Autor: Nach Edmond de Goncourt

Redaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl

 

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ISBN: 978-1-78310-664-6

Nach Edmond de Goncourt

 

 

 

UTAMARO

 

 

 

 

 

 

Inhalt

 

 

EINLEITUNG

I. UTAMAROS KUNST

Ukiyo-e, die Schule von Kano und jene von Tosa

II. DAS MALERISCHE WERK

1. Holzschnitte (Nishiki-e)

2. Alben (Serien von farbigen Drucken)

3. Kakemonos

4. Surimonos

5. E-Makimonos

III. DIE BÜCHER

1. Kleine gelbe Bücher (Kibyôshî)

2. Kleine Bücher (Manga)

3. Erotische Bücher (Shunga)

Weitere erotische Bücher in Farbe:

Erotische Bücher in Schwarzdruck:

Bücher in Farbdruck:

Einige Erklärungen:

BIBLIOGRAPHIE

GLOSSAR

LISTE DER ABBILDUNGEN

Hanaōgi aus dem Ōgiya-Haus [Kamuro:] Yoshino, Tatsuta

(Ōgiya uchi Hanaōgi), 1793-1794. Ōban, Nishiki-e, 36,4 x 24,7 cm.

Musée national des Arts asiatiques – Guimet, Paris.

 

 

EINLEITUNG

 

 

Es gibt bei den Ukiyo-e zahlreiche Anwärter auf die Führungsrolle. Edmond de Goncourt hat in seiner Utamaro-Biografie in exquisiter Sprache und mit großem analytischem Geschick die Bedeutung dieser Form der japanischen Kunst interpretiert, die vor allem in der Verwendung des Holzblocks für Farbdrucke zum Ausdruck kam. Das vorliegende Buch wird somit einen kurzen Überblick über die Arbeit sowohl des Künstlers als auch des Autors geben.

Die von der anmaßenden japanischen Aristokratie jener Zeit verachtete Druckkunst des Ukiyo-e entwickelte sich rasch zur Kunst für die einfachen Menschen Japans. Die Namen der Künstler, die einen Beitrag zu ihrer Entwicklung geleistet haben, sind in jedem Künstleratelier vertraut, während die klassischen Maler aus Kano und Tosa vergleichsweise selten genannt werden.

Die zu Utamaros Zeit in Japan vorherrschende Meinung stimmt mit der Einschätzung Edmond de Goncourts überein: kein Künstler war beliebter. Sein Atelier wurde von Auftraggebern geradezu belagert und seine Arbeiten waren in ganz Japan sehr begehrt, während die seines Zeitgenossen Toyokuni kaum bekannt waren. In der Barke des Utamaro, einem berühmten Surimono, dessen Titel ein schönes Wortspiel darstellt (Maro ist das japanische Wort für Schiff), wird dem Künstler das Siegel der Vorherrschaft verliehen.

Utamaro war in erster Linie ein Maler der Frauen, und obwohl Edmond de Goncourt immer wieder seine erstaunliche Vielseitigkeit betont, gibt er seinem Werk dennoch den Titel Utamaro, der Maler der 'grünen Häuser'.

 

– Dora Amsden

Schnee, Mond und Blumen aus dem Ōgiya-Haus

(Setsugekka Hanaōgi), Kansei-Periode

(1789-1801). Ōban, Nishiki-e, 36,2 x 24,9 cm.

Musée national des Arts asiatiques – Guimet, Paris.

Frau beim Schminken ihrer Lippen (Kuchibiru), c. 1795-1796.

Ōban, Nishiki-e, 36,9 x 25,4 cm. Privatsammlung, Japan.

 

 

I. UTAMAROS KUNST

 

 

Die japanischen Alben zu durchblättern kommt einer wahren Initiation gleich, in deren Verlauf man ganz besonders von Utamaros herrlichen Arbeiten verzaubert wird. Seine prächtigen Holzschnitte erregen durch seine Liebe zu den Frauen die Fantasie, die Frauen, die er auf so sinnliche Weise in fallende Konturen, Faltenwürfe und Wellen großartiger japanischer Stoffe von derart ausgewählten Farben hüllt, dass dem Betrachter der Atem stockt, wenn er sich vorstellt, welch wundervolle Freuden sie dem Maler bedeuten. Denn in der weiblichen Kleidung offenbart sich die Vorstellung, die sich ein Volk von der Liebe macht, und diese Liebe ist wiederum nur der Ausdruck einer höheren Idee, die um einen Quell der Freude kreist.

