ROBERT JORDAN

 

Conan, der Zerstörer

 

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

CONAN, DER ZERSTÖRER 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Epilog 

 

Das Buch

 

 

 

Viele Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung bildeten Europa, Asien und Afrika noch eine zusammenhängende Landmasse: den hyborischen Kontinent.

Es ist die Welt und die Zeit von Conan, dem Abenteurer aus dem düsteren nördlichen Grenzland Cimmerien, der die Steppen und Dschungel, die Gebirge und Ebenen auf der Jagd nach Beute durchstreift.

Sein Weg führt ihn in märchenhafte und sagenumwobene Länder, in prächtige Städte und an glanzvolle Höfe, an denen Könige oder mächtige Zauberer herrschen.

Immer wieder versucht man ihn, den einfältigen Barbaren, zu übertölpeln und zu versklaven. Doch mit seinen gewaltigen Körperkräften und der unglaublichen Schnelligkeit seiner Waffen sprengt er alle Ketten und lehrt seine Gegner das Fürchten...

 

Mit Hilfe ihrer schönen Nichte Jehnna versucht die machtgierige Prinzessin Taramis den seit Jahrhunderten schlafenden Gott Dagoth wiederzuerwecken, um ihn für ihr Ränkespiel zu benutzen. Sie gibt ihr, gemäß der geheimen Schrift Skelos', einen blauäugigen Dieb zum Begleiter – hinter dem sich kein Geringerer als Conan verbirgt, der erfahrene Schwertkämpfer und Abenteurer.

Taramis hat Conan für diesen Dienst ein göttliches Geschenk versprochen: Er soll mit seiner geliebten verstorbenen Gemahlin Valerie wiedervereint werden. Conan ahnt nicht die bittere Ironie des Angebots: Taramis weiß, daß sowohl er als auch Jehnna bei der Zeremonie der Erweckung Dagoths sterben müssen.

Gemeinsam mit seinen Freunden, dem Gauner Malak und Akiro, einem mittelmäßig begabten Zauberer, macht Conan sich auf den Weg, um Taramis' Auftrag zu erfüllen. Er hat keine Ahnung, welch verlogenes Spiel man mit ihm treibt und dass sein Tod beschlossene Sache ist...

 

Conan, der Zerstörer ist der Roman zum gleichnamigen Film aus dem Jahr 1984 (Regie: Richard Fleischer), mit Arnold Schwarzenegger in der Rolle des Conan, Grace Jones als Zula, Sarah Douglas als Königin Taramis und Olivia d'Abo als Jehnna.

Der Apex-Verlag veröffentlicht diesen Klassiker der Sword-&-Sorcery-Fantasy in der Reihe DIE CONAN-SAGA als durchgesehene Neuausgabe.

CONAN, DER ZERSTÖRER

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Die glühende Sonne versengt die zamorianische Steppe und versengte auch den berittenen Zug, der seinen Weg durch diese felsige Ebene und die sanften Hügel machte. Die Reiter trugen schwarze Harnische mit Ärmeln aus Kettengewebe, dazu Helme mit Nasenschutz und ebenfalls schwarzes Beinzeug. Auch die Pferde waren mit schwarzen Panzern gerüstet. Sie reichten über Rücken und Brust und schützten den ganzen Kopf und Nacken. Ein langer Krummsäbel hing von der Hüfte eines jeden Kriegers, und morgensternähnliche Keulen baumelten von den hohen Sattelknäufen. Doch die Hände, in denen man Lanzen erwartet hätte, hielten hölzerne Knüppel und Stöcke. Auch Netze trugen sie bei sich, beschwert und fest genug, selbst Tiger zu halten.

Den Reitern folgte ein hochrädriger Karren, gezogen von zwei Pferden. Ein gewaltiger Käfig war auf ihn gebunden. Die Stäbe seines Gitters waren dick wie das Handgelenk eines Mannes. Der Fuhrmann knallte fast pausenlos die Peitsche über sein Gespann, denn trotz der Sonnenglut und der schweren Panzerrüstung hastete der Zug dahin, denn verzögerte sich durch ihn das Erreichen ihres Zieles, mochten die Männer dafür mit dem Leben bezahlen müssen.

An der Spitze des Trupps ritt einer, der um einen Kopf größer war und Schultern um eine Hand breiter hatte, als all die anderen hinter ihm Sein mit Gold reich verzierter Harnisch - das Muster: verschlungene Arabesken um einen springenden Löwen - wies ihn als hochgestellten Krieger aus. Dieses Wappen hatte der Mann sich selbst erwählt, vor vielen Jahren schon, und man erzählte sich von ihm, dass er wahrhaftig mit derselben Wildheit kämpfte wie sein Wappentier. Dünne, zeitgebleichte Narben - eine quer über den Rücken seiner breiten Nase, eine andere vom Winkel des linken Auges zur Kinnspitze - verrieten, dass er schon lange dem Waffenhandwerk nachging. Momentan waren diese Narben jedoch unter dem schweißverkrusteten Staub fast verborgen.

»Sinnlos«, brummte er vor sich hin.

»Nichts, was ich tue, ist sinnlos, Bombatta.«

Der Riese richtete sich höher auf, als ein Reiter, ganz in weiches schwarzes Leder gekleidet, an seine Seite galoppierte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ein anderer die nur für ihn selbst bestimmten Worte hatte hören können.

