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Schlesien, 1877. Als das Kutschpferd der beiden Baronessen von Hohenau durchgeht, rettet der Student Ferdinand Grüning ihnen das Leben. Sofort fühlt er sich zu den jungen Schönheiten hingezogen. War es eine Fügung Gottes, dass er die Mädchen durch das Unglück kennenlernte? Um sie wiederzusehen, beschließt er, sich mit Hilfe seines adeligen Kommilitonen Max von Bassewitz in die bessere Gesellschaft einzuschleichen. Doch er ahnt nicht, in wessen Visier er durch seine Schwindelei gerät ...

 

Die Hochwald-Saga spielt in der schlesischen Grafschaft Glatz und der Provinzhauptstadt Breslau. Über drei Generationen, von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, wird die wechselvolle Geschichte einer eng mit den schlesischen Wäldern verbundenen Familie erzählt.

Foto Michael MeinertMichael Meinert wurde 1979 in Datteln geboren. Er ist verheiratet und lebt heute in Mülheim an der Ruhr. Schon als Kind fand er zum Glauben an Jesus Christus. In der Hochwald-Saga, in der er tiefgehende und aktuelle Glaubensthemen mit der Handlung verwebt, entführt er die Leser ins historische Preußen.

www.michael-meinert.eu

Michael Meinert

 

Ehrlicher Schwindler

 

 

 

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Die Bibelzitate sind der Elberfelder Übersetzung (Edition CSV Hückeswagen) entnommen.

 

Titelfotos:

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Junge Frau © www.istockphoto.com,
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Junger Mann © www.shutterstock.com, 29228236,
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Foto Coverrückseite: © Tim Fuhrländer

 

Lektorat: Friedhelm von der Mark

Umschlaggestaltung und Satz:

DTP-MEDIEN GmbH, Haiger

eBook Erstellung:

ceBooks.de, Eduard Klassen

 

Paperback:

ISBN 978-3-942258-07-4

Bestell-Nr. 176.807

 

eBook (ePub):

ISBN 978-3-942258-57-9

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Für

 

Lieber Anonym,

 

die/der uns am 21. Januar 2015 von der E-Mail-Adresse
sagichnicht@wegwerfadresse.de eine Ermunterung hat zukommen lassen. Sie kam gerade zur richtigen Zeit. Ich hoffe, der Dank
erreicht Dich auf diesem Wege!

 

Und für alle, die diese Arbeit durch Gebet und mündliche oder schriftliche Ermutigungen unterstützen.

 

Danke!

Vorwort

Wurden Sie schon einmal entführt? Nein? Dann haben Sie noch kein gutes Buch gelesen. Denn Autoren sind Entführer. Sollten sie zumindest sein.

 

Aber Autoren sind freundliche Entführer. Ich verrate Ihnen immerhin, wohin ich Sie verschleppe. Und gebe Ihnen vorher ein paar Hinweise, was Sie erwartet.

 

Zunächst verschleppe ich Sie – wie jeder echte Entführer – an einen anderen Ort: nach Schlesien. Aber ich verschleppe Sie auch – und das schaffen echte Entführer nicht – in eine andere Zeit: ins 19. Jahrhundert, als Schlesien noch zu Deutschland gehörte, das damals Deutsches Reich hieß.

 

Genau genommen bringe ich Sie in das Venedig an der Oder: die wunderschöne Provinzhauptstadt Breslau (heute polnisch Wrocław). Und in das Jahr 1877, als die Industrienationen unter der Gründerkrise ächzten, in Breslau die erste Pferdebahn fuhr und die Gutsbesitzer unter der Missernte des Jahres 1876 litten.

 

Wenn es Ihnen in der Stadt zu laut und stickig wird, schleppe ich Sie einfach 100 Kilometer weiter in den Süden, in das winzige Dörfchen Wölfelsgrund (heute ca. 700 Einwohner, polnisch Międzygórze), umgeben von den Bergen der Sudeten. Übrigens schon damals ein Kurort, wovon noch heute die vielen Villen im Schwarzwälderstil zeugen. – Ich sage doch, Autoren sind freundliche Entführer.

 

Sie müssen sich trotz des Zeitsprungs zurück auch gar nicht groß umstellen. Die deutsche Reichseinigung vom 18. Januar 1871 hat den Deutschen das metrische System gebracht – die preußischen Maße Zoll, Elle und Meile können Sie getrost vergessen. Auch der preußische Thaler hat ausgedient, im Jahr 1877 zahlen wir im ganzen Deutschen Reich mit der Mark. Damit Sie eine ungefähre Vorstellung haben, wie viel die Mark wert ist (falls es zu einer Lösegeldforderung kommen sollte): 1 Mark von 1873-1899 hat einen Wert von 9,86 Euro (lt. Hamburger Staatsarchiv und Statistischem Bundesamt, Stand: 2013, Auskunft vom Zentrum Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam).

 

Und mehr müssen Sie für den Moment gar nicht wissen. Wie viel von dem, was Sie während Ihrer Entführung erleben werden, wirklich wahr ist, werde ich Ihnen im Nachwort verraten – wenn ich Sie wieder freilasse.

 

Aber ein Entführer kommt selten allein. Ich habe selbstverständlich Komplizen. Der Mann, der dafür sorgt, dass Ihre Fesseln richtig fest angelegt sind und Sie mir ja nicht entspringen können, ist mein Lektor Friedhelm von der Mark. Seine Waffen: manchmal fast anstrengende Genauigkeit und sein Drängen, den Text auch zum zehnten Mal kritisch zu überprüfen.

 

Dann darf ich Sie mit meinen vier harmlos wirkenden Komplizinnen bekannt machen. Gestatten, meine Probeleserinnen. Catharina, die besonders geistliche Themen hochsensibel hinterfragt hat. Anne-Kathrin, die rasend Schnelle und die wie der Rettungsdienst bei meinen Hilferufen immer zu einem nächtlichen (Lese-)Einsatz bereit war. Liliane, die sich trotz hoher Belastung mit erstaunlicher Gewissenhaftigkeit durchs Manuskript gewühlt hat. Elisabeth, die dafür gesorgt hat, dass Ihnen unterwegs ganz andere Charaktere begegnen als ursprünglich geplant.

 

Und noch eine Komplizin darf ich nicht vergessen: Franzi, meine Dialekt-Übersetzerin. Ihre Spuren sind im Buch nicht zu übersehen.

 

Diesen fünf Komplizinnen gilt mein ganz besonderer Dank, denn – obwohl es schier unglaublich klingt – sie bekommen vom Lösegeld leider keinen Cent ab. Ein Dankeschön meinerseits, eine kleine Aufmerksamkeit des Verlags und das Bewusstsein, diese Arbeit für ihren Herrn Jesus getan zu haben und von Ihm entlohnt zu werden – mehr kann ich ihnen nicht bieten. Aber vielleicht ist gerade das Letztere das Wertvollste.