Utamaro, der Maler der japanischen Liebe, stirbt übrigens an dieser Liebe, wobei man aber nicht vergessen darf, dass die japanische Liebe vor allem erotisch ist. Die Shunga veranschaulichen das Interesse, das der große Künstler diesem Thema entgegenbringt. Die zauberhaften Bilder von Frauen füllen Hunderte von Alben und Büchern und erinnern, sollte es denn notwendig sein, an die unzähligen Gemeinsamkeiten zwischen Kunst und Erotik. Aus diesem Grund konnte Utamaros Lehrer, der Maler Toriyama Sekien, über dessen wunderbares Insektenbuch (Abbildungen 1, 2, 3, 4) sagen: „Dies sind die ersten mit Leidenschaft geschaffenen Werke.“ Utamaros Leidenschaft erkennt man im gleichen Überschwang der Gefühle bei der Suche nach der Schönheit der Tiere, mit dem er auch die Frauen aus dem Yoshiwara zu Papier brachte: Die Liebe eines Künstlers zur Schönheit ist nur dann echt, wenn er in der Lage ist, sie sinnlich zu erfassen. Liebe und Sexualität sind die Grundlagen des ästhetischen Gefühls und werden zum besten Ausdrucksmittel für die Kunst, die sich ja nur dann über das wahre Leben erhebt, wenn sie es stilisiert, schematisiert.

Utamaro gehört zu den Künstlern der in Europa bekanntesten japanischen Bewegung, der „fließenden Welt“ (Ukiyo). Er gilt, wie Edmond de Goncourt es formulierte, als „… der Maler der 'grünen Häuser'“. Mit Utamaro assoziiert man sofort die Farbdrucke (Nishiki-e) mit den großen, langgliedrigen und in kostbare Stoffe gehüllten Kurtisanen mit schwarzer Haarpracht, die Paradestücke des Druckkünstlers.

Neben Idyllen in natürlicher Umgebung widmete Utamaro sich Themen wie etwa der Darstellung berühmter Liebespaare, den Portraits von Kurtisanen oder erotischen Szenen aus dem Yoshiwara. Jedoch sind es vor allem Utamaros Frauenbilder, die durch ihre anmutige, lebendige und sinnliche Schönheit so verblüffen, die zwar weit von jeder Wirklichkeit entfernt ist, in denen sich jedoch eine feinsinnige Psychologie offenbart. Er hat es verstanden, ein neues Frauenideal einzuführen, schlank, stolz und mit zurückhaltenden Gesten. Man konnte ihm vorwerfen, lange Frauengesichter in Mode gebracht zu haben und seine Figuren mit unwahrscheinlichen Proportionen zu versehen. Sicherlich war er einer der prominentesten Vertreter dieses Stils, dennoch bleiben seine weiblichen Gestalten mit ihren verschobenen Proportionen vor allem Meisterwerke einer wunderbaren, durch und durch japanischen Kunst ...

Tatsächlich preisen die Japaner eher die Vornehmheit der großen Schönheit als die Beobachtungsgabe oder den Geist der Bilder. Auf unaussprechliche Weise wird die Schönheit heraufbeschworen und erblüht, werden dem Auge ihre tausend Facetten offenbart, staunt man über die Komplexität eher angedeuteter als tatsächlicher Haltungen und wird mit der Wahrheit frei und spielerisch, jedoch sehr tiefsinnig umgegangen.

Über das Leben von Utamaro ist nur wenig bekannt. Ichitarō Kitagawa, wie sein richtiger Name lautet, ist vermutlich Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, wahrscheinlich 1753, in Edo geboren worden, wohl in Kawagoe in der Provinz Musashi. Es ist unter japanischen Künstlern eine alte Sitte, ihre Familiennamen zugunsten eines Künstlernamens abzulegen. Ichitarō Kitagawa nahm als privaten Namen zuerst Jūsuke an, als Schüler im Atelier nannte er sich Murasakiya, und nachdem er seine Ausbildung beendet hatte und als Künstler seiner eigenen Inspiration folgte, verwendete er den Namen Utamaro.

