Emma sog tief Luft ein, sobald sie wieder Atem holen konnte. Was zum Teufel war eben passiert?
Gerade hatte sie sich noch vor dem Badezimmerspiegel in ihrer kleinen Studenten-Wohnung in Dublin abgeschminkt, jetzt saß sie auf einem spiegelglatten, dunklen Steinfußoden – das musste grauer Marmor oder Ähnliches sein – und blickte zur Decke hinauf. Sie befand sich hoch über ihrem Kopf und lief wie in einer gotischen Kirche zu einer Kuppel zusammen. Das prachtvolle Zimmer war, bis auf das mit dunklem Stoff verzierte King-Size-Himmelbett, leer und die Wand direkt vor ihr sah aus wie ein riesiger Spiegel, der den ganzen Raum einfing und ihn doppelt so groß wirken ließ, als er ohnehin war. Während sie sich umsah, kamen ihr unwillkürlich die Worte ›erhaben‹ und ›trostlos‹ in den Sinn. Die vielen glatten, grauen Flächen, die hohen Säulen in jeder Ecke des Zimmers und die in den Himmel reichende Decke mochten zwar majestätisch wirken, doch sie waren auch ebenso kühl und unpersönlich. Sie stand vom Boden auf, klopfte sich den kaum vorhandenen Staub ab – der spiegelglatte Boden war picobello sauber – und versuchte sich einen Reim aus dem zu machen, was eben geschehen war.
Etwas war mit dem Spiegel nicht in Ordnung gewesen, er hatte vibriert, und als sie ihre Finger auf das Glas gelegt hatte, war es warm gewesen, fast heiß. Dann ging alles sehr schnell. Es fühlte sich an, als würde sie mit einer klebrigen Lackschicht überzogen werden, wie ein kandierter Apfel, bis sie nicht mehr atmen konnte. So schnell, wie es begann, war es auch wieder vorbei, und sie fand sich auf dem Boden dieses kalten, majestätischen Raumes wieder.
Das Bild des kleinen weißen Kaninchens aus Alice im Wunderland erschien in ihrem Kopf, doch statt in einen Kaninchenbau zu fallen, war sie von ihrem Spiegel verschluckt worden. Das musste ein Traum sein.
Nur, wieso fühlte es sich nicht wie ein Traum an?
Bevor sie sich darüber nähere Gedanken machen konnte, öffnete sich die Tür am anderen Ende des Raumes und ein junger, attraktiver Mann trat ein, der freundlich und etwas verwegen lächelte. Wow, Badboy-Charme hoch fünfundneunzig. Mann, dafür hatte sie eine Schwäche. Er kam ihr bekannt vor. Uni? Nein. Aus dem Yoga-Kurs? Auch nicht …
Dann fiel es ihr wieder ein. Sie war ihm vor einigen Nächten in dem neuen Club begegnet. Sie hatten miteinander geflirtet, bevor Nessi sie von ihm weggezogen hatte. Was zum Teufel machte er in ihrem Traum?
»Ich habe dich schon erwartet, Emma«, grüßte er mit einem schiefen Lächeln, als er vor ihr stand und sie in die Arme nahm. Er senkte seine Lippen zu ihren, doch bevor sie sich berührten, stemmte sie ihre Hände auf seine Brust und beugte sich nach hinten.
»Woah, immer langsam. Auch wenn das ein Traum ist. Willst du mir nicht wenigstens deinen Namen verraten oder so?«
»Selbst wenn ich ihn dir verraten würde, könntest du nichts mit ihm anfangen, Emma, meine Süße. Genieße doch einfach die Dinge, die ich mit dir tun werde.«
Okay, normalerweise stand sie nicht auf Männer, die dermaßen von sich selbst überzeugt waren, aber … ach, es war ein Traum und er war echt heiß. Auch wenn sie sich über diesen kalten Gothic-Ort, den ihr Verstand entworfen hatte, etwas wunderte, konnte sie sich doch einfach fallen lassen und aufhören, alles zu hinterfragen.