 

Herzlichen Dank auch an alle, die mich auf verschiedenste Weise motiviert haben, bei der Recherche unterstützt haben, nach Rechtschreib- und Grammatikfehlern gesucht haben – und an meine Frau für ihre Geduld mit ihrem ewig (und viel zu laut) tippenden Ehemann.

 

So, genug der Plauderei. Entführer sind alles, aber ganz sicher keine geduldigen Menschen. Jetzt blättern Sie endlich um – und schon sind Sie in Schlesien.

 

Datteln, im Juli 2015 

Michael Meinert

karte

Karte: © www.deutsche-schutzgebiete.de

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Betreibers des Internetprojekts

www.deutsche-schutzgebiete.de.

Schneeberger Forst, 14. Mai 1877

 

Als der Jagdhund seines Vaters unvermittelt zu knurren begann, hielt Ferdinand Grüning inne und lauschte. Aus einiger Entfernung drang das Poltern eines näherkommenden Wagens herüber.

Ferdi nahm den Hund an die kurze Leine und schaute in den Abgrund zur Wölfel hinab, die parallel zum Weg verlief. „Elko, mach die Pferde nicht scheu! Das gäbe auf diesem schmalen Waldweg eine Katastrophe!“

Bestimmt waren es wieder Sommerfrischler aus dem Dorf, denen die wenigen Schritte hinauf zur Maria-Schnee-Kapelle schon zu viel waren. Alte Damen, die ihre Falten unter riesengroßen Hüten verbargen und durch Balancieren auf schwindelerregenden Absätzen Jugend vortäuschen wollten. Wenn sie schon in den Hochwald gefahren kamen, sollten sie wenigstens auf den Hauptwegen bleiben!

Da tauchte ein offener Einspänner zwischen den Bäumen auf. Elko schien das gar nicht zu behagen. Er stellte sich auf die Hinterbeine und bellte, als wollte er eine ganze Kompanie von Wilderern stellen.

Ferdi zog an der Leine. „Still doch!“, rief er.

Das Kutschpferd stieß ein lautes Wiehern aus, dann bäumte es sich hoch auf und schlug mit den Vorderhufen in die Luft. Ferdi unterdrückte ein derbes Schimpfwort. Das hatte ihm bei seinem letzten Gang durch den Hochwald, bevor er nach Breslau an die Universität zurückkehren musste, gerade noch gefehlt.

Aus dem Phaeton1 erklangen spitze Schreie, die das Pferd noch nervöser machten. Diese beiden Fregatten hielten sich offenbar für erfahren genug, selbst einen Wagen durch den Hochwald zu lenken.

Mit wütendem Wiehern ließ sich das Pferd wieder auf alle vier Hufe fallen, und Ferdi atmete schon erleichtert auf, als das Tier plötzlich schnaubend den Kopf zurückwarf. Ruckartig zog es an und jagte mit wehender Mähne auf dem schmalen Weg dahin, den leichten Phaeton wie einen Spielball hinter sich herziehend. Anscheinend waren den Insassen die Zügel entglitten, denn sie hielten stattdessen krampfhaft ihre wagenradgroßen Hüte fest.

Der Phaeton schleuderte hinter dem wild gewordenen Pferd her, dass der Dreck von den Rädern spritzte. Mal kam er dem Abgrund auf der einen, mal der mannshohen Böschung auf der anderen Seite des Weges gefährlich nahe. Jeden Augenblick musste es zu einem furchtbaren Unglück kommen. Und dann gnade Gott den beiden Damen!

„Los, hoch da!“, scheuchte Ferdi seinen Hund den Hang hinauf. „Und jetzt: Sitz!“

Dann presste er sich selbst an die Böschung. Wie Blitze zuckten die Gedanken durch seinen Kopf. Um die Damen zu retten, hatte er nur eine einzige Möglichkeit: das Pferd am Zügel erfassen und versuchen, es auf seiner Seite gegen die Böschung zu ziehen. Blieb nur zu hoffen, dass die Kutsche bei dem Manöver nicht umfiel und die beiden Damen in die Schlucht der Wölfel hinuntergeschleudert wurden.

Dem Pferd flogen Schaumflocken ums Maul und die Insassen der Kutsche stießen immer lautere Angstschreie aus.

Ferdi richtete seinen Blick auf die Zügel, die auf dem Boden neben dem Pferd herschleiften, und spannte jeden Muskel von der Zehenspitze bis zur Haarwurzel an. Er musste genau den richtigen Augenblick abpassen, um den Zügel zu ergreifen. Sollte ihm das nicht gelingen, würde ihn der taumelnde Wagen sicherlich erschlagen.

Als das Pferd nur noch wenige Sprünge entfernt war, wandte Ferdi sich in die Laufrichtung des Pferdes und duckte sich zum Sprung. Herr, hilf mir!

Er schnellte los, versuchte die Geschwindigkeit der Kutsche aufzunehmen und haschte nach dem Zügel. Ein scharfer Ruck riss ihn von den Beinen und er wurde mitgeschleift. Er spürte, wie seine Hose an den Knien zerriss und seine Haut abschürfte. Trotzdem ließ er den Zügel nicht los, sondern versuchte mit aller Kraft, den Kopf des Pferdes gegen die Böschung zu ziehen.

Ein empörtes Wiehern war die Antwort. Dennoch wurde das Pferd durch das Gewicht am Zügel zur Seite gezwungen – und blieb endlich vor der Böschung stehen. Den Zügel noch fest in den Händen, sank Ferdi neben dem Pferd zu Boden. Doch da bäumte es sich erneut auf, riss ihn mit hoch und schlug mit den Vorderhufen in die Luft, als wolle es die mannshohe Böschung erklimmen.

„Ruhig“, stieß er zwischen zwei Atemzügen hervor. Er versuchte, sich aufzurichten, um aus dem Bereich der schlagenden Hufe fortzukommen, doch es gelang ihm nur, sich ein wenig zur Seite zu rollen. Wenn er das Tier nicht schnellstens beruhigte, würde die wilde Jagd gleich von Neuem beginnen.

Die beiden Damen kreischten wieder los, was das Pferd dazu anspornte, mit noch mehr Wut zu steigen.

„Seien Sie doch still!“, rief er, und augenblicklich verstummten die Schreie. „Beruhige dich, Brauner“, sagte er mit tiefer Stimme zu dem Pferd und endlich ließ es seine Vorderhufe wieder auf die Erde fallen.

Ferdi lag mit pumpenden Lungen auf dem Waldweg, den Zügel hielt er immer noch umklammert. Erst jetzt bemerkte er, dass seine Hände bluteten, weil ihm der Lederriemen ins Fleisch geschnitten hatte.

„Danke, Herr“, murmelte er und spürte dabei, dass Staub und Sand zwischen seinen Zähnen knirschten.