»Ich sehe keinen Sinn...«, begann er, doch der andere unterbrach ihn mit einer Stimme, die selbst durch die dämpfende Ledermaske gebieterisch klang.

»Was getan werden muss, muss getan werden, wie es in der Schrift Skelos' steht. Genau, wie es niedergeschrieben ist, Bombatta.«

»Ich gehorche, wie Ihr befehlt«, versicherte Bombatta widerwillig.

»Natürlich, Bombatta. Aber ich höre auch eine unausgesprochene Frage. Stellt sie!« Und als der riesenhafte Krieger zögerte: »Stellt sie, Bombatta! Ich befehle es!«

»Was wir jetzt suchen«, sagte Bombatta gedehnt, »oder vielmehr, wo wir suchen - das kann doch gewiss nicht in der Schrift stehen.«

Auch das Lachen des anderen war durch die Ledermaske gedämpft. Der unverkennbar höhnische Klang ließ Bombatta erröten.

»Ah, Bombatta! Glaubt Ihr, meine Kräfte beschränkten sich auf Skelos' Werke? Bildet Ihr Euch ein, ich wüsste nur, was sie lehren?«

»Nein.« Bombattas Antwort war so knapp, wie er sie gerade noch wagte.

»Dann gehorcht mir, Bombatta. Gehorcht mir und vertraut darauf, dass wir finden werden, was wir suchen.«

»Ich gehorche Euren Befehlen.«

Der riesenhafte Krieger drückte seinem Pferd die Fersen in die Flanken, ohne sich um die Männer zu kümmern, die mit ihm Schritt halten mussten. Größere Geschwindigkeit, das wusste er, würde als Beweis seiner Gehorsamkeit angesehen werden, als Zeichen, dass er Vertrauen zu demjenigen hatte, der die Befehle erteilte. Sollten die anderen doch murren. Weiter trieb er sein Pferd an, ohne darauf zu achten, dass ihm bereits Schaum auszutreten begann. Seine Zweifel hatten sich keineswegs gelegt, doch zu lange hatte er darum gekämpft, seine gegenwärtige Stellung zu erklimmen, als dass er sie jetzt verlieren wollte, selbst dann nicht, wenn es bedeutete, dass er Pferde und Reiter in den Tod trieb.

 

Die Steppen Zamoras hatten schon viel Merkwürdiges erlebt, so dass jene, die hier Ungewöhnliches sahen, es kaum noch als solches erachteten. Wahnsinn, Banditen oder heilige Schwüre hatten zu verschiedenen Zeiten dazu geführt, dass einer in den Gewändern eines Edlen Goldmünzen in den Sand streute; dass nackte Männer verkehrtherum auf ihren Pferden durch die Sonnenglut ritten; dass eine Gruppe junger Mädchen in nichts anderem als blauer Bemalung von der Stirn bis zu den Zehen singend durch die sengende Hitze tanzte. Und wer nach einem Grund für dergleichen suchte, würde sich wundern.

Noch andere Verrücktheiten hatte es gegeben, manche sogar irrer, doch wohl keine, die seltsamer angemutet hatte, als die der beiden Männer, die fern jeder Stadt oder Ortschaft in einer Mulde, am Fuß eines steinübersäten Hügels, in der prallen Sonne arbeiteten. Ihre angebundenen Pferde weideten inzwischen auf dem kargen, zähen Gras in der Nähe.

Einer der Männer war ein hochgewachsener, muskelstrotzender junger Bursche. Seine Armmuskeln schienen die Haut zu sprengen, als er eine dicke Felsplatte auf vier graue Felsblöcke hob, die er zusammengerollt hatte. Damit die Platte waagrecht zu liegen kam, half er mit faustgroßen Steinen nach, die er darunter schob. Um seinen Hals hing an einem Lederband ein goldenes Amulett in der Form eines Drachens. Der junge Mann mit den gletscherblauen Augen war jedoch ein Krieger, kein Handwerker. Ein Breitschwert alter Arbeit hing an seinem Gürtel, und sowohl dessen Griff als auch der seines Dolches verriet, dass beide viel benutzt wurden. Nur dem flüchtigen Beobachter mochte das von einer Mähne geradegeschnittenen schwarzen Haares eingerahmte Gesicht ungezeichnet erscheinen. Wer näher in ihm las, erkannte, dass es an Erfahrung reicher war als die von mehr als drei Männern im Abend ihres Lebens.

Der Begleiter dieses blauäugigen jungen Burschen war sein genaues Gegenstück, sowohl was sein Äußeres als auch sein Handwerk betraf. Er war klein, drahtig, dunkeläugig, und sein öliges, am Nacken zusammengebundenes Schwarzhaar fiel über den Rücken. Er stand bis zu den Schenkeln in einer schmalen Grube und plagte sich damit ab, sie mit einer Schaufel, deren Stiel abgebrochen war, tiefer auszuheben. Zwei pralle Ledersäcke standen am Rand dieser Grube. Immer wieder wischte der Drahtige sich den Schweiß aus den Augen und fluchte über die ihm ungewohnte Arbeit, doch ein Blick auf die Säcke ließ ihn schnell wieder weiterarbeiten.

Schließlich warf er die abgebrochene Schaufel zur Seite. »Das Loch ist tief genug, Conan, oder was meinst du?«

Der kräftige junge Mann hörte ihn nicht. Stirnrunzelnd betrachtete er seiner Hände Werk. Es sollte ein Altar sein, aber in der Errichtung eines solchen hatte er keinerlei Erfahrung. In den rauen Bergöden seines heimatlichen Cimmeriens hatte er jedoch gelernt, dass Schulden beglichen werden müssen, ohne Rücksicht auf Kosten und Schwierigkeiten.

