Andreas Beune

SPINNING IST
WAS FÜR FRISEURE

Das neue Buch der Radsportzitate

Andreas Beune:

Spinning ist was für Friseure

Das neue Buch der Radsportzitate

Covadonga Verlag, Bielefeld - 2013
ISBN-Print 978-3-936973-79-2
ISBN-eBook 978-3-936973-84-6

Covadonga ist der Verlag für Radsportliebhaber.

Besuchen Sie uns im Internet unter www.covadonga.de oder bestellen Sie unseren Verlagsprospekt: Covadonga Verlag, Spindelstr. 58, 33604 Bielefeld

eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

Inhalt

An der Startlinie

Granden

Von Seriensiegern, Phänomenen und Campionissimi

Classiques

Die großen Eintagesrennen

Etappenweise

Die großen Rundfahrten

Typfragen

Von Vollblutsprintern, Bergziegen und Charmepedaleuren

Die ganze Welt dreht sich

Andere Länder, andere Sitten

Beobachtungsgabe

Fundstücke aus der Medienlandschaft

Risiko!

Von Sturzflügen und Dopingsümpfen

Das starke Geschlecht

Die feminine Seite des Radsports

Ohne Lizenz

Alle Mann auf die Räder!

Die lieben Verwandten

Über MTBs und Crosser, Triathleten und Flieger

Rennintelligenz

Das Rad, die Philosophie und überhaupt

Rennfahreralltag

Radsportweisheiten aus der Praxis

An der Startlinie

Radprofis kommunizieren gerne. Zwar mag es unter Berufsrennfahrern ein weithin akzeptiertes Schweigegelübde zum Thema Doping gegeben haben (und immer noch geben), doch was andere Aspekte ihres Sports angeht, zeigen sich professionelle Pedaleure mittlerweile ziemlich offenherzig. Das beweisen nicht nur die zahlreichen publizierten Autobiografien, die keineswegs ausschließlich von den großen Trophäensammlern geschrieben wurden. Auch auf ihren Homepages oder in den sozialen Netzwerken im Internet geben Radprofis Einblicke in ihr Alltagsleben. Nicht zuletzt erfreut sich auch bei ihnen der Kurzmitteilungsdienst Twitter enormer Beliebtheit. Über den Kreis der aktiven und pensionierten Profis hinaus gibt es zudem etliche weitere Menschen, die sich regelmäßig mit Herzblut über den Radsport äußern – seien es Sportdirektoren, Journalisten oder Fans. Auch hier hat das Internet in den vergangenen Jahren für eine Art Meinungsexplosion gesorgt.

Für den Betrachter dieser Sportart ergibt sich daraus eine herrliche Vielstimmigkeit, die in etwa so bunt ist wie die Trikots des Mapei-Rennstalls in den neunziger Jahren. Von wohlüberlegten Bonmots bis hin zu spontan Gefühlsausbrüchen ist alles dabei: Weis- und Bosheiten, Liebes- und Kriegserklärungen, Skurriles und Erhellendes …

Fast zehn Jahre sind vergangen, seit im Covadonga Verlag mit »Rennfahrerblut ist keine Buttermilch« ein erstes Buch mit Zitaten aus der Welt des Radsports erschienen ist. Seitdem ist der Zitatenschatz des Radsports weiter kräftig gewachsen – genau wie die Oberschenkel manch Fahrers nach entsprechender Medikamentenbehandlung könnte ein Zyniker oder allzu oft Enttäuschter spotten. Wie die Zahl der sauberen Profis in der jüngeren Vergangenheit mögen die gnädiger Gestimmten entgegenhalten.

Unabhängig davon gilt: Der Radsport lebt, weil auf der ganzen Welt viele Menschen mit und für ihn leben. Das möchte dieses Buch auf seine Weise abbilden.