„Welch ein Unglück!“ Wie aus weiter Ferne drang eine helle Frauenstimme an Ferdis Ohr. „Lena, sieh nur den schrecklichen Abgrund neben uns!“

„Wie mag es unserem Retter gehen?“, antwortete eine andere Stimme, die so lieblich klang wie Schuberts Lebensstürme, wenn sie von seiner Schwester und ihrem Mann vierhändig auf dem Klavier gespielt wurden. „Wir müssen unbedingt nach ihm sehen! Er wird doch hoffentlich nicht ernsthaft verletzt sein?“

Diese Worte brachten Ferdi dazu, sich auf die Knie zu erheben. Er warf einen Blick auf das Pferd, das immer noch unruhig hin und her tänzelte, ehe er ganz aufstand und an sich hinunterblickte. Anscheinend war er bis auf die Schürfwunden wirklich unverletzt geblieben, nur seine Kleidung befand sich in einem Zustand, der nicht für die Gegenwart von Damen taugte. Doch für diese leichtsinnigen Fregatten, die er ohnehin nie wiedersehen würde, musste es genügen.

Mit wenigen Schritten war er an der Kutsche und sah unter die weit ausladenden Hüte. „Donnerw... Verzeihung!“ Er wollte seinen Hut ziehen, doch der war ihm offenbar abhanden gekommen, denn er fühlte nur sein staubverkrustetes Haar.

Die Dame, die ihm am nächsten saß, beugte sich zu ihm herab. „Mein Herr, sind Sie verletzt?“

Vor lauter Verwirrung brachte Ferdi keinen Ton heraus. Das waren keine alten Schachteln, sondern zwei Mädchen, die höchstens 20 Jahre alt sein konnten. Und statt der mit Schminke übertünchten Falten sahen ihn zwei jugendliche Gesichter an, deren Schönheit ihn atemloser machte als der Kampf mit dem Pferd.

„Bitte verzeihen Sie“, stotterte Ferdi. „Mein Anzug ...“

Das Mädchen trat auf das Vorderrad und ließ sich von ihm aus dem Wagen heben. „Mein Herr, wir sind Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet.“ Sie streckte ihm beide Hände entgegen.

Ferdi starrte auf die fein manikürten Hände, dann in das lächelnde Gesicht, aus dem ihn zwei azurblaue Augen anstrahlten. Honigblondes Haar ringelte sich unter dem Hut hervor und schmiegte sich an ihre Wangen, in denen sich Grübchen bildeten.

„Gnädiges Fräulein ...“ Ferdi versuchte eine Verbeugung. „Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen einen kleinen Dienst erwiesen zu haben.“

„Klein? Oh, ich bitte Sie! Sehen Sie nur diesen schauderhaften Abgrund! Ohne Ihre Hilfe wären wir ohne Zweifel hinuntergestürzt.“ Sie zog ihre Hände zurück und fingerte zitternd nach der silbernen Kette, die um ihren Hals hing.

Nun erhob sich auch das andere Mädchen und schickte sich an, aus dem Wagen zu steigen.

Eilfertig trat Ferdi näher und reichte ihr die Hand. „Sie gestatten trotz meines ramponierten Äußeren?“

Sie deutete ein Lächeln an, und Ferdi war augenblicklich fasziniert von dem Leuchten ihrer dunklen Augen. Nach kurzem Zögern ergriff sie seine schmutzstarrende Hand.

Ferdi bemerkte mit Entsetzen, dass seine Hand Blutspuren an ihrem blütenweißen Handschuh hinterließ. „Bitte verzeihen Sie“, murmelte er.

„Oh, meine Güte, Sie sind ja doch verletzt!“, rief die Blonde und ergriff seine Hand. „Lena, was tun wir nur?“

„Es ist nicht der Rede wert“, erwiderte Ferdi, zog seine Hand zurück und schob sie in die Hosentasche. „Sie sind wohl Sommerfrischler?“

„Ja, wir wohnen mit unserer Mutter in Wölfelsgrund im Hotel Zum gelben Dragoner. Heute ist unser letzter Tag und wir wollten uns vom Hochwald verabschieden.“

„Gerade so wie ich. Nur wählte ich dazu meine eigenen Füße, was offensichtlich bedeutend weniger gefährlich ist.“

„Es lag nur daran, dass Stefanie unbedingt selbst lenken wollte“, warf die Brünette ein, die Lena genannt worden war. „Ein unverzeihlicher Leichtsinn.“

„Zu Hause auf Gut Schönwalde lenken wir doch oft selbst.“ Die Blonde drehte die Kette um ihren Zeigefinger. „Und es ist nie ein Unglück geschehen.“

„Dort kennst du aber das Pferd und das Pferd dich“, wandte Lena ein. „Mit der Mietkutsche vom Hotel auf diesen schmalen und steilen Wegen war es nichts anderes als Leichtsinn.“

„Bitte streiten Sie nicht, meine Damen.“ Ferdi lächelte sie an. „Es ist ja glücklicherweise nichts geschehen.“

„Das wäre auch entsetzlich gewesen! Lena, denk nur! Wenn ich in Breslau auf dem Ball einen gebrochenen Arm oder gar einen verstauchten Knöchel hätte und nicht tanzen könnte ...“

Lena verdrehte die Augen. „Stefanie! Wir sollten Gott danken, dass weder wir noch unser Retter das Leben verloren haben.“

Ferdi warf Lena ein Lächeln zu. Dieser Stefanie schien ein Ball wichtiger zu sein als alles andere. Aber wer konnte es ihr verdenken? Offenbar wuchs sie auf einem Gutshof auf und hatte wohl nur selten Gelegenheit, einen Ball zu besuchen. Deshalb war es in diesem Fall wahrscheinlich auch für ein junges Mädchen von adeligem Stand ein ganz besonderes Ereignis. Allerdings schien Lena anders zu sein.

Er schüttelte den Kopf. Was gingen ihn diese vornehmen Mädchen an, dass er über ihre Charaktere sinnierte? Er würde sie ohnehin nie wiedersehen, obwohl sie – genauso wie er – nach Breslau gingen. Schließlich stammten sie aus einer völlig anderen Welt als er, Ferdinand Grüning, der einfache Sohn eines Oberförsters.

Lena wandte sich wieder dem Wagen zu. „Komm, Stefanie, wir müssen zurück ins Hotel.“

Sie ließ sich von Ferdi in die Kutsche helfen, wobei ihn ein leichter Lavendelduft umschmeichelte, und schenkte ihm wieder ein angedeutetes Lächeln. Er neigte den Kopf und half dann auch Stefanie beim Einsteigen.