Naniwaya Okita, 1792-1793. Hosoban,

Nishiki-e (doppelseitig, (Ansicht von hinten)),

33,2 x 15,2 cm. Unbekannte Sammlung.

Naniwaya Okita, 1792-1793. Hosoban,

Nishiki-e (doppelseitig, (Ansicht von vorn)),

33,2 x 15,2 cm. Unbekannte Sammlung.

 

 

Utamaro kam sehr jung nach Edo. Nach einigen Jahren des Umherziehens wohnte er bei Tsutaya Jūzaburō, dem zu dieser Zeit berühmten Verleger illustrierter Bücher, dessen Siegel, das Blatt eines wilden Weinstocks vor dem Gipfel des Fujiyama, auf Utamaros vollkommensten Drucken zu sehen ist. Er wohnte nur einen Steinwurf von dem großen Tor entfernt, hinter dem sich das Yoshiwara erstreckte. Als Tsutaya Jūzaburō umzog und sein Geschäft im Zentrum eröffnete, folgte ihm Utamaro dahin und blieb auch bis zum Tod des Verlegers im Jahr 1797 bei ihm. Danach wohnte Utamaro nacheinander in der Kyū emon-chō-Straße und in der Bakuro-chō-Straße, bevor er sich in den Jahren vor seinem Tod in der Nähe der Benkei-Brücke niederließ.

Zuerst studierte er die Malerei an der Schule von Kano. In sehr jungem Alter wurde er dann Schüler von Toriyama Sekien. Sekien lehrte ihn die Kunst des Holzschnitts und der Ukiyo-e-Malerei. In seiner Anfangszeit veröffentlichte Utamaro seine Drucke unter dem Namen Utagawa Toyoaki. Berühmt wird er durch seine Schönheiten darstellenden Drucke (Bijin-e) und seine erotischen Holzschnitte. Seine Meister Sekien und Shunshō vermittelten Utamaro das traditionelle Wissen des großen Kiyonaga und des liebenswürdigen und erfinderischen Harunobu (1752 bis 1770).

Utamaro wurde zu einer Art Aristokrat der Malerei, der es verschmähte, Theaterschauspieler oder auch nur alltägliche Männer zu malen. Zu dieser Zeit aber hing die Beliebtheit eines Malers von der ihrer Modelle ab. Und in einem Land, in dem alle Schichten der Bevölkerung die Theaterschauspieler bewunderten, war es üblich, dass ein Maler von deren Berühmtheit profitierte, indem er sie in seinem Werk verewigte. Utamaro jedoch lehnte es voller Stolz ab, Schauspieler zu zeichnen: „Ich möchte nicht auf Kosten der Schauspieler glänzen, sondern eine Schule gründen, bei der es nur auf das Talent des Malers ankommt.“ Als der Schauspieler Ichikawa Yaozō große Erfolge mit dem Stück von Ohan und Choyemon feierte und sein von Utagawa Toyokuni (1769-1825) gezeichnetes Portrait berühmt wurde, malte Utamaro das Stück zwar, füllte es jedoch mit eleganten, imaginäre Rollen spielenden Frauen. Dies war seine Art zu zeigen, dass die Zeichner der volkstümlichen Schule, die das Thema so wie Toyokunis einfach nachgebildet hatten, wie ein Schwarm von Insekten waren, die „… aus den Ateliers wie Ameisen aus einem verfaulten Baumstamm hervorströmten.“ Ihn hingegen kümmerten einzig und allein die Frauen, sie füllten seine Kunst aus, und bald wurde er der wunderbare Künstler, den wir kennen.

Tsutaya Jūzaburō gehörte zu den Personen, die zu dieser Zeit für Utamaro eine wichtige Rolle spielten: er veröffentlichte seine ersten illustrierten Bände. Er war umgeben von Malern, Schriftstellern und Intellektuellen, die sich mit der Kyōka-Poesie beschäftigten, die in der Wahl ihrer Themen freier ist und deren Regeln weniger streng sind als die der traditionellen Dichtkunst und die sich dem Humor verpflichtet fühlt. Diese Sammlungen von Kyōka wurden von Utamaro prächtig illustriert. Durch die Zusammenarbeit mit Tsutaya Jūzaburō, dessen wichtigster Künstler er bald wurde, wurde Utamaro berühmt. Um 1791 gab er die Buchillustrationen auf, um sich den Portraits von Frauen zu widmen. Er wählte seine Modelle in den Vergnügungsvierteln von Edo, wo er bald den Ruf erwarb, mit seinen Musen zahlreiche Liebesabenteuer zu pflegen. Am Tag widmete er sich seiner Kunst, in der Nacht aber verfiel er dem fatalen Zauber dieser glanzvollen „Hölle“, bis zu dem Moment, wo durch die Verzauberung der „kleinen Schritte und Handzeichen“ der Exzess seine Kunst aushöhlte und er „… sein Leben, seinen Namen und seinen Ruf“ verlor.