Andreas Beune, Bielefeld im Mai 2013

Granden

»Papa, er ist ein Kannibale.«

Im Juli des Jahres 1969 brach der »Fußballkrieg« zwischen Honduras und El Salvador aus, kurz darauf blickte die Menschheit gebannt zum Mond, wo ein Astronaut einen ersten Schritt auf neuem Geläuf unternahm. In Frankreich ging fast zeitgleich die 56. Tour de France zu Ende. Die Mannschaftswertung sicherte sich Faema, ein italienischer Kaffeemaschinenhersteller. Bester Fahrer dieses Teams war Eddy Merckx. Der Belgier gewann nicht nur erstmals die Frankreich-Rundfahrt, sondern auch die Berg-, Punkte- und Kombinationswertung. Ein einmaliger Coup. Merckx’ Profikollege Christian Raymond berichtete seiner zwölfjährigen Tochter später von diesem Phänomen: Da gebe es einen Fahrer, der einfach niemand anderen etwas gewinnen ließ. Dank der spontanen Antwort der Tochter war Eddy Merckx um einen Spitznamen reicher, den er sich Zeit seiner Karriere durch ungezählte Husarenritte wahrlich verdiente.

An diese Anekdote erinnerte die »New York Times« anlässlich eines Besuchs, den Eddy Merckx der Stadt im Jahr 2011 abstattete. Nicht erwähnt wurde, ob Merckx dabei auch das Etablissement »The Cannibal« in der East Street aufgesucht hat. Ein Feinkostgeschäft mit angeschlossenem Restaurant, in dem es vor allem zwei Dinge gibt: Fleisch und Bier. Auf der Website findet sich auch die Erklärung des für ein Lebensmittelgeschäft ungewöhnlichen Namens: »Oh, und der Name? Der stammt von dem Rundfahrtspezialisten Eddy Merckx, der in den 60ern und 70ern als ›Kannibale‹ bekannt war.«

Eine kulinarische Verbeugung vor den Großen der Zunft gibt es auch andernorts. In Belfast zum Beispiel wartet das »Coppi Restaurant« mit mediterran inspirierten Gaumenfreuden auf. Die Besucher der Internetseite werden dabei nicht mit Fotos der angebotenen Speisen begrüßt, sondern stilecht mit einem Bild des Namenspatrons. Auf eine Konkurrenzlokalität mit dem Namen »Bartali« (und katholischen Fastenspeisen auf der Karte) warten Belfasts Gourmets und Radsport-Veteranen indes noch vergeblich. Bisher.

Coppi zeugte Anquetil; Anquetil aber zeugte Merckx; Merckx aber zeugte Hinault; Hinault aber zeugte LeMond; LeMond aber zeugte Induráin; Induráin aber zeugte Armstrong … Coppi indes wurde aus ausgemergelter Erde geformt, die das Blut der schönen Menschen eines vom Krieg verwüsteten Landes getränkt und fruchtbar gemacht hatte. Gott war damals gerade nicht verfügbar.

Bob Roll

Radsportlegenden werden in Zeitungen und Cafés gemacht. Und wieder zerstört.

Herman Chevrolet, flämischer Radsportjournalist

Merckx, das ist Attila für den Radsport.

»L’Équipe«

Merckx? Er war vielleicht kein Tyrann … aber in gewisser Weise war er ein Mafioso.

Patrick Sercu

Wenn ich mit Merckx zusammen vorn in einer Spitzengruppe fuhr, konnte ich mich nie des Gefühls erwehren, nur ein Schlachtopfer zu sein, das gerade zum Altar geführt wird.

Franco Bitossi

Ein Mann wie ein Waldbrand, ja, ein Ein-Personen-Flächenbrand, das war Merckx.

Giancarlo Ferretti

Wo immer in den siebziger Jahren ein Radrennen stattfand, wurde das Wort Gott folgendermaßen ausgesprochen: MERCKX.

Eric Fottorino, »Le Monde«-Herausgeber und Hobbyradsportler

Das Königreich Belgien ist vom Merckxismus befallen.

Das ehemalige Schweizer Magazin »Sport«

Wenn Eddy so weitermacht, ist es mit dem Merckxismus in drei Jahren vorbei.

Jacques Anquetil

Ich fand eigentlich immer schon, dass Merckx einfach nicht genug Gegenwind bekam.

Rik Van Looy

Ich verstehe nicht, warum sich die Leute beklagen, Merckx habe den Radsport vorhersehbar gemacht. Beschwert sich etwa irgendwer, Molière habe das Theater zerstört, Bach die Musik oder Chaplin das Kino?

Pierre Chany, langjähriger Leiter des »L’Équipe«-Radsportressorts

Noch halb im Schlaf rieb ich mir die Müdigkeit aus den Augen und sah das Gelbe Trikot über einer Stuhllehne hängen. Mein erster Gedanke war: Was mache ich im Zimmer von Merckx?