Sie hielt seine Hand länger fest, als nötig gewesen wäre, und strahlte ihn mit ihren azurblauen Augen an. War es Zufall, dass eine ihrer blonden Locken seine Wange streifte? „Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank, mein Herr. Ich wünschte, wir würden uns noch einmal wiedersehen.“

Ferdi hätte am liebsten geantwortet, dass er diesen Wunsch mindestens ebenso heftig verspürte, doch er beherrschte sich. Diese Mädchen waren von Adel und seine Bemerkung dementsprechend unangemessen.

Er hob die Zügel auf und reichte sie der offenbar besonneneren Lena. „Fahren Sie vorsichtig. Das rechte Hinterrad ist lädiert, sollte aber noch bis Wölfelsgrund halten.“

Lena schnalzte mit der Zunge, und als das Pferd sich langsam in Bewegung setzte, warf Stefanie ihm noch eine Kusshand zu.

Unbeweglich blieb Ferdi stehen und sah der Kutsche nach. Da fuhren sie davon. Für immer. Aber in Kürze würden sie in Breslau sein – ebenso wie er. Sollte es nicht eine Möglichkeit geben, diese beiden Mädchen wiederzusehen? Wenn er bloß ihre Namen wüsste, dann könnte er vielleicht herausfinden, wo sie in Breslau wohnten.

Oder wenn es ihm gelingen würde, an einem Ball teilzunehmen. Sein Kommilitone Max von Bassewitz bekam regelmäßig solche Einladungen und erzählte immer wieder mit Begeisterung von den Bällen, Soireen, Wasserfahrten und Konzerten der gehobenen Gesellschaft. Und seine Schwester Lisa gehörte als Gräfin Schleinitz auch zu diesen erlesenen Kreisen. Bestimmt würde sich da etwas arrangieren lassen.

Der Phaeton mit den beiden Grazien verschwand hinter der nächsten Wegbiegung. Ferdi rief Elko heran und schob die Hände in die Hosentaschen. Er musste die Mädchen wiedersehen, und er war sicher, dass ihm dazu ein Weg einfallen würde.

* * *

Baronesse Helena von Hohenau fasste die Zügel lockerer, um das Beben ihrer Hände zu unterdrücken. Ihre Schwester Stefanie musste nicht merken, wie sehr der gefährliche Vorfall und die Begegnung mit dem Fremden sie aufgewühlt hatte. Und wie sehr sie sich über sich selbst ärgerte. Nicht einmal einen Dank hatte sie über die Lippen gebracht.

„Was für ein schneidiger Mann!“, unterbrach Stefanie ihre Gedanken. „Hast du seine stolze Figur gesehen? Bestimmt ist er Offizier.“

Lena presste die Lippen aufeinander. „Offizier? Daran glaube ich nicht.“

„Aber sicher doch! Diese Reiterfigur und solche Muskeln ... Stelle ihn dir nur in der blauen Uniform der Kürassiere vor. Ich bin überzeugt, dass er von Adel ist!“

Lena konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Seine Manieren waren aber weniger adelig.“

„Wie bitte?“ Stefanie blitzte sie mit ihren blauen Augen an. „Er setzt sein Leben für uns ein und du zweifelst an seinen Manieren? Und das, obwohl du selbst nicht ein einziges Wort des Dankes für ihn übrig hattest, was doch das Mindeste an Höflichkeit gewesen wäre?“

Musste Stefanie das unbedingt erwähnen? Sie ärgerte sich doch schon genug darüber, dass sie es wieder einmal nicht geschafft hatte, ihre Gefühle auszusprechen. „Nicht jeder, der uns das Leben rettet, muss gleich ein Adeliger sein. Er hat uns nicht einmal seinen Namen genannt, er hat nicht angeboten, uns nach Hause zu fahren, ja, er hat sogar zu einem Fluch angesetzt – nein, er scheint mir ein einfacher Bürger zu sein.“ Lena versetzte das Pferd in Trab.

„Ach, Unsinn! Sagte er nicht, dass er einen Abschiedsgang durch den Hochwald machte? Sicherlich hat er die Jagd gepachtet und kehrt jetzt wieder auf sein Schloss zurück. Wahrscheinlich ist er ein Prinz aus regierendem Hause, der sich nicht vorgestellt hat, um sein Inkognito zu wahren.“

„Du träumst wieder einmal, Stefanie.“ Lena starrte auf ihren Handschuh, an dem noch seine Blutspuren zu sehen waren. Ihr gut aussehender Retter wollte auch ihr nicht aus dem Kopf. Auch wenn sie nicht an den Prinzen glaubte, sah sie ihn doch auf einer Stufe mit den hochwohlgeborenen Personen der Gesellschaft. „Aber Adel hin oder her, er ist jedenfalls ein mutiger Mann. Das zählt viel mehr als ein von im Namen.“

„Und er sieht fabelhaft aus. Ich sage dir, er ist ein Prinz.“

„Allenfalls ein Märchenprinz.“ Lena löste die Riemchen ihres hochhackigen Schuhs und schlüpfte hinaus.

„Stelle dir bloß vor, wir würden ihn wiedersehen. Vielleicht
sogar bei dem Ball in Breslau, der uns zu Ehren gegeben wird.“
Stefanie richtete einen verzückten Blick zum Himmel. „Denke ihn dir im Frack, auf spiegelblankem Parkett ...“

„Stefanie, höre endlich auf zu träumen!“ Doch im Stillen musste sie zugeben, dass die Vorstellung ihrer Schwester etwas für sich hatte. Dieser Mann würde im Frack einen atemberaubenden Anblick bieten.

„Wie gern würde ich einmal mit ihm tanzen. Er ist bestimmt ein grandioser Tänzer. Aber ... hm.“

„Was?“ Lena warf Stefanie einen kurzen Blick zu, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Pferd und Weg richtete.

„Hast du mitbekommen, was Johanna mir sagte, bevor wir in den Wald fuhren?“

„Hat die alte Zofe schon wieder aus dem Nähkästchen geplaudert?“ Lena lächelte. Ihr ehemaliges Kindermädchen meinte immer, irgendwelche Geschichten erzählen zu müssen, mochten sie nun stimmen oder nicht.

„Sie hat mich gewarnt. Wenn wir in Breslau sind, sollen wir uns in Acht nehmen wegen irgendetwas, das vor langer Zeit vorgefallen sei. Es könne dort Menschen geben, die davon wüssten.“

Lena verdrehte die Augen. „Solch vage Andeutungen nimmst du ernst? Und was hat das überhaupt mit unserem Retter zu tun?“

„Wenn nun aber wirklich etwas vorgefallen ist? Wenn Johanna recht hat? Wenn es tatsächlich etwas gibt, das als Hindernis zwischen mir und meinem Prinzen stünde?“

Lena bog an einem Wegweiser, der nach Wölfelsgrund wies, ab. Zwischen den Bäumen konnte sie schon den mickrigen Kirchturm des Dorfes sehen. „Aber Stefanie. Was soll denn schon vorgefallen sein? Du wirst dich doch wegen eines Ammenmärchens nicht beunruhigen lassen.“

„Das dachte ich zuerst auch.“ Stefanies Stimme zitterte. „Aber als ich Johanna gedrängt habe, zu sagen, was sie weiß, wurde sie furchtbar nervös und hat mich angefleht, Mama nur ja nicht zu verraten, dass sie mir davon erzählt hat.“

Lena zog die Stirn in Falten. Offenbar hatte ihre Mutter der Zofe verboten, über diese Sache zu sprechen. Sollte an dem Geschwätz also doch etwas dran sein?