»Conan, ist es tief genug?«

Der Cimmerier bedachte seinen Gefährten mit einem grimmigen Blick. »Wenn du deinen Mund nicht zur falschen Zeit geöffnet hättest, Malak, brauchten wir die Steine jetzt nicht zu vergraben. Amphrates wüsste nicht, wer ihm seine Kleinode gestohlen hat, die Stadtwache wüsste es genauso wenig, und wir könnten jetzt in Abuletes' Schenke Wein trinken, mit einer seiner Tänzerinnen auf dem Schoß, statt uns hier im Schweiße unseres Angesichts abzuplagen. Grab noch ein wenig tiefer.«

»Mir ist dein Name wirklich nur herausgerutscht, als ich rief«, brummelte Malak. Er öffnete einen Sack und holte eine Handvoll Saphire, Rubine, Smaragde und Opale heraus. Seine Augen glitzerten, als er die funkelnden Steine zurückrollen ließ. Mit einem bedauernden Seufzer zog er die Lederschnur des Sackes wieder zu. »Ich hätte nie gedacht, dass er so viel hat! Hab' ich gestaunt! Ich hab's nicht mit Absicht getan.«

»Grab, Malak!« Conan blickte jedoch nicht auf den kleinen Mann, sondern den Altar. Er legte die Prankenhand um das goldene Amulett. Valeria hatte es ihm geschenkt, und ihm war, als fühlte er ihre Nähe, wenn er es berührte. Das Liebste auf der Welt war ihm die grazile goldenhaarige Kriegerin und Diebin gewesen. Als sie starb, war ihm, als reiße man ihm ein Stück aus dem Herzen. Er hatte sie sterben sehen, aber er hatte sie auch wiederkehren sehen, um ihm, an seiner Seite kämpfend, das Leben zu retten. Ja, Schulden mussten bezahlt werden.

Malak hatte wieder nach der abgebrochenen Schaufel gegriffen, doch statt zu graben, betrachtete er den Altar. »Ich hätte nicht gedacht, dass du an Götter glaubst, Cimmerier. Ich habe dich nie beten sehen.«

»Der Gott meiner Heimat ist Crom. Ein finsterer Gott ist er«, erklärte Conan. »Er schenkt dem Menschen das Leben und den eigenen Willen bei seiner Geburt, doch nicht mehr. Er schert sich nicht um Opfer und hört nicht auf Gebete oder Flehen. Was ein Mensch aus dem macht, was Crom ihm gegeben hat, ist seine eigene Sache.«

»Warum dann der Altar?«, fragte Malak, als Conan schwieg.

»Das hier ist ein anderes Land mit anderen Göttern. Es sind nicht meine Götter, aber Valeria glaubte an sie.« Conan zog die Brauen zusammen und hob das Amulett über den Kopf. »Vielleicht hören ihre Götter auf die

Menschen, wie die Priester es behaupten. Vielleicht schenken die Götter ihr dadurch ihre Gunst.«

»Wer weiß, was Götter bewegt.« Malak zuckte die Schulter. Er stemmte sich aus der Grube und setzte sich neben die Ledersäcke. »Wenn selbst die Priester...« Das ferne Klappern jenseits des Hügels von galoppierenden Hufen ließ ihn aufspringen. Japsend griff er nach den Ledersäcken. Blitzschnell hatte er ein paar Edelsteine in den Mund geschoben, und während er, das Gesicht schmerzvoll verzogen, schluckte, warf er die Säcke ins Loch. Hastig schaufelte er die Erde wieder hinein, stieß die Steine mit den Füßen darauf, nur um die Grube gefüllt zu haben, ehe die Reiter eintrafen.

Conan legte die Hand um den lederumwickelten Schwertgriff und spähte ruhig, in Erwartung der ersten Reiter, auf den Hügel. Sie mochten irgendwer sein, sagte er sich, und keineswegs hinter ihm und Malak her sein. Aber er glaubte nicht daran.

  Zweites Kapitel

 

 

Als ein einzelner Reiter in schwarzem Helm mit Nasenschutz und goldverziertem Brustpanzer über den Hügel kam, lachte Malak ein wenig zittrig. »Nur einer. Er ist zwar groß, aber mit ihm werden wir schon fertig, falls er...«

»Ich habe mehr als ein Pferd gehört«, unterbrach ihn Conan.

»Erlik hole sie!«, fluchte Malak. Er stemmte die Schaufel unter einen Felsbrocken und rollte ihn zu der fast gefüllten Grube. »Unsere Pferde!«, keuchte er. »Wir sind vielleicht schneller als sie.« Der Felsbrocken verbarg die letzten Spuren der Grabe-Arbeit.

Conan schnaubte nur. Es stimmte zwar, dass das Pferd des Riesen auf dem Hügel durch das Gewicht seines Panzers ebenso behindert war wie der Reiter unter dem des seinen und sie dadurch einen Vorsprung erlangen konnten, aber sie wären bald eingeholt. Ihre Reittiere waren von der Art, mit der man vorlieb nehmen musste, wenn man keine Zeit hatte, eine bessere Wahl zu treffen. Trotzdem hatte jedes so viel in Edelsteinen gekostet wie das Streitross eines Königs. Zwänge man sie zum Galopp, würden sie bestimmt schon nach einer Meile zusammenbrechen, und ihre Reiter wären der Gnade ihrer

Verfolger ausgeliefert.