Aber war es nicht ungewöhnlich, dass ihr dermaßen viele Details in dem Zimmer auffielen? Waren Träume sonst nicht verwaschener? Eher wie Eindrücke und Gefühle, weniger präzise? Normalerweise spürte man im Traum nicht, ob es einer war oder nicht. In der Realität wusste man aber für gewöhnlich genau, dass es … keiner war. Sie studierte das Gesicht ihres Gegenübers. Die sinnlich geschwungenen Lippen, die halb geschlossenen Augen. Der Kerl sah geradezu unverschämt gut aus, dunkelbraune Haare, Dreitagebart, um die Mitte zwanzig wie sie selbst, athletischer Körperbau.
Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. War das überhaupt ein Traum? Oder war sie betäubt und entführt worden? Konnte sie sich deshalb nicht erinnern, wie genau sie hierhergekommen war?
Als sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, hielt er sie wie in einer Schraubzwinge, was ihre Befürchtungen nur bestätigte.
Sie riss die Augen auf. »Das ist kein Traum«, flüsterte sie. »Lass mich los!«
Mit dem Knie versuchte sie ihm zwischen die Beine zu treten, doch mit einer geschickten Bewegung wirbelte er sie herum, sodass sie mit dem Rücken gegen seine Brust gepresst wurde.
»Hmmm«, raunte er in ihr Ohr, »nur zu, wehr dich, Menschenmädchen. Das gefällt mir.«
Angst überflutete die Verwunderung und ließ sie in kurzen, scharfen Zügen atmen. »Menschenmädchen?«
»Ja, meine Süße. Ich bin ein Fay-Prinz. Hast du schon von der Welt der Fay gehört?«
Schwer schluckend schüttelte sie den Kopf, ihre Stimme versagte.
»Na, na, nicht lügen, meine Süße, ich bin sicher, dass du schon von den Sídhe gehört hast.«
»Aber das sind doch nur alte Legenden oder Gutenachtgeschichten für kleine Kinder.« Ihr Herz hämmerte spürbar gegen ihren Brustkorb. Ihre Stimme klang so dünn, dass sie nicht sicher war, ob er sie gehört hatte.
»Früher war es so viel lustiger, euch Menschen in unsere Welt zu entführen. Jetzt muss man euch erst einmal davon überzeugen, dass es uns überhaupt gibt und was wir sind.« Er seufzte. »Es wird höchste Zeit, dass mein Bruder seinen Plan ausführt, damit ihr euch wieder erinnert. Erzähl mir, was du vom Síd weißt.« Als sie nicht antwortete, bog er eines ihrer Handgelenke nach hinten, bis es mit einem lauten Krachen brach. Sie schrie vor Schmerzen, Tränen schossen ihr in die Augen.
Das Spielerische verschwand aus seiner Stimme. »Ich habe dich etwas gefragt«, grollte er. »Antworte mir. Was weißt du vom Síd, Emma?«
»Der … der Síd ist eine Bezeichnung für die Feenhügel«, wimmerte sie, um ihn nicht noch mehr zu verärgern. »Im Volksglauben heißt es, dass die Welt irgendwann einmal in zwei Bereiche aufgeteilt wurde. In den der Menschen und den der Sídhe oder Fay. Die Menschen können den Síd nur an bestimmten Orten oder zu bestimmten Tagen betreten, wie am 31. Oktober, an Samhain. Die Fay können aber jederzeit hinaus.«
»Braves Mädchen. Dann bist du doch nicht so unwissend, wie ich befürchtet hatte.«
Der verspielte Tonfall war zurück, doch er jagte ihr mehr Angst ein als sein Zorn. Sein stinkender Atem strich über die Haut ihres Nackens und sandte Übelkeitsstöße durch ihren Körper.
»Erzähl mir, was du über die Seelie- und die Unseelie-Fay weißt.«
»Nicht viel, ehrlich nicht«, wimmerte sie, »nur, dass die Seelie wohl zu den guten und hilfsbereiten Feen gehören und die Unseelie Schaden und Unheil bringen. Lässt du mich jetzt gehen, bitte? Das ist alles, was ich weiß. Wirklich.«
»Was weißt du über uns Prinzen?«
Die Antwort lautete ›nichts‹. Sie versuchte ihm das zu sagen, doch mehr als ein Schluchzen bekam sie nicht heraus. Zu groß war ihre Angst, dass ihn das verärgern würde.