„Meinst du, Tante Valeria weiß etwas darüber?“, grübelte Stefanie weiter. „Oder Onkel Mutius? Ich würde sie zu gern fragen.“

„Ich glaube nicht, dass du gerade sie danach fragen solltest. Mir war die Mutius-Familie schon immer suspekt. Vergiss, was Johanna gesagt hat. Du kennst doch ihre farbige Fantasie.“

„Sie wirkte aber so ernsthaft – fast ängstlich. Ich hatte das Gefühl, dass es da wirklich etwas gibt. Ich würde Mamas Geschwister gerne danach fragen, sie könnten am ehesten etwas darüber wissen.“ Stefanie seufzte. „Wir werden ja schließlich in die Gesellschaft eingeführt, um möglichen Heiratskandidaten zu begegnen. Ich finde, da sollten wir Bescheid wissen. Stelle dir nur vor, ich würde dort meinen Märchenprinzen wiedersehen und er ...“

Lena verdrehte die Augen. „Deine Fantasie ist beinahe noch farbenprächtiger als die Johannas.“ Doch tief in ihrem Innern träumte auch sie davon, ihren schneidigen Retter wiederzusehen. Die Vorstellung, ihm beim Ball zu begegnen ... Lena sah auf ihre Hand mit dem blutigen Handschuh hinab. Wenn sie wenigstens wüsste, wer dieser Mann war! Dann könnte sie vielleicht nach ihm forschen. Aber das kam bei einem wildfremden Mann ja ohnehin nicht in Frage.

Sie sah zum Himmel hinauf, der zwischen den Wipfeln der Bäume hindurchschimmerte. Mein Gott, Du weißt am besten, was gut für mich ist. Und das Beste war bestimmt, dass sie keinen weiteren Gedanken an diesen Märchenprinzen verschwendete. Wenn er ihnen wirklich noch einmal begegnete, würde er wahrscheinlich nur ihre schillernde Schwester umschwärmen und sie, Lena, übersehen. Und falls er doch Interesse an ihr zeigte – eine Entzweiung mit ihrer Schwester eines Mannes wegen war das Letzte, was sie sich
wünschte.

* * *

Als Ferdi das Forsthaus durch die Stämme schimmern sah, blieb er stehen und schaute den breiten Fahrweg hinunter, der nach Wölfelsgrund führte, dorthin, wo sich die beiden Mädchen jetzt befanden.

Am liebsten wäre er sofort ins Dorf hinuntergelaufen, um nach den beiden Sommerfrischlerinnen Ausschau zu halten. Besonders die dunkelhaarige Lena mit den warmen braunen Augen wollte er unbedingt noch einmal wiedersehen. Und dazu musste er herausfinden, wo die beiden in Breslau logierten. Wenn sie erst einmal in der Hauptstadt waren, würde es ihm ungleich schwerer fallen, sie ausfindig zu machen. Allerdings sah er gerade aus, als habe er einen kapitalen Bock mit bloßen Händen erlegt. Also musste er sich zuerst umziehen. Hoffentlich bemerkte ihn seine Mutter nicht, sie würde ihn sonst mit tausend Fragen durchbohren, für die er keine Zeit hatte und auf die er keine Antwort geben wollte.

Vorsichtig näherte er sich der Haustür des elterlichen Forsthauses. Sein Vater hatte sich bestimmt in seinem Arbeitszimmer unter einem Berg von Papieren vergraben oder streifte irgendwo durch seinen Forst, aber seine Mutter konnte ihn leicht durch das Küchenfenster sichten.

Langsam drückte er die grüngestrichene Haustür auf, damit sie nicht in den Angeln kreischte. Auf Zehenspitzen tappte er durch den dämmrigen Flur, bis er die Treppe erreichte. Er setzte gerade seinen Fuß auf die unterste Stufe ...

„Da bist du ja, Ferdi.“

Er fuhr herum. Mit seinen vom Sonnenlicht geblendeten Augen konnte er nur mühsam die Gestalt seiner Mutter erkennen.

„Aber wie siehst du aus!“

Ferdi versuchte ein freches Grinsen. „Vermutlich leicht lädiert.“

„Vermutlich? Leicht?“ Sie lachte. „Man könnte meinen, du hättest dich mit einem Wildschwein gebalgt!“

„Vielleicht war es etwas Ähnliches.“ Ferdi wollte die nächste Stufe nehmen, doch seine Mutter war mit zwei Schritten bei ihm.

„So entkommst du mir nicht, Bursche.“ Trotz der Dämmerung sah er das Lachen in ihren Augen. „Ich will wissen, was dich in diesen Zustand versetzt hat.“

Ferdi seufzte leise. Die Mädchen in Wölfelsgrund zogen ihn an wie ein Magnet, aber seine Mutter schien ihn nicht so schnell entkommen lassen zu wollen. Wahrscheinlich hätte er einfach vor seine Mutter hintreten und ihr die Wahrheit erzählen sollen, dann wäre er schneller wieder aus dem Haus gewesen – aber noch schneller wäre er gewesen, wenn sie ihn gar nicht entdeckt hätte. „Nur ein unglücklicher Sturz.“

„Ich merke, wenn du flunkerst. So sahst du früher nicht einmal aus, wenn du beim Klettern von einem Baum gestürzt bist. Also: Heraus mit der Sprache!“

„Gestürzt bin ich schon, bloß ... Es war eine Kutsche.“

„Wie? Bist du angefahren worden?“

„Beinahe. Das Pferd war durchgegangen. Ich brachte die Kutsche zum Stehen, denn ich konnte die beiden Damen doch nicht in den Abgrund rasen lassen.“

„Ah, zwei Damen!“ Seine Mutter drohte lachend mit dem Finger. „Wohl jung? Und hübsch?“

Sie konnte aber auch hartnäckig sein! „Über Schönheit lässt sich streiten. Und jung – ganz jung waren sie nicht mehr.“ Schließlich waren sie ja schon den Windeln entwachsen.

„Mache mir nichts vor, Ferdi. Du druckst doch sonst nicht so herum. Es waren bestimmt reiche Sommerfrischler aus dem Dorf, die dir in kürzester Zeit den Kopf verdreht haben.“

Ehe Ferdi eine Antwort geben konnte, tönte die tiefe Stimme seines Vaters aus dem Dämmerlicht des Flures. „Lass ihn doch, Rahel, wenn er nicht davon erzählen mag.“

Ferdi war selten so froh gewesen, dass sein Vater sich in ein Gespräch mit seiner Mutter einmischte.