Der Riese hatte auf dem Hügelkamm angehalten.

»Worauf wartet er?«, fragte Malak und zog zwei Dolche aus seinem Gürtel. »Wenn wir schon sterben müssen, sehe ich keinen Grund...«

Plötzlich hob der Reiter in der schwarzen Rüstung einen Arm und schwang ihn von Seite zu Seite. Bestimmt nicht viel weniger als hundert Reiter stürmten brüllend auf den Kamm in einer schwarzen Woge, die eine Gasse für den Riesen freiließ, der immer noch mit erhobenem Arm ruhig sitzenblieb. Rechts und links von ihm galoppierten sie zu Conan und Malak hinunter, um sie in einem Abstand von dreihundert Schritt einzukreisen.

»Man könnte glauben, wir seien eine Armee«, brummte Conan. »Jemand hält uns wohl für gefährlich, Malak.«

»So viele!«, stöhnte Malak. Er warf einen bedauernden Blick auf ihre Pferde, die jetzt kläglich wieherten und tänzelten, als wollten sie davonlaufen. Wie gern hätte er mit ihnen die Flucht ergriffen. »Mit dem Gold, das dieser Trupp kostet, könnten wir monatelang im Überfluss leben. Wer hätte gedacht, dass Amphrates sich so erzürnen würde?«

»Vielleicht hat er es nicht gern, wenn man ihm seine Edelsteine stiehlt«, sagte Conan trocken.

»Wir haben ihm ja nicht alle genommen«, brummte der drahtige Dieb. »Er könnte doch wirklich dankbar sein für das, was ihm geblieben ist, und den Göttern ein paar

Rauchopfer in den Tempeln weihen, um ihnen dafür zu danken. Er brauchte wirklich nicht...«

Der Cimmerier hörte überhaupt nicht auf die Tirade seines Gefährten, dazu kannte er des Kleinen Art, darüber zu klagen, was hätte sein können und was nicht, viel zu gut. Er achtete stattdessen angespannt auf vier der feindlichen Krieger, die dicht zusammen geritten waren und sich nun mit einem länglichen Bündel beschäftigten, das einer vor seinem Sattel liegen hatte. Er warf einen Blick zum Hügel hoch. Ein zweiter maskierter Reiter hatte neben dem Riesen angehalten, scharf beobachtend.

Plötzlich hob der Riese ein Messinghorn, wie die Edlen es auf der Jagd benutzten, und blies hinein. Der schrille Ton hallte vom Hügelkamm, und die vier mit dem Bündel rollten es zwischen sich auf und galoppierten geradewegs auf Conan und Malak zu. Vier weitere Reiter schlossen sich ihnen an.

Der Cimmerier runzelte die Stirn. Die vier ersten hielten ein Netz, und die anderen vier kräftige Stöcke, als wollten sie damit die Flucht ihrer Opfer verhindern.

Malak machte zwei Schritte auf ihre Pferde zu.

»Warte!« Trotz seiner Jugend klang Conans Stimme so gebieterisch, dass der Kleine stehenblieb. »Warte auf sie, oder wir werden leichte Beute.« Malak nickte grimmig, und die Knöchel seiner Hände um die Dolche begannen sich weiß abzuheben. Mit dröhnenden Hufen kamen die Reiter näher. Noch hundert Schritt - fünfzig - zehn. Die herbeistürmenden Krieger stießen ein Triumphgebrüll hervor.

»Jetzt!«, zischte Conan und sprang - auf das Netz zu. Stöhnend folgte ihm Malak.

Im Sprung erst riss der Cimmerier das Breitschwert aus der Scheide. Mit gewaltiger Kraft geschwungen, schnitt die Klinge durch eine Ecke des Netzes. Der Reiter, der sie gehalten hatte, galoppierte mit einem erschrockenen Aufschrei weiter und hielt nur noch ein Stück des dicken Seiles in der Hand. Der Krieger hinter ihm ließ die Zügel fallen und zog den Krummsäbel aus dem Gürtel. Conan duckte sich unter dem Hieb und stieß selbst nach oben unter den schwarzen Brustpanzer. Der aufgespießte Krieger schien vom Sattel seines herbeistürmenden Pferdes nach hinten zu springen.

Während er fiel, riss Conan die Klinge frei und wirbelte herum, gewarnt durch den sechsten Sinn des Barbaren. Das Gesicht, das über ihm auftauchte, war unter dem Rand des dunklen Helmes vor Wut verzerrt, als wünschte der Mann sich, statt des Stockes einen Säbel zu schwingen, obwohl auch dieser Stock, wenn er hart genug geschwungen wurde, einen Schädel zerschmettern konnte. Des Cimmeriers Schwert schwang hoch und drang durch Fleisch und Knochen. Die Hand, die den Stock noch fest umklammerte, flog durch die Luft. Als der Verstümmelte die Linke auf den blutspritzenden Stumpf drückte, ging sein Pferd mit ihm durch. Hastig drehte Conan sich nach einem weiteren Feind um Malak kämpfte mit einem der Netzträger und versuchte, ihn aus dem Sattel zu zerren. Einer der beiden Dolche des kleinen Diebes fand eine Lücke zwischen Helm und Brustpanzer. Mit einem gurgelnden Schrei kippte der Reiter aus dem Sattel und riss Malak mit sich zu Boden. Schnell sprang der dunkeläugige Dieb mit gezückten Dolchen wieder auf die Füße. Der andere rührte sich nicht mehr.