»N-Nicht viel«, wimmerte sie schließlich.
»Wir sind die Schlimmsten von allen«, flüsterte er in ihr Ohr und strich liebevoll über ihr Haar. »Wir können so viel Spaß miteinander haben. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, du hättest es noch länger für einen Traum gehalten. Ich hätte das Spiel dann etwas hinauszögern können.«
Er wirbelte sie wieder zu sich herum und hielt sie fest an sich gedrückt. Ihr Handgelenk schmerzte so stark, dass ihr davon übel und schwindelig wurde.
Nessi hatte völlig recht gehabt, ihm zu misstrauen. Sie hatte einen sechsten Sinn für solche Dinge. Hatte sie etwa gewusst, was er war? Wie konnte das sein? Nessi hatte als Teenager-Ausreißerin eine turbulente Vergangenheit, doch eine Verbindung zu der Welt der Feen erschien Emma völlig absurd. Aber was dachte sie da für einen Quatsch … die Welt der Feen gab es nicht, das waren nur Märchen und Sagen.
Oder?
Sie war bisher nie in gefährliche Situationen geraten. Ihr Leben war ein ruhiger, gleichmäßig strömender Fluss gewesen. Sie würde hier mehr oder weniger unbeschadet herauskommen. Ganz bestimmt. Es gab keinen Grund, ihr weitere Schmerzen zuzufügen, wenn sie sich kooperativ verhielt, nicht wahr? Sein verwegenes Badboy-Lächeln verwandelte sich in eines, das ihre Furcht noch mehr schürte.
»Ich hätte zunächst die Vorspeise genießen können«, fuhr er fort, und der Klang seiner Stimme jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. »So muss ich gleich zum Hauptgericht übergehen.«
Mit den Worten presste er seinen Mund auf ihren. Sie wehrte sich gegen den Kuss, doch ihre Zähne drückten schmerzhaft gegen ihre Lippen, sodass sie nachgeben und sie für ihn öffnen musste. Nach wenigen Augenblicken überzog ein seltsames Kribbeln ihre Haut, und ihre Lippen fühlten sich taub an. Je länger er sie küsste, desto schwieriger wurde es, klar zu denken, beinahe so, als wäre sie betrunken. Längst wehrte sie sich nicht mehr und hing schlaff in seinen Armen.
»Schon besser, meine Süße«, sagte er.
Eine merkwürdige Freude überkam sie, weil er zufrieden war. Sie wollte ihm gefallen, wollte sich so benehmen, dass seine Bedürfnisse befriedigt wurden und er sie lobte. Nachdem er sich von ihr gelöst hatte, streifte ein kühler Luftzug ihre Lippen, und sie fühlten sich kalt und taub an. Sie streckte sich ihm entgegen, um den Abstand zu seinem Mund zu überbrücken und seine Zunge wieder in sich zu spüren. Sie wollte es, brauchte es, hielt es nicht länger ohne seine Berührung aus.
»Es ist so einfach, euch Menschen faysüchtig zu machen«, sagte er und lachte laut. »So leicht, wie einen kleinen Brownie zu treten. Du, meine Süße, scheinst besonders empfänglich dafür zu sein.«
Sie lächelte, weil sie offenbar alles richtig machte. Er schien zufrieden mit ihr. Während sie sich an ihn schmiegte, veränderte sich sein Aussehen. Seine Erscheinung fiel von ihm ab, als würde er sich wie eine Schlange häuten. Seine Haut wurde fahl und gelblich, die erotisch geschwungenen Lippen wichen Hundelefzen, hinter denen eine Reihe säbelartiger Zähne zum Vorschein kam, die so lang waren, dass er die Lefzen nicht um sie herum schließen konnte. Die Haare verschwanden und hinterließen eine Glatze, und seine dunkelbraunen Augen wurden spiegelglatt und milchig in der Farbe. Sie wich einen Schritt zurück, weil er so eklig und widerwärtig aussah.