Dennoch sollte man sich nicht täuschen: Das Yoshiwara hat nichts mit heutigen Bordellen gemeinsam, denn vor allem im achtzehnten Jahrhundert war es ein Lustgarten. Hier machte man auf raffinierte Weise den liebenswürdigen Prostituierten, die sich schöngeistigen Dingen und den kultiviertesten Höflichkeitsritualen hingaben, den Hof. Eros in Amors Gestalt. Utamaro bereitete es keine Mühe, alle Elemente seines Werkes in den 'grünen Häusern' zu finden, deren fester Maler er war. Für viele Liebhaber des japanischen Holzschnitts ist Utamaro der unbestrittene Meister der Darstellung der Frau, die er verherrlicht und deren Gestalt er lang und fein darstellt, mit einem langen Hals und schmalen Schultern, weit entfernt vom Körperbau der Frauen in dieser Zeit.

In stilistischer Hinsicht setzte sich Utamaro um 1790 als führender Kopf des Ukiyo-e durch. Von Anfang an fesselte diese Kunstrichtung das japanische Volk. Ihre Entfaltung war die Frucht der Edo-Zeit, damit einer Blütezeit der durch das Bürgertum herbeigeführten Renaissance innerhalb einer Gesellschaft, die durch Klerus, Militär und Aristokratie auf glanzvolle Weise entwickelt worden war. In den ersten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts jedoch verlor Utamaros Talent in seinem unermüdlichen Schaffen an Originalität. Der Künstler alterte im selben Maße wie der Mensch.

Revolver – Prostituierte (teppō), aus der Serie
Fünf Tuscheschattierungen im Nördlichen Viertel

(Hokkoku goshiki-zumi), 1794-1795.

Ōban, Nishiki-e, 37,9 x 24,2 cm.

Musée national des Arts asiatiques – Guimet, Paris.

Der Stil im Hause eines Feudalherren (Yashiki-fū),
aus der Serie Handbuch des zeitgenössischen Stils

(Tōsei fūzoku tsū), c. 1800-1801. Ōban, Nishiki-e,

37,5 x 25,5 cm. Bibliothèque nationale de France, Paris.

Hanamurasaki aus dem Tamaya-Haus, [Kamuro:] Sekiya,
Teriha (Tamay uchi Hanamurasaki), aus der Serie
Reihe der größten zeitgenössischen Schönheiten

(Tōji zensei bijin-zoroe), 1794. Ōban, Nishiki-e, 54 x 41,5 cm.

Musée national des Arts asiatiques – Guimet, Paris.

Portrait von Takashima Ohisa (Takashima Ohisa), 1793.

Ōban, Nishiki-e, 37,7 x 24,4 cm.

Musée national des Arts asiatiques – Guimet, Paris.

Offenkundige Liebe (Arawaru koi), aus der Serie
Anthologie von Gedichten: Abschnitt Über die Liebe

(Kasen koi no bu), 1793-1794. Ōban, Nishiki-e, 37,5 x 25 cm.

Musée national des Arts asiatiques – Guimet, Paris.

Die Liebe zu der Frau eines Bauern

(Nōfu ni yosuru koi), c. 1795-1796.

Ōban, Nishiki-e, 36,9 x 24,5 cm.

Sammlung Huguette Berès.

Die Liebe zu einer Straßenprostituierten

(Tsuji-gimi ni yosuru koi), c. 1795-1796.

Ōban, Nishiki-e, 36,2 x 24,6 cm.

Sammlung Huguette Berès.