Einen Augenblick standen Conan und sein Gefährte ihren restlichen fünf Angreifern reglos gegenüber. Das Netz lag nun verloren auf dem Boden. Die beiden, die das Netz hatten trafen helfen, hatten die Rechte um den Säbelgriff gelegt. Die mit den Stöcken schienen zu zaudern. Plötzlich warf einer den Stock von sich, doch ehe er seinen Säbel ziehen konnte, gellte das Horn erneut. Mit einem Fluch schob der Krieger den Säbel wieder ganz in die Scheide, und alle fünf galoppierten zu dem Kordon zurück.

Malak benetzte die Lippen. »Warum wollen sie uns gefangen nehmen? Das verstehe ich nicht.«

»Vielleicht ist Amphrates noch verrückter, als wir dachten«, erwiderte Conan grimmig. »Vielleicht möchte er gern sehen, was die Folterergilde aus uns machen kann.«

»Mitra!«, hauchte Malak entsetzt. »Weshalb musst du mich mit so was erschrecken?«

Conan zuckte die Schulter. »Du hast mich gefragt.«

Wieder schmetterte das Horn. »Mach dich bereit! Sie kommen wieder!«

Erneut trugen vier Reiter das Netz zwischen sich ausgebreitet, doch diesmal begleiteten zwanzig Mann sie. Während die Reiter herbeistürmten, gab Conan dem Kleinen einen unauffälligen Wink. Malak zuckte die Schulter und nickte. Die beiden standen abwartend wie zuvor. Näher kam das Netz, immer näher. Erst drei Schritte von den Wartenden entfernt schwang die Hälfte der Treiber dichter an das Netz heran. Diesmal würde es nicht ungehindert durchtrennt oder seine Träger getötet werden können.

Als die Treiber das Netz erreichten, sprang Conan nach links und Malak nach rechts. Netzträger und Treiber galoppierten zwischen ihnen hindurch, fluchten und versuchten die Pferde zu wenden. Ein Stock schlug nach Conans Kopf. Der, der ihn hielt, brüllte erschrocken auf, als sein Handgelenk in Conans Pranke verschwand und der Cimmerier ihn vom Sattel zog. Nur einmal schlug Conans Faust zu, und der Mann sank mit ausgeschlagenen Zähnen zu Boden.

Trommelnde Hufe machten ihn auf einen Angreifer hinter sich aufmerksam. Seine Hand schloss sich um den Stock, der den schlaffen Fingern entglitt. Er wirbelte ihn zum Rückhandschlag, und das schwere Holz krachte, als es gegen den Unterleib des herbeistürmenden Reiters prallte. Die Augen drohten dem Mann aus den Höhlen zu quellen, der Atem entwich ihm qualvoll, und er krümmte sich vor Schmerzen, während sein Pferd ohne ihn davongaloppierte.

»Conan!«

Ehe sein letzter Gegner auf dem Boden aufschlug, schaute der Cimmerier sich nach dem Grund von Malaks Verzweiflungsschrei um Zwei schwarzgepanzerte Krieger lehnten sich aus ihren Sätteln und schlugen auf eine blutige, sich windende Gestalt auf dem Boden ein.

Mit Wutgebrüll stürzte Conan sich auf sie. Zwei Leichen stürzten seitwärts, als er den kleinen Dieb, der völlig benommen war und dem Blut über das Gesicht rann, auf die Beine zog.

Der Cimmerier sah, dass die Netzträger erneut herbeistürmten, aber Malak war nicht mehr kampffähig, ja kaum noch fähig, sich auf den Füßen zu halten.

Mit schwellenden Arm- und Schultermuskeln schleuderte Conan seinen Gefährten zur Seite und sprang zum Netz. Er packte es und hob es hoch. Ein völlig überraschter Krieger flog aus dem Sattel und landete auf dem dicken Seilgewebe, in das er sich beim Rollen verstrickte. Ein Stock schmetterte auf des Cimmeriers Rücken, dass er taumelte, aber er wirbelte brüllend herum und stach die Klinge unter einen eisernen Brustpanzer.

Ein Entkommen war unmöglich, das wusste er. Zu viele Männer bedrängten ihn und hieben mit Stöcken und Knüppeln auf ihn ein. Von den Hufen aufgewirbelter Staub verkrustete seine schweißüberströmte Haut. Der süßliche Geruch von Blut stieg ihm in die Nase, und die wütenden Schreie seiner Gegner, die nicht verstehen konnten, dass er nicht zu Boden ging, füllten seine Ohren. Es war ihm klar, dass er bald fallen würde, doch ergeben würde er sich nie. Seine Klinge war ein Wirbelsturm scharfen Stahles, der alles, was er traf, entleibte. Allein durch seine Wildheit kämpfte er sich einen Weg durch die dichtgedrängten Berittenen, aber die Menge schloss sich wieder um ihn.

Laut schmetterte das Horn und übertönte den Tumult. Die Krieger, die ihn so bedrängt hatten, zogen sich zurück. Sichtlich widerstrebend ließen sie ihre Toten und Verwundeten liegen und entfernten sich galoppierend etwa dreihundert Schritt, um erneut einen Kordon zu bilden.