»Nein, meine Süße«, sagte er und hielt sie fest, als könne er ihre Gedanken lesen. »Dich stört mein Aussehen nicht. Du hältst mich für den bestaussehenden Mann, den du je gesehen hast.«
Natürlich. Wie konnte ihr das vorher nicht aufgefallen sein? Aber etwas in ihrem Innern versuchte gegen diese honigsüße Stimme anzukämpfen. So sah doch kein gut aussehender Mann aus. Ihr Verstand klärte sich langsam, und sie konzentrierte sich auf diese Gedanken. Sie kämpfte gegen seine Worte an. Wirklich. Bis er seinen Mund mit diesen langen Zähnen wieder auf ihren presste und sie mit einem tiefen Kuss belohnte. In seinen Armen schmolz sie dahin. Sie schmeckte Blut, dann erst spürte sie den Schmerz an ihrer Lippe. Er hatte sie mit seinen säbelartigen Zähnen verletzt, doch das machte nichts.
»Du liebst mich«, sagte er zwischen zwei Atemzügen. »Nein, mehr noch, du vergötterst mich.«
Ja, sie liebte ihn. Sie liebte ihn mehr, als sie je jemanden geliebt hatte, und es entsprach der Wahrheit. Sie ergab sich seiner Umarmung, seinem Kuss voll und ganz, bis er seine Hand auf ihren Kopf legte und sie hinunterdrückte.
»So, meine Süße«, sagte er und löste den Gürtel seiner Hose. »Jetzt will ich deine Lippen woanders spüren.«
Vor ihm kniend nahm sie ihn in den Mund, als er ihn ihr grob hinein schob und seine Hüften vor und zurück bewegte. Was immer er von ihr verlangte, wollte sie ihm geben. Dazu war sie da, das war ihre Bestimmung. Seine Bewegungen wurden schneller, heftiger, und er hielt ihren Kopf fest gegen seinen Schoß gedrückt, bis sie keine Luft mehr bekam und würgen musste. Aber das war nicht schlimm, denn seinen Lauten nach zu urteilen, gefiel es ihm. Eine zähe, schleimige Flüssigkeit ergoss sich in ihren Mund. Süßer Nektar aus seinen Lenden, und er befahl ihr zu schlucken, obwohl sie kaum atmen konnte. Das war falsch, das wollte sie nicht. Tränen schossen ihr in die Augen, weil er noch immer ihren Kopf fest gegen seinen Schoß gedrückt hielt. Kurz bevor ihr Magen revoltierte, ließ er sie endlich los. Sie löste sich von ihm, und frische Luft strömte in ihre Lungen. Ihre Kehle schmerzte. Trotzdem verzehrte sie sich nach seiner Berührung, seinen Liebkosungen auf ihrem Körper.
»Leg dich auf das Bett«, befahl er, und sie tat es, doch nicht mehr ganz so euphorisch wie zuvor. »Du willst mich. Sag es«, grollte er. »Sag es!«
Selbstverständlich wollte sie ihn. Es gab nichts, was sie mehr ersehnte, und Begierde und Lust ließen ihren Körper schlaff werden. Geradezu teilnahmslos. Als er über sie kletterte, versuchte sie sich auf die Ellenbogen zu stützen und ihre gesunde Hand um seinen Nacken zu legen, um ihn an sich zu ziehen, seinen Körper zu küssen, doch er stieß sie grob zurück. Sie blieb ruhig liegen. Er schien die Nähe nicht zu mögen, und sie wollte ihm doch so gerne gefallen, wollte alles richtig machen.
Oder?
Wollte sie das wirklich? Ihre Gedanken fühlten sich nicht mehr ganz so betäubt an. Etwas blitzte durch all den Nebel in ihrem Kopf hindurch, doch es war, als würde der Funke diffus herumfliegen und sich außerhalb ihrer Reichweite befinden.
»Sag, dass ich dich hart nehmen soll«, knurrte ihr Geliebter über ihr.
»Nimm mich hart«, kam sie seiner Bitte tonlos nach.
Als er sie schlug, flog ihr Kopf zur Seite, doch sie spürte die Schmerzen kaum. »Nicht so! Es muss so klingen, als würdest du es wirklich wollen.« Er fletschte die gewaltigen Zähne. »Was beim Síd stimmt mit dir nicht, dummer Mensch? Du vergötterst mich, du vergötterst mich!«
Speichel tropfte auf sie herab, als er in sie eindrang und fest zustieß, aber auch das bemerkte sie kaum, denn ihr Verstand driftete davon.