 

 

Angestachelt durch Toyokunis Erfolg, der sich langsam zu seinem Rivalen entwickelte, begann Utamaro, der einst der Darstellung von Theaterszenen so feindlich gesinnt war, Themen aus Theaterstücken abzubilden, und malte Mitiyuki. In diesen wie auch in anderen Kompositionen wurden seine großen Frauen, diese ranken Geschöpfe seiner ersten Schaffensphase, immer fetter, runder und beleibter. Die weiblichen Silhouetten wurden rundlich, erreichten jedoch nicht die fettleibigen Gestalten eines Torii Kiyonaga. Den Frauen, die seine ersten Werke noch ganz allein ausgefüllt hatten, stellte er karikaturistische, groteske und komische männliche Figuren gegenüber. Der Künstler verspürte keine Lust mehr, mit dieser idealen Freundlichkeit, mit der er die Frauen versehen hatte, zu verführen. Er zwang sich vielmehr, mit den „… hässlichen Männern“ dem Geschmack des damaligen Publikums zu schmeicheln, das in Bildern die Komik der Schönheit vorzog. Dessen Geschmack vergleicht Hayashi Tadamasa mit dem Geschmack gewisser Sammler von modernen Elfenbeinschnitzereien aus Yokohama, die, wie er es ausdrückt, „… die Grimasse der Kunst vorziehen.“

Utamaro scheute sich nicht, die Weisen und Heiligen der heiligen Geschichten des Buddhismus durch die entstellten Züge berühmter Kurtisanen zu karikieren. Er verließ sich auf seine große Beliebtheit und veröffentlichte eine bebilderte Satire auf einen der berühmten Shoguns, Toyotomi Hideyoshi (1536 bis 1598), den er mit seiner Frau und seinen fünf Konkubinen darstellte. Dieser Akt der Majestätsbeleidigung ließ ihn jedoch beim Souverän, einem Kunstliebhaber, in Ungnade fallen, denn das Werk wurde als Beleidigung des Shogunats betrachtet. Utamaro wurde wegen Verstoßes gegen die Zensur verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Dies war für den Künstler eine äußerst demütigende Erfahrung. Als er seine Zelle wieder verließ, war der einst so lebendige Schmetterling des Yoshiwara erschöpft und geschwächt und wagte es nicht mehr, auch nur den kleinsten verrückten Einfall zu verlautbaren. Er starb in Edo, wahrscheinlich im Jahre 1806, am dritten Tag des fünften Monats des Mondkalenders.

In den alten Ausgaben des Ukiyo-e ruiko wird das Datum seines Todes falsch angegeben. Der Künstler kann unmöglich am achten Tag des zwölften Monats der vierten Kwansei-Ära (1792) gestorben sein, da bestimmte Drucke noch zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts veröffentlicht wurden. Das Jahrbuch der grünen Häuser (Abbildungen 1, 2, 3) erschien 1804, und der einen japanischen Olymp darstellende Holzschnitt ist auf den Neujahrstag von 1805 datiert.

Takashima Ohisa (Takashima Ohisa), 1795.

Ōban, Nishiki-e, 36,1 x 23,8 cm.

Musée national des Arts asiatiques – Guimet, Paris.

Schöner Irisstrauß. Die Kurtisane Hitomoto.

Ōban, Nishiki-e, 37,5 x 25,5 cm.

Bibliothèque nationale de France, Paris.

Der ungebundene Typ (Uwaki no sō), aus der Serie
Zehn Typen. Studien weiblicher Physiognomien

(Fujin sōgaku juttai), c. 1792-1793. Ōban, Nishiki-e,

36,4 x 24,5 cm. The New York Public Library, New York.

 

 