Erstaunt blickte Conan ihnen nach. Blut sickerte durch den Staub auf seinem Gesicht und besudelte den Rücken und die Vorderseite seines Wamses. Malak war verschwunden, nein nicht verschwunden: gefangengenommen, wie er sah. Er lag im Netz, und ein Arm und ein Bein hingen aus dem dicken Gewebe nach unten. Wie ein Schwein auf dem Weg zum Markt, dachte der Cimmerier unwillkürlich. Seine Wut wuchs, und er beschloss, keinesfalls so zu enden.

Langsam drehte er sich um und bemühte sich, alle um ihn im Auge zu behalten. Reiterlose Pferde tänzelten zwischen ihm und dem Kordon. Er könnte sich auf eines schwingen und seinen Weg freikämpfen, wenn er Malak im Stich ließe, doch das war nicht seine Absicht. Nahe bei ihm lagen Schwerverwundete, von denen einige um Hilfe flehten oder die Hand flehend den Schwarzgerüsteten entgegenstreckten.

»Kommt schon!«, forderte Conan die ihn Umzingelnden auf. »Bringen wir es zu Ende, wenn ihr den Mut dazu habt!« Da und dort bewegte sich ein Pferd, als hätte ein Reiter wütend sein Gewicht verlagert, doch nur Schweigen antwortete ihm.

Das Klappern von Steinen, die den Hügel herabrollten, meldete die Ankunft der zwei, die bisher auf dem Kamm geblieben waren. Der Riese im goldverzierten Harnisch blieb zehn Schritt von Conan entfernt stehen, während der Mann mit der schwarzen Ledermaske erst fünf vor ihm anhielt. Conan blickte ihm entgegen, doch die Maske verbarg, von den Augen abgesehen, das ganze Gesicht, und ein schwarzer Wollumhang alles andere. Aber wenn der Mann ihn zum Zweikampf fordern wollte, war er bereit.

Der Vermummte nahm den Helm mit dem Nasenschutz ab, dann die Ledermaske. Wider Willen holte der Cimmerier laut Luft, als er sah, dass ihm eine Frau gegenüberstand. Ihre dunklen Augen glühten über den hohen Wangenknochen, und rabenschwarzes Haar war in festen Zöpfen um ihren Kopf geschlungen. Schön war sie, von der Schönheit einer reifen Frau. Eine Wildheit sprach aus dieser Schönheit, aus dem festen Kinn und dem durchdringenden Blick. Als sie den Umhang zurückwarf, offenbarte er eine Reithose und ein Oberhemd aus schwarzer Seide, die eng an den vollendeten Rundungen ihres Busens und der Hüften anlagen. Noch einmal atmete Conan tief ein. Jede andere Frau hätte er eher erwartet als diese.

»Ihr seid der, den man Conan nennt!« Ihre Stimme klang sinnlich und doch gebieterisch.

Conan antwortete nicht. Dass sie ihren prunkvollen Palast und die herrlichen Lustgärten gegen die Sonnenglut der Steppe getauscht hatte, war erstaunlich genug, doch dass sie seinetwegen hierhergekommen war - und das bezweifelte er nun nicht mehr -, war mehr als nur ein wenig beunruhigend. Doch hatte er inzwischen lange genug unter jenen gelebt, die sich zivilisiert nannten, ohne die natürlichen Instinkte des Barbaren zu verlieren, um die Regeln des Überlebens in der Zivilisation zu lernen. Er würde keine Auskunft geben, ehe er nicht mehr wusste.

Die schmalen Brauen der Reiterin verzogen sich bei seinem Schweigen. »Ihr wisst doch, wer ich bin, nicht wahr?«

»Ihr seid Taramis«, antwortete Conan einfach, und sie runzelte die Stirn.

»Prinzessin Taramis!« Sie betonte das erste Wort. Sein Gesicht hatte die grimmige Miene beibehalten, und er senkte auch sein hiebbereites Schwert nicht. Sie war groß für eine Frau, und sie richtete sich noch weiter auf. »Ich bin Königstochter - und Schwester Eures Königs, Tiridates.«

»Tiridates ist nicht mein König«, entgegnete der Cimmerier.

Taramis lächelte, als bewegte sie sich in vertrauteren Gefilden. »Ja«, hauchte sie. »Ihr seid Nordländer, ein Barbar, nicht wahr? Und ein Dieb?«

Conan straffte die Schultern. Er versuchte, auf die ihn umringenden Reiter zu achten, damit ihm nicht entging, wenn sie mit den Netzen näherzukommen versuchten. Er wusste jedoch, dass diese Frau vor ihm die eigentliche Gefahr war. »Was wollt Ihr von mir?«, fragte er barsch.

»Diene mir, Dieb Conan.«

Er hatte schon früher Auftraggeber gehabt, die ihn für einen bestimmten Diebstahl oder Einbruch bezahlt hatten, und wenn er ihr Angebot nicht annahm, wäre seine einzige Alternative, gegen die restlichen schwarzen Krieger zu kämpfen. Trotzdem ging es ihm gegen den Strich. »Nein«, antwortete er.

»Ihr weigert Euch?«, fragte Taramis ungläubig.