Bernard Thévenet über die Tour 1975

Warum ich immer so blass bin? Naja, so sieht man halt aus, wenn man sein Leben lang im Schatten von Eddy Merckx gestanden hat.

Joop Zoetemelk

Merckx mag der Stärkste gewesen sein, aber Coppi war der Größte.

Gian Paolo Ormezzano, italienischer Sportjournalist

Coppi und Bartali sind in die Geschichtsbücher eingegangen. Sie sind bekannter als fast alle anderen Figuren in der Geschichte Italiens, weil sie dem Land einst Hoffnung gaben.

Marco Pinotti

Bei uns in Italien diskutieren die Menschen heute noch beim Abendessen, wer von beiden besser war.

Marco Pinotti

Bartali ist ein Mann der Tradition. Er ist ein metaphysischer, von den Heiligen geschützter Mensch. Coppi hat im Himmel keinen, der sich um ihn kümmert. Er sitzt allein auf seinem Rad, hat keinen Engel auf der Schulter, der mittritt. Er denkt rational und glaubt nur an den Motor, der ihm gegeben wurde, an seinen Körper.

Curzio Malaparte, italienischer Schriftsteller

Bartalis Geheimnis war sein langsames Herz. Es schlug nur ein Mal in der Stunde, und wenn es das tat, gab ihm das genug Kraft, dass er auch den Eiffelturm hätte hochfahren können.

Ralph Hurne, Autor des Radsportromans »The Yellow Jersey«

Ihr werdet siegen wie Bartali!

Papst Pius XII. im Jahr 1948 in einer großen Ansprache an die katholische Jugend – noch am selben Sonntag musste Bartali eine deftige Niederlage einstecken

Ich brauchte keine Drogen. Vertrauen in die Muttergottes hat mich vor Erschöpfung und Schmerzen bewahrt.

Gino Bartali

Coppi hat sich nie bekreuzigt. Gott hat eh etwas Besseres zu tun, als einem Radrennfahrer zu helfen.

Fausto Coppi über Fausto Coppi (wie üblich in der dritten Person)

Sein früher Tod hat Coppi als eine Ikone bewahrt, die von der heutigen Realität völlig unberührt bleibt. Andere Radsport-Champions sind alt, senil oder fett geworden. Auf einigen liegt der Schatten von Dopingskandalen oder unverhohlener Kommerzialisierung. Coppi aber bleibt makellos.

William Fotheringham, britischer Radsportjournalist und Coppi-Biograf

Täve ist bescheiden, immer fröhlich, sieht aus wie eine Mischung aus Hans Modrow, Fred Astaire und Sepp Herberger und redet auch so.

»Der Spiegel« über Täve Schur

Wenn der sich vorgenommen hatte, 150 Kilometer zu fahren, ohne zu pinkeln, dann hat er’s geschafft. Und wenn ihm die Blase platzte.

Jan Schur über seinen Vater Täve

In den Bergen war mein Schatten mein einziger Gegner.

Federico Bahamontes

Wenn du nur gewinnst, kommt dein Name in die Statistiken. Wenn du überzeugst, kommst du ins Buch der Träume.

Jacques Anquetil

Wenn ich nicht dafür bezahlt würde, würde ich nicht einen Meter fahren.

Jacques Anquetil

Ich habe Jacques lange Zeit wie einen Hexenmeister betrachtet, der das große Geheimnis des Radfahrens entdeckt hatte.

Cyrille Guimard über Anquetil

Schon als zehnjähriger Bengel wollte er unbedingt reich werden, »um viel Kuchen essen zu können«, denn täglich kam er auf dem Schulweg an einer Bäckerei vorbei, und als Einziger konnte er sich die ausgestellten Süßigkeiten nicht leisten. Aus Frustration wurde der bettelarme Poulidor Radrennfahrer.

»Die Zeit« 1975 über Raymond Poulidor

Monsieur Poulidor, ich spreche Ihnen das Lob und die Bewunderung des französischen Volkes für Ihren Mut und Ihre Zähigkeit aus. Wenn der Sieger der Tour de France per demokratischer Wahl bestimmt würde, würde das Votum gewiss auf Sie fallen.

