen Rand er sodann aus Vorsicht seine Füße stellte.

Die Prokuratorin führte Porthos in ein angrenzendes Zimmer.

»Ihr könnt dreimal in der Woche zu Tisch kommen«, sagte Madame Coquenard. – »Ich danke«, erwiderte Porthos, »ich missbrauch nicht gern solche Einladungen. Überdies muss ich an meine Ausrüstung denken.« – »Das ist wahr«, sagte die Prokuratorin seufzend, »diese unglückliche Ausrüstung macht Euch Sorgen, nicht wahr?« – »Ach ja«, sagte Porthos. – »Aber worin besteht denn die Ausrüstung Eures Korps, Monsieur Porthos?« -»Oh! In vielen Dingen«, sagte Porthos, »die Musketiere sind, wie Ihr wisst, Elitesoldaten, und sie brauchen vieles, was die Garden und die Schweizer entbehren können.« – »Nennt sie mir einzeln!« – »Das beläuft sich etwa auf …« erwiderte Porthos, der sich lieber über den Gesamtbetrag, als über die einzelnen Punkte aussprechen wollte.

Die Prokuratorin wartete zitternd.

»Auf wieviel?« fragte sie, »ich hoffe, es wird nicht mehr als …« Hier blieb sie stecken, es fehlte ihr das Wort.

»Oh nein, es beträgt nicht über zweitausendfünfhundert Livres. Ich glaube sogar, dass ich bei einiger Sparsamkeit mit zweitausend auskommen könnte.«

»Guter Gott! Zweitausend Livres!« rief sie, »das ist ja ein ganzes Vermögen, und mein Mann wird nie zu bewegen sein, eine solche Summe zu borgen!«

Porthos machte eine sehr bezeichnende Bewegung. Madame Coquenard verstand ihren Sinn.

»Ich fragte nach den einzelnen Gegenständen«, sagte sie, »weil ich viele Verwandte und Kunden habe, die Händler sind, und folglich überzeugt sein kann, dass ich die Sachen um hundert Prozent unter dem Preis bekomme, den Ihr dafür bezahlen müsst.« – »Ah, ah!« rief Porthos, »wenn Ihr damit andeuten wolltet …« – »Ja, mein lieber Monsieur Porthos, Ihr braucht also vor allem …« – »Ein Pferd.« – »Ja, ein Pferd. Gut! Das ist es gerade, was ich für Euch abmachen kann.« – »Ah!« sagte Porthos entzückt, »in Bezug auf mein Pferd steht also die Sache gut. Dann brauche ich ein vollständiges Geschirr, das aus Gegenständen besteht, die nur ein Musketier kaufen kann, die übrigens nicht mehr als dreihundert Livres kosten werden.« – »Dreihundert Livres! So nehmen wir dreihundert Livres an!« sagte die Prokuratorin seufzend.

Porthos lächelte. Man erinnert sich, dass er bereits das Geschirr hatte, das ihm von Buckingham zukam, er gedachte daher, die dreihundert Livres hübsch in seine Tasche gleiten zu lassen.

»Dann«, fuhr er fort, »brauche ich ein Pferd für meinen Diener und einen Mantelsack. Was die Waffen anbelangt, braucht Ihr Euch darüber keine Sorge zu machen, die habe ich schon.« – »Ein Pferd für Euren Diener?« wiederholte die Prokuratorin zögernd, »aber, mein Freund, das heißt doch ein bisschen sehr den großen Herrn spielen.« – »Nun, Madame«, sprach Porthos stolz, »bin ich vielleicht ein Vagabund?« – »Nein, ich wollte nur sagen, dass ein hübsches Maultier manchmal ebenso schön aussieht wie ein Pferd, und dass es mir scheint, wenn ich für Mousqueton ein hübsches Maultier anschaffe …«