»Es gefällt mir nicht, wie ein Tier gejagt zu werden. Ich bin kein Wildschwein, das man in einem Netz fängt.«

»Ich kann Euch unbeschreiblichen Reichtum und eine hohe Stellung mit Titel geben. Ihr könntet Edler in einem Marmorpalast sein, anstatt Dieb in einem verrufenen Viertel.«

Conan schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich bin nur an einem interessiert, das nur Ihr geben könnt.«

»Nur an einem? Was ist das, Barbar?«

»Meine Freiheit.« Der Cimmerier lächelte, aber es war das Lächeln eines Wolfes. »Und die nehme ich mir selbst.«

Die zamorianische Prinzessin blickte ihn sichtlich erstaunt an. »Glaubt Ihr wahrhaftig, dass ihr alle meine Krieger besiegen könnt?«

»Schon möglich, dass sie mich töten können, doch dadurch gäben sie mir nur eine andere Art von Freiheit. Und ich sterbe eher, bevor ich mich ergebe.«

Immer noch staunend sprach sie laut, ohne sich dessen bewusst zu sein: »Wie es in der Schrift steht!« Plötzlich schüttelte sie sich. »Ich will Euch in meinen Diensten haben, Conan. Und Ihr werdet mich ersuchen, in meinen Dienst treten zu dürfen.«

Der Riese im goldverzierten Brustpanzer sagte: »Lasst Euch nicht dazu herab, seinesgleichen überreden zu wollen. Ich werde ihn mir vorknöpfen, und dann schaffen wir ihn im Netz nach Shadizar zurück, genau wie seinen Helfershelfer.«

Ohne den Blick von Conan zu nehmen, machte Taramis eine Geste, als wische sie eine Mücke zur Seite. »Schweigt, Bombatta!«

Sie streckte die Hand mit der Innenfläche nach oben aus und bewegte die Finger, als zerdrücke sie etwas. Conan war, als streife ein Luftzug seine Brust, und er spürte, wie sich die Härchen auf seinen Armen aufstellten. Ohne dass es ihm bewusst geworden war, hatte er einen Schritt rückwärts getan. Um einen sicheren Stand zu haben, spreizte er die Beine, und er umklammerte den Schwertgriff noch fester.

Taramis ließ den ausgestreckten Arm an ihre Seite fallen, und ihr Blick wanderte zu dem behelfsmäßigen Steinaltar. »Alle Menschen haben einen Herzenswunsch, für dessen Erfüllung sie sterben oder töten würden.« Aus dem Ausschnitt ihres Oberhemds zog sie eine feine Goldkette, an der ein kristallklarer Stein wie eine Träne hing. Sie schloss die Linke um ihn, und die Rechte deutete auf den Altar. »Wir wollen sehen, was Euer Herzenswunsch ist, Conan.«

Aus den Fingern um den Stein flammte pulsierendes rotes Licht auf. Die Pferde der Krieger ringsum begannen verängstigt zu schnauben. Nur Taramis' Hengst verhielt sich still, er rollte jedoch die Augen, und seine Flanken zitterten. Grellrote Strahlen schossen aus der geschlossenen Hand.

Plötzlich leckten Flammen von den kahlen Steinen des Altars empor, und die Pferde der Krieger bäumten sich auf und versuchten durchzugehen. Niemand hätte Conan aufgehalten, wäre er in diesem Augenblick geflohen, denn jeder von Taramis' Mannen war ausschließlich damit beschäftigt, sein panikerfülltes Tier zu beruhigen. Doch Conan hatte nur Augen für die Gestalt, die plötzlich zwischen den Flammen erschienen war. Es war eine Frau mit weit über die Schultern wallendem Blondhaar und unversehrtem muskulösem und doch grazilem Körper.

Er biss die Zähne zusammen, um den einen Namen nicht zu rufen, und quetschte stattdessen »Hexerei!« hervor.

»Ja, Hexerei.« Taramis' Stimme war sanft, und doch übertönte sie mühelos das Wiehern und Schnauben der verängstigten Pferde. »Hexerei, die Euch zu geben vermag, was Ihr ersehnt, Conan: Valeria!«

»Sie ist tot«, sagte Conan rau. »Und das ist das Ende.«

»Das Ende, Barbar?« In den Flammen drehte sich der Kopf der Erscheinung, klare blaue Augen blickten in Conans. Sie setzte sich auf, streckte dem Cimmerier eine Hand entgegen. »Ich kann sie Euch zurückgeben«, sagte Taramis. »Ich kann sie in diese Welt zurückbringen.«

»Als lebenden Leichnam?«, knurrte Conan. »Ich bin ihresgleichen begegnet. Tot ist sie besser dran.«

»Nicht als Leichnam, Barbar. Als atmende Frau mit warmem, geschmeidigem Körper. Ich kann sie Euch geben, genau so, wie Ihr sie gern habt. Möchtet Ihr Euch ihrer Liebe für alle Zeit sicher sein? Ich kann sie Euch garantieren. Möchtet Ihr, dass sie zu Euren Füßen kriecht und Euch wie einen Gott anbetet? Ich...«

»Nein!«, krächzte Conan. »Sie war eine Kriegerin. Ich werde nicht zulassen...« Seine Stimme erstarb.

