Volker Diel

Blacky

Ein Hund mit Charme und Humor

EPUB 9783927708242

Umschlaggestaltung: Volker Diel

Fotos im Innenteil: Volker Diel

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014

© Mariposa Verlag, 2014

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„Jeder Abschied ist die Geburt einer Erinnerung“

(Salvadore Dalí)

Mein Brief an Blacky

Mein lieber, kleiner Hund, während Deines langen, schönen Lebens von 13 Jahren und acht Monaten habe ich Dir nie einen Brief geschrieben. Aber heute, am Abend des 7. August 1990, einen Tag, nachdem Dein Köpfchen in meinen und Sabines Händen lag und Dein starkes Herz aufhörte zu schlagen und im selben Moment Du nicht mehr atmetest, beginne ich einen Brief an Dich, eine Rückschau auf ein Leben. Du hast den Menschen, die Dich liebten und die Du liebtest, unendlich viel Freude bereitet. Wie Du während Deines nun erloschenen Lebens alles verstanden hast, was ich Dir sagen wollte, so weiß ich auch jetzt: Deine Hundeseele wird diese Botschaft empfangen und aufnehmen. In dieser Gewissheit beginne ich nun meinen Brief an Dich, mein kleiner Blacky.

Zwei gescheiterte Existenzen treffen sich 

… im Treppenhaus des zweiten Stocks eines Hauses in der Schnellstraße in Hamburg-Altona. Du warst knapp zwölf Wochen alt, aber konntest schon sehr laut wimmern und jammern. Niemand in diesem Haus wollte Dich aufnehmen. In jeder Wohnung eine Katze 

Und ich? Wollte eigentlich keinen Hund mehr. Zwei Stunden später kam ich vom fünften Stock die Treppe hinunter und Du kamst mir im dritten Stock freundlich wedelnd und winselnd entgegen. Ich hockte mich zu Dir hin, streichelte Dich, sprach leise mit Dir und spürte Deine Zunge in meinem Gesicht. Deine braunen Augen, so leuchtend und lebendig, aber auch so traurig. Ich konnte Dir nicht widerstehen. Mit einem gespendeten roten Bindfaden als Hundeleine zogen wir beide los zum S-Bahnhof Holstenstraße. Zwei gescheiterte Existenzen. Deine Menschen hatten Dich offenbar zu Beginn der Frühjahrsferien im März 1977 rausgeschmissen, wohl, weil Du nicht mit den kleinen Kindern zurechtkamst oder sie nicht mit Dir.

Und ich? War gerade drei Wochen vorher, am 10. Februar 1977, aus dem Schuldienst geflogen und hatte jetzt viel Zeit. Auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft? Beim Umsteigen im Hauptbahnhof Anruf bei Angelika, um Deine Ankunft anzukündigen. Hast Du was dagegen? Nein, bring ihn mit, den kleinen Hund. Einen Tag lang solltest Du nur bleiben, dann ab ins Tierheim in die Süderstraße. So redete ich es mir ein. Doch es kam anders. Weissenhof lla in Hamburg-Farmsen – das sollte Deine zweite Heimat werden, kleiner Blacky. Als wir ankamen, hattest Du riesigen Durst und Hunger. Zwei große Schüsseln Wasser wurden von Dir ausgeschlabbert. Und dann ein Leberwurstbrot nach dem anderen! Anschließend hautest Du Dich in eine Ecke, rolltest Dich zusammen und schliefst bis zum Morgen durch. Vom Tierheim Süderstraße redete niemand mehr, eine neue Leine wurde gekauft – und Spielzeug. Zunächst noch zögernd und etwas unsicher konnte auch Angelika Deinem Charme nicht widerstehen.

Zwei haben sich gefunden

Ick bün all hier 

… sagte nicht nur der Igel zum Hasen, sondern auch der kleine Blacky, so nannten wir Dich nun, beim ersten Spaziergang allein mit Angelika am nahen Kupferteich. Weißt Du noch? Du hattest Dich irgendwo im Busch festgeschnüffelt, hörtest ihr Rufen nicht, und als sie verzweifelt und außer Atem – ohne Hund – nach Hause kam – da saßest Du kerzengerade, hechelnd und freudig wedelnd vor unserem Haus: Ick bün all hier!

Deine ersten Spielkameraden 

… waren „Töle“ und der Goldenretriever „Pedro“ im Weissenhof l, der so leidenschaftlich gern Kinderspielzeug verschluckte und deshalb oft operiert werden musste. Aus dem Stand sprangst Du über den Zaun und dann ging Euer Getobe los – bis zum Umfallen. Zum Zurückspringen über den Zaun warst Du meistens zu kaputt. Und „Töle“ … das war Deine erste große Liebe, mein Hund. Wenn Ihr beiden Euch auf der großen Wiese am Kupferteich traft, entschlüpfte ein freudiges Jauchzen Euren Kehlen und Ihr fielt übereinander her, wurdet ein einziges Knäuel von acht Beinen, vier Öhrchen, zwei Schnauzen. Es war eine wahre Freude, Euch beide miteinander spielen zu sehen! Und jetzt seid Ihr zwei Hundeseelen, die sich so sehr geliebt haben, vielleicht wieder vereint?