Die wahren Inspirationsquellen für Utamaros Stil sind Kitao Shigemasa (1739 bis 1820) und Torii Kiyonaga (1752 bis 1815). Von Letzterem übernahm Utamaro die anmutige Verlängerung des Ovals seiner Frauengesichter, den weichen Schwung der Taille und der sinnlichen Wellenbewegungen der den Körper umspielenden Stoffe. Diese Aneignung von Kiyonagas Stil fallen besonders bei zwei Holzschnitten ins Auge. Auf einem ist ein Teehaus am Meer dargestellt, in dem eine Frau einem Tee trinkenden japanischen Herrn seinen schwarzen, mit Wappen verzierten Überrock bringt. Diese Komposition, wäre sie nicht von Utamaro signiert, würde jeder Sammler für Kiyonagas Werk halten. Sie muss zwischen 1770 und 1775 in Kiyonagas Atelier entstanden sein, etwa zu einer Zeit, als der Meister gerade zwanzig Jahre alt war. Der andere Holzschnitt zeigt vor einem roten Hintergrund eine große Frau in einem mit Kirschblüten übersäten Kleid, der man eine Ringerpuppe bringt, dieser Schnitt stammt höchstens von 1775. Die Ähnlichkeit findet sich auch in den sechs wunderbaren Drucken, die Geishas beim Karneval, Niwaka, von Yoshiwara, darstellen, deren erste Auflage von 1775 stammen soll. Auch wenn diese Drucke einen persönlicheren Stil aufweisen, sind sie durch Kiyonagas kraftvollen Stil geprägt, wie etwa in der leichten junonischen Neigung des Rückens, die Utamaros Meister seinen Frauen verleiht, von dem sich Utamaro auch Details wie die hübsch zerzausten Löckchen an den Schläfen oder Wangen der Frauen leiht, durch die deren Gesichter diesen verliebten Ausdruck erhalten.

Selbst wenn Utamaro sein wahres persönliches Talent unter Beweis stellt, sind manche seiner Werke klar von Kiyonaga oder Heishi beeinflusst. Die Werke, die gegen Ende seiner Schaffenszeit entstanden, bestürzen die Sammler durch ihre Anleihen bei Letzterem und den daraus resultierenden Qualitätsverlust. Angesichts des Verschwindens des ursprünglichen Könnens des Künstlers stellen sich Sammler übrigens an Tagen, da der Skeptizismus sie ereilt, die Frage, ob es nur einen oder nicht doch mehrere Utamaros gegeben hat.

Utamaro muss zu seinen Lebzeiten viele Nachahmer gehabt haben, die sich entweder in seiner Schule oder anderweitig entwickelten, und nach seinem Tod nahm ihre Zahl mit Sicherheit noch zu. Zu ihnen gehörte in erster Linie der neue Ehemann von Utamaros Frau. Nach Utamaros Tod heiratete die Witwe einen seiner ehemaligen Schüler, Koikawa Harumachi II, der den Namen Utamaro II annahm und unter diesem Namen weiterhin Werke ausführte, die bereits bei dem Verstorbenen in Auftrag gegeben worden waren. Zahlreiche Drucke, die, obwohl sie die Signatur des Meisters tragen, banale Kompositionen, ausdruckslose Gesichter und unharmonische Farbgebungen aufweisen, fügen sich so zu Utamaros Werk hinzu. Dabei darf man nicht nur die Werke des neuen Ehemanns der Witwe und die Fälschungen einrechnen, die zu der Zeit auftauchten, da die Berühmtheit des Künstlers ihren Höhepunkt erreicht hatte, und ihn ab einem gewissen Zeitpunkt zwangen, seine Drucke mit „… der wahre Utamaro“ zu signieren. Man muss auch noch eine Reihe von Drucken dazu zählen, die in seinem Atelier von seinen Schülern geschaffen wurden, die er mit seinem Namen unterzeichnen ließ. Sie waren jedoch miserable Nachahmer, Plagiatoren.

Yūgiri und Izaemon (Yūgiri Izaemon), aus der Serie
Verliebter Umgang mit musikalischer Begleitung

(Ongyoku koi no ayatsuri), 1801-1802.

Ōban, Nishiki-e, 37,3 x 25,3 cm.

Staatliche Museen, Preußischer Kulturbesitz,

Museum für Ostasiatische Kunst, Berlin.

Parodie auf einen Affenführer (mitate saru-mawashi),
aus der Serie Bilder-Paare (E-kyōdai), c. 1795-1796.

Ōban, Nishiki-e, 38,3 x 25,1 cm. The Japan

Ukiyo-e Museum, Shimadachi Matsumoto.

 

 

Ukiyo-e, die Schule von Kano und jene von Tosa

 

Utamaro ist einer der prägenden Künstler jener japanische Kunstrichtung, die so poetisch die fließende Welt: Ukiyo genannt wurde, abgeleitet von Uki: das oben Treibende, das Schwimmende und yo: Welt, Leben, Gegenwart. Dieser Begriff wurde während der Edo-Zeit (1605 bis 1868) verwendet und bezeichnete sowohl den Holzschnitt als auch die volkstümliche narrative Malerei. Die Kunst des Ukiyo-e ist eine

„… geistige Annäherung an die Wirklichkeit und das Wesen des alltäglichen Lebens, an die Kommunikation mit der Natur und an den Geist eines lebendigen und offenen Volkes, das einen leidenschaftlichen Appetit für die Kunst hegt“ (James Jarves).