»Ihr glaubt mir also jetzt?« Die dunkeläugige Frau streckte den Arm aus. Sowohl die Flammen als auch Valerias Abbild verschwanden, und nur die Altarsteine blieben zurück - unversengt. Die kristallene Träne an ihrer Goldkette war wieder völlig klar. »Ich halte, was ich verspreche.«

Langsam senkte Conan das Schwert. Er hatte eine Abneigung gegen Hexerei, selbst wenn Zauberer sie wahrhaftig in keiner bösen Absicht ausübten, was allerdings selten genug vorkam. Aber - eine Schuld musste beglichen werden. Ein Leben war in freier Entscheidung für seines gegeben worden. »Gebt Malak frei«, bat er müde.

Bombatta höhnte: »Glaubst du wirklich, dass wir diesen kleinen Halunken laufenlassen, nachdem wir die Straßen Shadizars von einem Dieb mehr gesäubert haben. Er ist von keinem Nutzen für irgendjemanden auf dieser Welt!«

»Ein Dieb mehr oder weniger in Shadizar dürfte keine Rolle spielen.« Conan blickte den Riesen finster an. »Malak ist mein Freund. Entweder ihr lasst ihn frei, oder unsere weitere Unterhaltung wird mit dem Schwert geführt.«

Der Riese war dabei, den Mund erneut zu öffnen, da brachte Taramis ihn mit einem Blick zum Schweigen. »Holt den kleinen Dieb aus dem Netz«, sagte sie ruhig.

Bombattas Gesicht verriet unverkennbaren Ärger und Frustration. Heftig zog er sein Pferd herum und galoppierte zu dem bewachten, netzumwickelten Malak. In wenigen Augenblicken waren die dicken Seile durchtrennt, und der kleine Drahtige wurde auf den Boden

gerollt.

»Sie haben mir fast die Knochen gebrochen«, brummte Malak, als er auf Conan zu stapfte. »Was war denn mit dem Feuer? Wieso leben wir eigent...?« Sein Blick fiel auf Taramis, und seine Augen weiteten sich. »Aiii...« Er verbeugte sich mehrmals tief, während er Conan verzweifelt fragende Blicke zuwarf. »Wir sind ehrliche Männer, hochverehrte Prinzessin, was Ihr auch von lügnerischen Zungen in Shadizar über uns gehört haben mögt. Wir... verdingen uns als... als Karawanenwächter. Nie haben wir uns auch nur einen Granatapfel ohne Bezahlung angeeignet. Ihr müsst mir glauben...«

»Heb dich hinweg, kleiner Mann, ehe du erfährst, was ich alles über dich weiß!« warnte die Prinzessin.

Mit einem unsicheren Blick auf Conan ging Malak zögernden Schrittes auf ihre Pferde zu.

»Wir müssen uns eine Weile trennen«, sagte Conan zu ihm »So, wie wir es nach der Schlägerei in der Schenke zu den drei Kronen taten. Leb' wohl!«

Mit einem letzten zweifelnden Blick auf die Krieger ringsum rannte der kleine Mann zu seinem Pferd.

Nachdem Malak hinter dem Hügel außer Sicht verschwunden war - und immer noch sein Pferd antrieb und über die Schulter zurückblickte, weil er nicht glauben konnte, dass er tatsächlich frei war und niemand ihn verfolgte -, wandte Conan sich an Taramis: »Was möchtet Ihr, das ich für Euch tue?«

»Das werdet Ihr erfahren, sobald die Zeit gekommen ist«, antwortete die schöne Frau. Ein jetzt triumphierendes Lächeln spielte um ihre Lippen. »Im Augenblick gibt es jedoch bestimmte Worte, die ich von Euch hören will.«

Conan zögerte nicht. »Ich möchte in Eure Dienste treten, Taramis.« Eine Schuld musste beglichen werden, ohne Rücksicht auf die Kosten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  Drittes Kapitel

 

 

Shadizar war eine Stadt mit goldenen Kuppeln und alabasternen Spitztürmen, die sich aus dem Staub und den Steinen der zamorianischen Ebene dem strahlend blauen Himmel entgegenstreckte. Springbrunnen mit frischem klarem Wasser plätscherten zwischen den Feigenbäumen in schattigen Innenhöfen, während die pralle Sonne sich auf dem schimmernden Weiß der Außenmauern spiegelte. Die Verderbte nannte man Shadizar, die Verruchte, und mit vielen noch weniger schmeichelhafen Namen bedachte man diese Stadt, und mit Recht.

Hinter ihren gewaltigen Granitmauern waren die Sinnesfreuden so gesucht wie Gold, und häufig wurde eines gegen das andere ausgetauscht. Feinen Herren lief das Wasser im Mund beim Anblick verführerischer Mädchen nicht weniger oft zusammen als bei dem von feiner Zuckerbäckerei. Heißäugige Damen gingen an ihre Beute heran, wie Katzen an die ihre. Ein Ehepaar aus höchsten Kreisen, von dem er und sie ihre eigenen fleischlichen Lüste pflegten, ohne an den anderen zu denken, war im Augenblick das Gespött der Leute, da es durch viel Nachhilfe und Intrigen anderer zu einem Stelldichein zwischen ihnen gekommen war und sie erst zu spät erkannt hatten, wer der andere war.

So waren Wollust und Abartigkeiten die Seele Shadizars, doch der Handel war es, der für das nötige Gold dafür sorgte. Aus fernen Ländern kamen die Karawanen zu der Stadt: aus Turan und Corinthien, aus Iranistan und Khoraja, aus Koth und Shem. Perlen, Seide und Gold, Elfenbein, wohlriechende Essenzen und Gewürze - an nichts davon mangelte es in dieser Stadt der zehntausend Sünden.