Valérie Giscard-d’Estaing, französischer Staatspräsident von 1974 bis 1981

Ich fahre Rennen, um zu gewinnen, nicht um die Leute zu erfreuen.

Bernard Hinault

Jeden Tag gibt es etwas, das mir verdeutlicht, warum ich diesen Sport so liebe.

Bernard Hinault

Die Nacht vor dem Rennen habe ich wie ein Baby geschlafen, weil ich wusste, dass ich am nächsten Tag gewinnen werde.

Bernard Hinault

Ich bin nicht besser als die anderen, ich kann nur mehr aushalten.

Bernard Hinault

Ein Champion bist du, wenn du auch in einem Terrain gewinnst, das dir nicht liegt.

Bernard Hinault

In New York kam mal ein Reporter auf unser Hotelzimmer und fragte Hinault, wie er sich mental optimal auf ein Rennen einstimme. »Nutzen Sie Visualisierungstechniken? Hören Sie irgendwelche inneren Stimmen, die Sie antreiben?« Hinault wälzte sich nur lachend auf seinem Bett und kriegte sich – ohne Übertreibung – geschlagene zwanzig Minuten nicht mehr ein.

Greg LeMond

Hinault? Der Kerl fährt dich nicht nur kaputt, er denkt dich auch kaputt.

Marino Lejaretta

Ich glaube, dass es zwei Phasen im Leben gibt: eine, um Rad zu fahren, und die andere, um sich in die richtige Arbeit zu stürzen.

Bernard Hinault

Zeigt mir einen Franzosen, der mit neunzehn in die USA gegangen ist, sich einen Vertrag als Baseball-Profi erkämpft und geschafft hat, was ich auf dem Rad erreicht habe.

Greg LeMond

Greg ist ein hervorragender Zweiter, aber einfach kein Sieger.

Laurent Fignon im Jahr 1985

In deinem Leben kommt doch als Erstes das Auto, dann das Rad, und dann erst ich.

Sean Kellys Frau Linda klagt an

Da mag was dran sein, nur die Reihenfolge ist falsch. Das Rad steht an erster Stelle.

Sean Kellys Replik

Sean Kelly gilt im Allgemeinen als der schweigsamste Radrennfahrer des letzten Jahrzehnts. Fragen von Rundfunkreportern beantwortet er, wenn’s irgend geht, ganz ernsthaft mit einem Kopfnicken.

»Der Spiegel« im Jahr 1986

Womit ich am meisten hadere, ist, dass wir gleich alt sind. Gott hätte es ja auch so richten können, dass ich nur gegen seinen Bruder fahren muss.

Gianni Bugno über Miguel Induráin

Ach Miguel, mit diesem Arsch kommst du nie einen Berg hoch.

Der Vater von Miguel Induráin zu Beginn von dessen Profikarriere

Die Gelassenheit habe ich von meinem Vater geerbt, einem Bauern. Du säst aus, du wartest auf das Wetter, dann erntest du … Eines aber musst du immer: Arbeiten.

Miguel Induráin

Meine Stärke lag darin, dass ich ausgeglichener und ruhiger war als die meisten anderen Fahrer.

Miguel Induráin

Wäre ich mit einem aggressiven Charakter geboren worden, hätte ich gewiss ein paar Rennen mehr gewinnen können.

Miguel Induráin

Jan wird Sportler des Jahres? Naja, eigentlich sollte es ja um das ganze Jahr gehen und nicht heißen »Sportler des Monats Juli«.

Erik Zabel, 1997

Seine Taille ist jetzt so interessant wie die von Top-Model Naomi Campbell.

»L’Équipe« über Jan Ullrichs jährlich wiederkehrende Gewichtsprobleme

Ich habe im Feld viele dünne Fahrer gesehen, aber nur wenige Tour-Sieger.

Jan Ullrich zu seinen Kritikern

Ich sehe überhaupt keine Alarmglocken läuten.

Jan Ullrich zu seiner Verfassung vor der Tour de France 2004

An Wunder zu glauben, fällt schwer. Lourdes liegt schon hinter uns.

Jan Ullrichs Betreuer Rudy Pevenage über den wachsenden Rückstand seines Schützlings bei der Tour 2004

In einem Feld ohne Doping hätte Ullrich sie alle geschlagen, und das auf Jahre.

Jef D’hont, belgischer Radsportpfleger und Enthüllungsbuchautor