Die Kraft, die große Motivation der Meister des Ukiyo-e und die Reichhaltigkeit ihrer Werke zeugen davon. Wie Professor Ernest Fenollosa es ausdrückt,

„… ist die wahre Geschichte des Ukiyo-e nicht die Geschichte der Technik des Holzschnitts, obwohl dieser eine seiner faszinierendsten Ausprägungen war, sondern die ästhetische Geschichte einer besonderen Ausdrucksform.“

Der Beginn der volkstümlichen Strömung des Ukiyo-e kennzeichnete das Ende einer Entwicklung, die sich über ein Jahrtausend erstreckt hatte. Um deren Ursprung zu verstehen und deren Etappen verfolgen zu können, muss man die Jahrhunderte zurück verfolgen. Obwohl die Ursprünge der japanischen Kunst im Dunkeln liegen und von der Tradition überdeckt werden, besteht kein Zweifel daran, dass China und Korea die direkten Quellen waren, aus denen die japanische Kunst schöpfte. Daneben wurde sie, allerdings deutlich weniger offensichtlich, auch durch Indien und Persien beeinflusst, den heiligen Quellen orientalischer Kunst und Religion, die stets im gegenseitigen Einvernehmen vorangingen. Es gehört zu den Besonderheiten der japanischen Kunst, dass sie stets von der Hierarchie des Klerus und der jeweiligen Herrscher dominiert wurde. Die Schule von Tosa verdankte ihr Prestige von Anfang an dem Kaiser und seinem adligen Gefolge, während die Schule von Kano später zur offiziellen Schule der Usurpatoren, der Shoguns, wurde.

Die Geschichte der japanischen Malerei vom Beginn des 5. Jahrhunderts bis zum achtzehnten Jahrhundert lässt sich in der Abfolge dreier Schulen zusammenfassen. Am Anfang steht die buddhistische Schule, die aus den asiatischen Hochebenen des gelehrten Indiens hervorgegangen ist, dessen Malerei sich zusammen mit der Religion des Shâkyamuni nach China, Japan und den gesamten fernen Osten ausbreitete. Diese Malerei stellt den Menschen in einer Art heiliger Erstarrung dar, sie vermeidet jeglichen Gesichtsausdruck, lehnt die Portraitmalerei ab und repräsentiert das Gesicht nach einem künstlerischen, von systematischen Abstrahierungen geprägten Ritual, während sie sich im Wesentlichen auf die Einzelheiten und den Prunk der Kleidung konzentriert.

In China brachte die Ming-Dynastie (1368 bis 1644) einen eigenen Stil hervor, der Jahrhunderte lang die japanische Kunst dominierte. So offenbart sich in der umfassenden Kalligraphie von Hokusai das Erbe dieses Einflusses. Seine Holzschneider, die darin geübt waren, die flüssigen und anmutigen Linien seiner so authentischen japanischen Zeichnungen nachzuschneiden, wurden durch seine heftigen Wutausbrüche hin zu einem viel kantigeren Realismus geführt. Daraus sind zwei große Kunstrichtungen hervorgegangen: die Schule von Tosa und die Schule von Kano. Die chinesischen und buddhistischen Schulen stammten aus dem sechsten Jahrhundert. Der Kaiser von Japan, Heizei, gründete 808 die erste Akademie des Reiches, die sich aber später mit der von Fujiwara Motomitsu im elften Jahrhundert gegründeten Yamato-e-Schule zur berühmten Schule von Tosa vereinte. Die wiederum hatte zusammen mit der Schule von Kano, ihrer stolzen und aristokratischen Rivalin, Jahrhunderte lang die unbestrittene Vorherrschaft inne, bis die vom japanischen Volk angeregte Schule des Ukiyo-e ihr diese streitig machte.

Siebter Akt des Chūshingura (Chūshingura Shichi-damme),
aus der Serie Schatzkammer der treuen Bediensteten

(Chūshingura), 1801-1802. Ōban, Nishiki-e,

36,4 x 25,1 cm. The Art Institute of Chicago, Chicago.