»Du wirst mir dankbar sein, es gefällt dir, so von mir genommen zu werden.«
»Ja.« Sie sah zur Seite, während er sich in ihr bewegte und über ihr grunzte. Es kam ihr jedoch so vor, als würde sie unterhalb der Zimmerdecke schweben und alles von oben betrachten. Als hätte sie sich von ihrem Körper gelöst und gehörte nicht mehr dazu. Was er dort unten mit ihrem Körper tat, war ohne Bedeutung, denn sie war nicht mehr ein Teil dessen.
»Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du wissen, dass du dich nie wieder so fühlen wirst, wie du dich vorher gefühlt hast, ist das klar?«
Er hatte recht, das spürte sie. Dort, wo sich vorher ihre Liebe, Freude und Hoffnung befunden hatte, entstand ein Loch. Ein großes, leeres Loch.
»Sobald ich mit dir fertig bin und gehe, wirst du dich allein und verlassen fühlen. Nicht nur von mir, von jedem«, sagte er, während seine schnellen, unerbittlichen Stöße sie wund rieben, bis ihr Unterleib brannte. Sie ignorierte die Schmerzen. Ihm schien es zu gefallen.
Etwas stimmte nicht. Das war ihr klar, doch ihr Verstand weigerte sich, den Gedanken weiter zu verfolgen. Bald war es vorüber. Bald.
»Verdammtes eigensinniges Menschenmädchen.« Er schlug sie wieder. Ihr Kopf flog zur anderen Seite. »Nie wieder wird dich jemand lieben, weil du dich nie wieder lieben wirst. Du wirst dich verabscheuen, so sehr, dass du dir wünschst, tot zu sein. Aber du wirst dich nicht umbringen. Nicht, solange ich mit dir spielen will. Hast du verstanden?«
Sie nickte. Ja, sie hatte verstanden, und sie wusste mit schrecklicher Gewissheit, dass es so sein würde, wie er sagte. Als sich sein Gewicht von ihrem Körper hob, er seine Hose hochzog und den Gürtel schloss, war der letzte Funken Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Worte ausradiert.
»Du wirst hier auf mich warten und mir dienen, klar? Ganz gleich, was ich von dir verlange, wirst du mir geben.«
Sie nickte wieder.
»Beim Síd!« knurrte er. Offenbar war er wütend. Weshalb war er wütend? Gefiel sie ihm nicht? Hatte sie nicht alles getan, um ihn zufriedenzustellen? »Wenn ich gewusst hätte, dass du dermaßen leicht zu brechen bist, wäre ich die Sache langsamer angegangen. So macht das Ganze ja überhaupt keinen Spaß.«
Er packte sie schmerzhaft beim Schopf, zog sie auf die Beine und warf sie dann auf das Bett zurück. Sie ließ es mit sich geschehen, was sollte sie auch machen, um ihn daran zu hindern?
Kopfschüttelnd betrachtete er sie mit einem angewiderten Blick. »Ich fürchte, dass du zu nichts mehr zu gebrauchen bist. Ein bisschen mehr Kampfgeist hätte mir gefallen. Aber so …« Schulterzuckend wandte er sich von ihr ab und verließ das Zimmer. Und etwas in ihr zerbrach.
Sie war der Liebe nicht würdig. Wie sollte sie noch irgendwer lieben können, nachdem sie das hier zugelassen, ja sogar gewollt hatte? Sie hatte das Recht auf Liebe verwirkt. Warum sollten andere Achtung für sie empfinden, wenn sie die nicht einmal für sich selbst aufbringen konnte?
Nachdem er sie verlassen hatte, lag sie zusammengerollt auf dem Bett und starrte in die Laken. Irgendwann kehrte er zurück und zerrte sie fort. Weg vom Bett, raus aus dem erhabenen Zimmer. Stattdessen verfrachtete er sie in eine Ruine, grau, verkommen und trist. Wie sie selbst.
Sie kauerte sich mit dem Rücken gegen eine Wand, schlang die Arme um ihre Beine und wiegte sich vor und zurück. Vor und zurück.
Ihr Geist schwebte neben ihrem Körper, Zeit und Raum wurden bedeutungslos, bis jemand sie fand und fortbrachte.