Andreas Schlüter | Irene Margil
Ein Team startet durch
Mit Bildern von Michael Vogt
FISCHER E-Books
Liebe Leser,
diese Geschichte ist frei erfunden. Nichts davon ist wirklich passiert.
Wir danken Zeljko Ristic, ehemaliger Jugendtrainer bei Hertha BSC und heute Streetworker, für seine fachliche Beratung. Er gehört in Berlin zu einem Organisations-Team, das regelmäßig Straßenfußball-Touren veranstaltet.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2014
Autoren: Andreas Schlüter und Irene Margil
Mit Bildern von: Michael Vogt
Covergestaltung: GarstenYoung Marketing, Kommunikation für junge Zielgruppen unter Verwendung einer Illustration von Michael Vogt
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
ISBN 978-3-10-402978-8
»Waaas? Was hast du gesagt?«, brüllte Pedro rüber zu Max. Ein starker Regenschauer ging gerade auf dem ›Sparri‹, ihrem Bolzplatz, nieder und übertönte jedes Geräusch wie eine zu stark aufgedrehte Dusche. Innerhalb von Sekunden hatten sich die einzelnen Tröpfchen zu einem satten Unwetter entwickelt.
»Ich geh nach Hause!«, wiederholte Max. Er zog sein Käppi tiefer ins Gesicht und spreizte die nassen Arme vom Körper wie ein Westernheld kurz vor dem Duell.
»Wieso das denn?«, moserte Pedro. »Das ist doch nur ein Schauer!«
Max hob leicht den Kopf, senkte ihn aber gleich wieder, um sich nicht auch noch das Gesicht nass regnen zu lassen.
»Ein Schauer? Der Himmel ist pechschwarz! Mir reicht’s, Mann! Wir sind doch hier nicht beim Wasserball!« Max hielt sonst nichts vom Spielen ab, er nutzte jede freie Sekunde und jeden Ort, um seine Tricks zu üben. Aber das hier war einfach zu viel. Statt Balltechnik zu trainieren, platschte er durch die Pfützen bis zur Treppe an der Ecke des Spielfeldes.
»Ein Hai lässt sich doch nicht vom Wasser vertreiben!«, rief Pedro ihm hinterher.
»Ich schon!«, rief Max zurück.
»Und mit wem soll ich jetzt spielen?«, fragte Pedro. »Da hinten wird es doch schon wieder hell!«
Max zuckte mit den Schultern und winkte zum Abschied.
Eigentlich waren die Bedingungen auf ihrem Bolzplatz so gut wie sonst nie. Bei Regen konnten sie hier nämlich ungestört spielen. Die Knödel, wie sie die älteren Jungs wegen ihrer muskelbepackten Beine nannten, tauchten seit Tagen wegen des miesen Wetters nicht auf dem Sparri auf. Die hockten lieber im Fitnessstudio oder hingen sonst irgendwo im Trockenen rum. Endlich waren also mal keine großkotzigen Angeber auf dem Platz. Weit und breit kein Ulf, der über alles bestimmte. Kein Porky, der Ulf wie ein Schatten folgte und jeden blöden Spruch nachplapperte. Also eigentlich optimale Voraussetzungen. Zugegeben, der Platzregen war ein bisschen heftig, aber Pedro war fest davon überzeugt, dass er gleich vorüber sein würde. Jedenfalls war er noch lange kein Grund, sich wie die Knödel wasserscheu in die Hosen zu machen.
Pedro wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht trocken. Wie ein begossener Pudel stand er nun mutterseelenallein auf dem Platz.
Mit jedem neuen Regentag waren weitere Fußball-Haie weggeblieben.
Mehmet hatte, kurz bevor er verschwand, nur noch auf sein Smartphone gestarrt und ihnen alle paar Sekunden die neuesten Wettervorhersagen durchgegeben.
Uhuru und Dimitri trainierten ersatzweise Tischfußball im Multicafé.
Die Zwillinge Tim und Tom scheuten Wasser noch mehr als jede Katze.
Und Zachi, ihr Torhüter, hatte Pedro am meisten überrascht. »Mir geht dasch Wetter echt auf den Keksch!«, hatte er sich als Erster schon am zweiten Regentag verabschiedet. Die feinen Spucketropfen, die er dabei wegen seiner Zahnspange versprühte, fielen im Regen gar nicht auf.
Und nun war sogar Max geflüchtet!
Das waren sie: Pedros Mannschaft, die er sich zusammengestellt hatte, um mit ihr eines Tages in der Bundesliga zu spielen. Obwohl feste Mannschaften im Straßenfußball meistens nur bei Turnieren spielten, waren Pedro und seine Freunde überzeugt, ihr Ziel eines Tages zu erreichen. Um allen zu zeigen, dass sie dafür auch den nötigen Biss besaßen, hatten sie sich ›Fußball-Haie‹ getauft. Außerhalb ihrer Straßenmannschaft spielten sie noch in verschiedenen richtigen Fußballvereinen, abgesehen von Dimitri und Uhuru, die zwei reine Straßenkicker waren.
Plötzlich bemerkte Pedro einen Jungen hinter dem Gitter, der dort stand und ihn beobachtete. Er war ungefähr in Pedros Alter und hatte auch in etwa die gleiche Größe. Kleine Rinnsale strömten von seiner roten Kapuzen-Regenjacke auf seine braunen nackten Beine. Dazu trug er eine klitschnasse Umhängetasche.
Zumindest schien ihm Regen nichts auszumachen, dachte Pedro. Das war schon mal gut.
»Hey!«, rief er dem Jungen zu. »Wieso kommst du nicht auf den Platz?«