Das Chūshingura-Drama, parodiert
durch berühmte Schönheiten (Kōmei bijin
mitate Chūshingura). Ōban, Nishiki-e, 38 x 25,5 cm.

Bibliothèque nationale de France, Paris.

 

 

Die Schule von Tosa wurde während der Feudalzeit von einem Mitglied der berühmten Familie Fujiwara gegründet, dem Vizegouverneur der Provinz Tosa. Diese Schule gab im Yashiki mit dem prachtvollen Stil der aristokratischen Kunst das herrschaftliche Leben wieder, und zwar sowohl die Schlachten als auch die Zurückgezogenheit in Kunst und Liebesleben, wofür die Illustrationen des Liebesromans Die Geschichte vom Prinzen Genji (Genji Monogatari) der Dichterin Murasaki Shibiku ein aufschlussreiches Exemplar darstellen. Die Künstler der Tosa-Schule benutzten sehr feine, spitze Pinsel und brachten ihre Farben auf glänzenden, mit Gold überzogenen Hintergründen zum Leuchten. Dieser Schule verdanken wir aber auch die sich überlagernden Motive und die mikroskopischen Details der Wandschirme und der vergoldeten Lackobjekte, die in ihrer Schönheit nie mehr erreicht wurden.

Die Schule von Tosa hat man als „… Ausdruck eines glühenden Glaubens in der Reinheit eines vergeistigten Stils“ beschrieben, doch im Grunde verkörperte sie den Geschmack des Hofes von Kyōto und stand im Dienste der Aristokratie. Sie war das Spiegelbild der Mystik des Shintoismus und des geistlichen Gefolges des Kaisers. Die Zeremonien am Hofe, die Feste und religiösen Feierlichkeiten, die Tänze, an denen die in prachtvolle Gewänder mit ihren schweren, harmonischen Faltenwürfen gekleideten Daimyos (Feudalherren) teilnahmen, wurden mit vollendeter Eleganz und zarten Pinselstrichen dargestellt. Darin offenbart sich auch eine gewisse Ähnlichkeit mit den geheimnisvollen Methoden der persischen Miniaturmalerei.

Der Stil der Tosa-Schule wurde durch den zunehmenden chinesischen Einfluss aufgeweicht, der dank der rivalisierenden, von Kano Masanobu (ungefähr 1434 bis 1530) gegründeten Schule von Kano im fünfzehnten Jahrhundert seinen Höhepunkt erreichte. Die Schule von Kano hatte ihre Ursprünge in China. Am Ende des vierzehnten Jahrhunderts verließ der chinesische buddhistische Priester Josetsu sein Land, um nach Japan zu gehen. Aufbauend auf der mitgebrachten chinesischen Tradition, gründete er eine neue Dynastie, deren Nachkommen noch immer die berühmteste Strömung in der japanischen Malerei ausmachen. Die Schule von Kano war eine Bastion des Klassizismus. In Japan bedeutete dies vor allem, dass sie sich am chinesischen Vorbild und an den traditionellen Techniken orientierte und alle Themen vermied, die das Alltagsleben betrafen. Während die Schule von Kano dem von der Tosa-Schule bekämpften chinesischen Einfluss erlag, entwickelte die sich auf diese Weise zu einer ausschließlich nationalen Kunst.

Die Grundlage für die Techniken der Kano-Schule bildet die chinesische Kalligraphie. Der japanische Pinselstrich schreibt sich in die Tradition der chinesischen Kalligraphie ein. Mit der für die scharfen und gewagten Linien erforderlichen großen Gewandtheit wird den Zeichen des Alphabets die Wirkung eines Faltenwurfs verliehen oder sie werden in abstrakte Bestandteile aufgelöst. Die Kano-Schule mit ihren breiten Pinselstrichen, den bisweilen haarfeinen und den unterbrochenen Linien, deren Durchführung man im Japanischen als guantai, felsig, bezeichnet, was so viel wie rau oder abgehackt bedeutet, mit ihren scharfen Konturen und bisweilen einem Übermaß in der Anwendung all dieser Methoden, dieses „Chics“ der für die aristokratische Ästhetik typischen japanischen Ateliers, ist die Schule der Kühnheit und der technischen Meisterschaft.

The Laws of Fesole