„Vielleicht hast du recht, Albert.“ Seine Mutter legte Ferdi die Hand auf den Arm. „Gehe nach oben und ziehe dich um. Ich habe zu deinem Abschied noch einen großen Rhabarberkuchen gebacken.“

„Aber Mutter, ich – ich ...“

„Was denn?“ Seine Mutter lachte hell auf. „Sind dir die beiden Damen so auf den Magen geschlagen, dass du nicht einmal mehr deinen Lieblingskuchen essen magst?“

„Doch, doch. Nur – ich – ich wollte eigentlich noch einmal hinaus in den Wald ...“

„Trifft sich gut.“ Sein Vater trat zu ihm an die Treppe. „Habe einen prächtigen Wildwechsel an der Wölfel entdeckt, den ich dir unbedingt zeigen will. Das wäre doch das Richtige an deinem letzten Abend zu Hause.“

Ferdi musste ein Stöhnen unterdrücken. An jedem anderen Tag wäre er gerne mit seinem Vater durch den Wald gegangen. Seit den Auseinandersetzungen wegen seiner Schwester Lisa vor sieben Jahren war sein Verhältnis zu seinem Vater viel besser geworden. Aber gerade heute Abend – es war die letzte Gelegenheit, nach Wölfelsgrund hinunterzugehen und sich im Gelben Dragoner nach den Mädchen zu erkundigen.

„Vater, gerade heute Abend passt es mir nicht so gut ...“

„Hast du noch etwas anderes vor?“

„Eigentlich nicht, bloß ...“

„Nun, was denn?“

Was sollte er nur sagen? „Ich wollte noch einige meiner Lieblingsplätze im Wald aufsuchen. Ich werde ja, bis mein Studium beendet ist, nicht mehr zurückkehren.“

„Dann gehe ich mit und zeige dir zum Abschluss den Wildwechsel.“

„Und jetzt ziehe dich um, dann kannst du den Kuchen vorher noch warm probieren, so wie du ihn am liebsten magst.“ Seine Mutter gab ihm einen Klaps auf das Hinterteil.

Mit hängendem Kopf stampfte Ferdi die Treppe hinauf. Das war es dann mit Wölfelsgrund und den beiden Damen. Er würde sie nie mehr wiedersehen. Nur in seiner Erinnerung würde ihm der sanfte Blick aus Lenas braunen Augen erhalten bleiben – und Stefanies fröhliches, von honigblonden Locken umrahmtes Gesicht. Es sei denn, es gelang ihm, Bassewitz oder Lisa zu überreden, ihn zu einem Ball mitzunehmen – und die beiden Mädchen wären zufällig auch zugegen.

„Sage einmal, Bassewitz ...“ Ferdi wippte auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch seines Freundes vor und zurück. „Du bist doch bisweilen zu Veranstaltungen der gehobenen Gesellschaft von Breslau eingeladen.“

Max von Bassewitz schlug mit lautem Knall das Reichsforstgesetz zu. „Selbstverständlich. Mein Vater ist doch gleichsam ein angesehener Großgrundbesitzer und hat gute Beziehungen hier in Breslau.“

„Ich weiß.“ Ferdi stand auf, ging zum Fenster und sah auf die Kutschen hinunter, die in pausenloser Abfolge an der Studentenwohnung seines Kommilitonen vorüberratterten. „Steht in nächster Zeit nicht wieder einmal ein Ball an? Oder eine Soiree, eine Matinee oder was es da alles gibt?“

Bassewitz stand von seinem Schreibtisch auf und griff nach einer Zigarre. „Gerade vorgestern habe ich wieder eine Einladung erhalten. Aber bitte, seit wann interessiert dich so etwas?“

Ferdi schob die Hände so tief wie möglich in die Hosentaschen. „Nun, ich dachte ... Von wem kam denn die Einladung?“

„Ach, was fragst du mich? Wo habe ich sie überhaupt?“ Er klemmte die Zigarre zwischen die Zähne und wühlte in den unzähligen Papieren auf seinem Schreibtisch. „Irgendeine junge Dame vom Lande soll in die Gesellschaft eingeführt werden, aber ich habe ihren Namen schon wieder vergessen.“

Unwillkürlich musste Ferdi an die beiden Mädchen denken, die er im Hochwald getroffen hatte. Ob sie auch zu diesem Ball eingeladen waren? „Es sind wohl viele vornehme Herrschaften geladen?“

„Gleichsam die ganze bessere Gesellschaft von Breslau. Ein Debüt ist immer etwas Besonderes.“ Bassewitz schnitt seine Zigarre an und setzte sie in Brand. „Ich glaube, es hing irgendwie mit der Familie von Mutius zusammen. Ich muss die Einladung unbedingt wiederfinden.“

„Mutius?“ Der Name sagte sogar ihm etwas. Als vor sechs Jahren Graf Ludwig von Schleinitz seine Schwester Lisa geheiratet hatte, hatte es mit dieser Familie von Mutius Schwierigkeiten gegeben. Aber sein Schwager wollte nie eingehender darüber sprechen – jedenfalls nicht mit ihm. Und inzwischen war sicher auch Gras über die Sache gewachsen.

„Genau, ich entsinne mich. Der Ball findet bei Schwentins statt – seine Frau ist eine geborene von Mutius.“

Also war der Gastgeber auch nur mit den Mutius’ verschwägert. „Bassewitz – ich möchte dich zu dem Ball begleiten.“

Sein Kommilitone sah ihn an, als habe er gerade erzählt, er sei zum Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten des Deutschen Reiches ernannt worden. „Bist du übergeschnappt? Du willst ...? Ich soll dich ...?“

Ferdi zog seine Hände so weit aus den Taschen, dass er die Daumen in die Gürtelschlaufe stecken konnte. „Ich bin nicht übergeschnappt. Ich habe es mir genau überlegt. Ich bin ein weitläufiger Verwandter von dir, besuche dich in Breslau – was liegt da näher, als dass du mich mit zum Ball nimmst?“

„Grüning? Sind die Rädchen in deinem Kopfe gleichsam aus der Ordnung geraten? Du bist weder mit mir verwandt noch von Adel ...“

„Was tut das zur Sache? In den Kreisen, in denen du verkehrst, kennt mich kein Mensch. Es ist nur ein einziges Mal, danach ist dein Verwandter wieder abgereist und niemand schöpft Verdacht.“

Bassewitz schüttelte den Kopf. „Ich zweifle fürwahr an deinem Verstand, Grüning. Du kannst dich doch nicht einfach in die Gesellschaft einschleichen! Wenn das herauskommt, bist nicht nur du in größten Schwierigkeiten, sondern gleichsam auch ich und meine Familie! Denke doch an meine Stellung!“

„Warum sollte es denn herauskommen?“ Ferdi hatte sich schon gedacht, dass sein Freund so reagieren würde. Er war immer ein wenig ängstlich, wenn es um seinen Ruf ging, wahrscheinlich aus Angst, dann zu keiner Gesellschaft mehr eingeladen zu werden.