Erster Kontakt mit dem Tierarzt 

… und gleich eine schwierige Augenoperation, weißt Du noch? Kein Problem, meinte der etwas bärbeißige Dr. Schrader aus Rahlstedt, als er Deine stark tränenden Augen sah. Unters Messer mit dem Hund! Herrchen und Frauchen erbaten sich Bedenkzeit … Tage später brachten wir Dich in die „Kleintierklinik Rahlstedt. Es hieß Abschied nehmen für einen anzen Tag. Augenoperation unter Vollnarkose! Die Nacht verbrachtest Du in der „Patientenbox“ … Morgens holten wir Dich wieder ab und mussten lachen, als wir Dich sahen. Wie die Großmutter aus Rotkäppchen und der Wolf sahst Du aus mit Deiner Mullbinde um den Kopf!

Dein Erster Kontakt mit der Polizei 

… sollte nicht der letzte bleiben. Aber alles der Reihe nach. An einem heißen Sommertag 1977 warst Du plötzlich vom Grundstück verschwunden. Sonst tauchtest Du immer ganz schnell wieder auf, wenn ich pfiff, schnalzte oder Dich rief. Aber dieses Mal? Fehlanzeige. Mein Hund meldete sich nicht. Ich hetzte durch halb Farmsen, wurde immer trauriger, merkte, wie leer jetzt schon ein Leben ohne Dich für mich werden würde. Drei Monate kannten wir uns erst und schon warst Du mir ans Herz gewachsen! „Haben Sie einen schwarzen Hund gesehen? Weiß leuchtende Brust und goldig braune Pfoten?“ Niemand hatte Dich gesehen. Weinend kam ich wieder nach Hause. Angelika rief im Tierheim Süderstraße an. Nein, auch dort warst Du nicht. Wir sahen Dich schon gekidnappt und in irgendeiner Tierversuchsanstalt auf Nimmerwiedersehen verschwunden … Dann der letzte Versuch, fast schon ohne wirkliche Hoffnung:

Anruf bei der Polizeirevierwache Rahlstedt. Jaaa, dort war ein Hund abgegeben worden, auf den unsere „Personenbeschreibung“ zutraf. „Beeilen Sie sich aber“, meinte der Polizist am Telefon, „wir sind kein Tierheim, die Leute von der Süderstraße sind benachrichtigt, die sind wohl schon im Anmarsch.“ Ich rannte um mein Leben, um Dein Leben! Völlig ausgepumpt kam ich bei der Wache an – und sah Dich in einer engen Zelle, Dein weißer „Pullover“ und Deine leuchtend rote Zunge, Du strecktest mir Deine rechte Pfote durch die Gitterstäbe … Wir konnten uns gar nicht schnell genug in die Arme fallen, mein geliebter kleiner Hund!

Briefträger 

… waren Deine große Leidenschaft! Aber nicht so, wie man im allgemeinen denkt, mit „in die Hosen beißen“ und „in die Flucht schlagen“ usw. Ganz im Gegenteil!

Wie so viele Menschen, die Dir in Deinen Leben begegneten, lieber Blacky, konnte sich auch der junge Briefträger in Farmsen Deinem Charme nicht entziehen: Es war Liebe auf den ersten Blick – bei Euch beiden! Wenn Dein Briefträger bei uns klingelte, musste ich Dich rauslassen, denn nun war Toben im Garten angesagt! Manchmal fünf Minuten, manchmal 10 oder auch 15 Minuten. Stöckchen wurden geschmissen. Du holtest sie wieder und er musste sie Dir abjagen. Oder er hielt Dir ein Band hin, mit dem er vorher Briefe gebündelt hatte und dann wurde um die Wette gezerrt und gezogen! Jeden Morgen so zwischen zehn und elf Uhr, außer sonntags. Trafen wir Deinen Briefträger einmal unterwegs, zum Beispiel am verkehrsreichen Berner Heerweg, dann hatte ich große Mühe, dass Du nicht einfach auf die andere Straßenseite ranntest, um ihn heftigst zu begrüßen! Deine Liebe zu diesem Briefträger hast Du später auf alle Briefträger übertragen, was in Ammersbek und in Ahrensburg zu allerlei Missverständnissen führen musste, denn wie soll ein ganz gewöhnlicher Briefträger wissen, dass ein großer, gefährlich aussehender Hund sich ihm mit großen Sprüngen aus Liebe nähert! Du hast es bestimmt nie verstanden, warum diese Briefträger sich oft mit einem eleganten Sprung, hinter ihrem Fahrrad verschanzten und mich anschrieen: „Nehmen Sie sofort den Hund fest!“

Blacky ist Vater geworden 

… behauptete irgendwann im Herbst 1977 Dein Briefträgerfreund. Im Weissenhof 2b hatte eine Hündin Junge bekommen, die Dir zum Verwechseln ähnlich sein sollten. Du warst gerade 10 Monate alt, noch nicht geschlechtsreif, stelltest Dich beim Pinkeln immer noch breitbeinig in die Gegend. Es konnte also gar nicht stimmen, oder doch? Ich nahm Dich an die Leine und wir beide zogen zum Weissenhof 2b. Eine junge Frau öffnete und zwischen ihren Beinen guckte ein Welpe hervor, der glatt Dein Sohn hätte sein können! „Entschuldigen Sie, der Briefträger behauptet, Blacky sei der Vater von dem Kleinen!“ Die Frau lachte und klärte den Irrtum auf: „Der Vater ist uns bekannt. Er wohnt im Alten Zollweg, gleich neben der Sparkasse. Keine Angst. Sie brauchen keine Alimente zu zahlen.“ Na, Gottseidank!

Das Beinheben