„Du kennst die Gepflogenheiten der Gesellschaft nicht, die Manieren, die Sprache!“

„Nun, dein gleichsam kann auch ich in jeden zweiten Satz einfügen“, lachte Ferdi. „Außerdem vergisst du, dass meine Schwester eine Gräfin von Schleinitz ist.“

„Was heißt das schon! Sie ist eine geborene Grüning und die ganze Stadt zerreißt sich noch immer das Maul über die Mesalliance des Grafen Schleinitz!“

„Nun, zumindest kenne ich die Gepflogenheiten eurer hochwohlgeborenen Gesellschaft. Ich habe meinen Schwager Schleinitz oft genug beobachtet. Und du vergisst, dass ich bei Schleinitz’ Schwester Regina von Pritzen und ihrem Mann wohne – ebenfalls adeliger Abstammung. Darf ich dich darüber hinaus noch an die Abstammung meiner Mutter erinnern? Von Bredow – ebenfalls adelig.“

„Aber deswegen kannst du doch nicht ...!“ Bassewitz schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. „Das ist verrückt, gleichsam vollständig verrückt!“

„Meinetwegen erkläre es für verrückt. Aber ist es nicht das Privileg der Studenten und der Jugend, verrückte Dinge zu tun? Es ist ein einmaliger Scherz, über den wir noch in zwanzig Jahren herzhaft lachen werden.“

Bassewitz konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Er lehnte sich gegen seinen Schreibtisch und sah Ferdi an. „Verrückte Einfälle sind allerdings deine besondere Spezialität. Dann erkläre mir doch bitte genauestens, wie du dir das vorstellst.“

Ferdi ließ die Hände wieder tief in die Hosentaschen sinken. Er spürte, dass es ihm gelingen könnte, seinen Freund zu überzeugen. „Nehmen wir an, ein weit entfernt lebender Verwandter von dir kommt aus geschäftlichen Gründen nach Breslau. Selbstverständlich besucht er dich, wohnt auch bei dir, weil die spartanische Studentenbude des reichen Vetters Bassewitz genügend Platz bietet. Er kommt meinetwegen aus Berlin, weeßte, spricht perfekt det Berlinerische, und weil du jrad zu einem Ball injeladen bist, besorgst du deinem Vetter aus de Hauptstadt eene Einladung. Am Tag nach dem Ball reist der jute Vetter wieder ab und det war et dann schon.“

„Und woher bitte will besagter Vetter einen Abendanzug bekommen? Wie ich deine Kasse kenne, wirst du dir so etwas nicht leisten können, und meinen eigenen benötige ich erstens selbst und zweitens wird deine Hünengestalt nicht in einen Frack passen, der für meine Kugelgestalt geschneidert wurde.“

Ferdi grinste. „Nüscht is so einfach wie det. Den Jottfried samt Zylinder borge ich mir bei meinem Schwager Schleinitz, ohne dass er etwas merkt.“ Noch einfacher wäre es zwar, den Frack seines Gastvaters auszuleihen, doch leider hatte Pritzen eine ebensolche Kugelgestalt wie Bassewitz.

„Du brauchst aber mehr als nur Anzug und Zylinder.“ Bassewitz fuhr mit dem Zeigefinger unter seinen Hemdkragen, als wäre ihm zu warm. „Schuhe, Binder, Handschuhe ...“

„Ooch det is keene Schwierigkeit. Da wird der Herr Papa um een bissken Jeld jebeten.“

„Das klingt alles so einfach. Wenn aber herauskommt, dass ich dazu meine Hand gereicht habe ...“

„Das kommt nicht heraus, mein Freund.“ Ferdi trat nahe vor Bassewitz hin und senkte die Stimme, um seinen letzten Trumpf auszuspielen. „Denke einmal an die letzte Forstkunde-Klausur, als ein gewisser Maximilian von Bassewitz nicht ausreichend präpariert war. Da musste so ein hergelaufener Bengel aus Wölfelsgrund auch seine Hand zu einer Unredlichkeit reichen.“

„Das stimmt zwar.“ Bassewitz wiegte den Kopf. „Aber es ist doch gleichsam ein Unterschied, nur zu einer guten Klausur zu verhelfen oder direkt zu einer falschen Identität.“

Ferdi beugte sich vor. „Eine Hand wäscht die andere, mein Freund. Es steht doch bald wieder eine Rechtskunde-Klausur an – dein Lieblingsfach, nicht wahr? Ich höre dich schon sagen: Mein lieber Grüning, könntest du mir gleichsam ...“

Bassewitz zerstampfte seine Zigarre im Ascher und konnte dabei ein Grinsen nicht verbergen. „Ich fürchte, du hast recht.“ Er atmete tief durch. „Und wenn ich ehrlich bin: Dein Vorschlag ist zwar verrückt, aber er klingt auch nach einem Heidenspaß. Also gut: Hier meine Hand!“

Lachend schlug Ferdi ein. „Ich wusste doch, dass du für diesen Spaß zu haben bist, alter Junge.“

„Aber nur ein einziges Mal, verstanden? Nach dem Ball reist mein Vetter unverzüglich wieder ab.“

„Selbstverständlich.“

„Und aus Berlin darfst du auch nicht kommen. Das ist zu gefährlich. Es gibt zu viele Kontakte von hier in die Reichshauptstadt.“

„Na, det is nu wirklich schade.“ Ferdi setzte sich auf den Schreibtisch. „Was meinst denn, Spezl, wenn i aus dem Süden kimm? Aus München vielleicht?“

Bassewitz konnte ein Lachen nicht unterdrücken. „Wenn du das Bayerische so perfekt nachahmen kannst wie das Berlinerische, wäre das eine grandiose Lösung. Ich glaube kaum, dass jemand hier in Breslau Beziehungen hinter den Weißwurstäquator hat.“

„Na do schau her, dann bin i hoid a Bayer.“ Der Dialekt barg natürlich auch eine Gefahr. Wenn er auf dem Ball wirklich die beiden Sommerfrischlerinnen aus Wölfelsgrund wiedersah, würde ihnen bestimmt auffallen, dass er im Hochwald nicht bayerisch gesprochen hatte. Dann musste er ihnen eben erzählen, dass er inkognito in Wölfelsgrund gewesen war und deshalb hochdeutsch gesprochen hatte. „Jetzt müssen wir nur noch einen Namen für mich finden.“

„Jedenfalls musst du von Adel sein.“

„Wie wäre es mit einem Prinzen?“

Bassewitz riss die Augen auf. „Bist du denn des Wahnsinns Kofferträger? Du solltest so wenig Aufsehen wie möglich erregen!“

Ferdi musste über den entsetzten Gesichtsausdruck seines Freundes lachen. „Aber unter einem Grafen tue ich es nicht. Ich mag nicht von oben herab angesehen werden. Das geschieht mir als Ferdi Grüning schon oft genug.“

„Aber denke doch nur nach! Gleich ein Graf! Wenn das ans Licht kommt, kommst du wegen Hochstapelei vor Gericht!“

„Das droht mir auch als schlichter von. Wenn ich schon nur ein einziges Mal zu einem Ball gehe, dann nicht als unscheinbarer Krautjunker. Nein, mein Vater ist Großgrundbesitzer in Oberbayern und ich soll mir die Forstwirtschaft in den Sudeten ansehen. Deshalb mache ich einige Tage in Breslau bei meinem Vetter Station.“

„Aber warum gerade hier? So berühmt sind die schlesischen Wälder nun auch nicht, sondern eher unsere Industrie.“

„Nun, dann will mein Vater eben ein großes Stahlwerk aufbauen. Deshalb werfe ich einen Blick auf die schlesischen Industriegebiete.“

„Bist du denn auf diesem Gebiet bewandert? Es könnte sein, dass auch jemand von den Industriebaronen geladen ist, das würde dich gleichsam in Gefahr bringen. Wir sollten doch besser bei der Holzwirtschaft bleiben. In unseren Kreisen hat man für gewöhnlich viel Landbesitz.“

„Die Besitzungen meines Vaters könnten im Gebirge liegen, und deshalb schaue ich mir die Forstwirtschaft in den Sudeten an. Schließlich war ich ja in Wölfelsgrund.“ Ferdi grinste.

„Warum ausgerechnet dieses Kaff?“

Weil ihn die beiden Mädchen dort gesehen hatten. Und wenn sie – wie er hoffte – auf dem Ball waren, musste er selbstverständlich gerade aus Wölfelsgrund angereist sein. Aber das sollte Bassewitz besser nicht wissen. Wenn der merkte, dass er hübsche junge Damen wiederzusehen hoffte, würde er das ganze Unternehmen sofort absagen. „Wölfelsgrund kenne ich eben am besten, kann also nicht durch Unwissenheit auffallen. Und da ich einmal in der Gegend bin, lasse ich es mir nicht nehmen, meinen Vetter in Breslau zu besuchen.“

„So könnte es gehen.“ Bassewitz’ Wangen röteten sich mehr und mehr. Sein Freund schien langsam Spaß an der Sache zu bekommen.

Lächelnd hüpfte Ferdi vom Schreibtisch. „Nun brauchen wir für den bayerischen Grafen nur noch einen Namen. Huber ist wohl zu auffällig bayerisch?“

Von Huber klingt nicht gut.“ Bassewitz legte die Fingerspitzen zusammen. „Aber im Gotha stehst du natürlich auch nicht.“

„Im was? Was hat das winzige Gotha mit meinem Namen zu tun?“

„Da hast du es schon. Ich sagte doch, dass du vom Adel gleichsam nicht die geringste Ahnung hast.“ Bassewitz ging zum Bücherregal und zog ein kleines, aber umso dickeres Buch hervor. „Der Gothaische Hofkalender. Das genealogische Nachschlagewerk des Adels. Hier sind alle Regenten und ihre Familien sowie alle fürstlichen und gräflichen Häuser, die Anspruch auf die Anrede Erlaucht haben, aufgeführt.“

„Fantastisch.“ Ferdi schnappte sich das Buch und blätterte darin. „Wäre doch perfekt, wenn mein Name in diesem ominösen Gotha steht. Falls jemand auf den Gedanken kommt, meine Identität nachprüfen zu wollen.“

„Es gibt aber viele Grafenfamilien, die nicht im Gotha verzeichnet sind – dein Schwager Graf Schleinitz zum Beispiel. Einen solchen Namen zu überprüfen, dauert gleichsam viel länger. Außerdem kannst du dann nicht durch deine Unwissenheit über die Verwandtschaftsverhältnisse auffallen.“

Das Argument seines Freundes hatte etwas für sich. Aber Ferdi gefiel es nicht, als unscheinbarer Graf aufzutreten.

Er blätterte durch den Gotha. „Da!“ Er hielt Bassewitz das Buch unter die Nase. „Unter den Verwandten des Königs von Bayern steht ein Graf von Wedell. Offenbar ist dort jemand eine Mesalliance eingegangen.“

„Lass sehen.“ Bassewitz blätterte weiter. „In der zweiten Abteilung bei den fürstlichen und gräflichen Häusern ist kein Wedell aufgeführt. Falls wirklich jemand ernsthaften Verdacht schöpfen sollte, könnten wir gleichsam notfalls auf diese Verbindung einer Prinzessin von Bayern mit einem Grafen von Wedell hinweisen.“

„Warum notfalls? Ich finde es reizvoll, mit dem König von Bayern verwandt zu sein.“

Bassewitz beugte sich vor und fuchtelte mit dem Gotha vor Ferdis Nase herum. „Diese Verbindung wird nur im Notfall genutzt, wenn jemand Verdacht äußert. Nicht zum Spaß, hast du mich verstanden? Sonst gehe ich allein zum Ball und du kannst die Nase in das Reichsforstgesetzbuch stecken.“

„Nun gut.“ Daran sollte das Unternehmen nicht scheitern. „Graf Ferdinand von Wedell. Der Name hat Noblesse.“

Bassewitz stand auf und verbeugte sich übertrieben. „Herr Graf, es ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen.“

Ferdi verbeugte sich ebenfalls. „Ganz meinerseits, mei gschätzter Herr von Bassewitz.“

„Aber es geht ja doch nicht.“

„Wie bitte?“

„Deine Gasteltern sowie deine Schwester und ihr Mann sind doch sicherlich auch zu dem Ball eingeladen. Und ein Debüt werden sie kaum verpassen wollen.“

Ferdi ließ die Schultern hängen. Das war allerdings eine Schwierigkeit. Zumal er auch nicht Schleinitz’ Abendanzug nehmen könnte, wenn sein Schwager selbst den Ball besuchte. „Ich würde mich sehr wundern, wenn Ludwig und Lisa hingingen. Meine Schwester ist von der Schwindsucht arg in Mitleidenschaft gezogen, weshalb ich ja auch nicht bei ihr wohne.“

Er schloss die Augen. Wie eine Welle überrollte ihn die Sorge um seine Schwester. Immer wieder musste sie zur Kur nach Görbersdorf, was ihr zeitweilig Erleichterung brachte, aber die tückische Krankheit kehrte immer wieder zurück und fesselte sie ans Bett. Auch sein Schwager Ludwig hatte sich von seiner Verwundung, die er im Krieg gegen Frankreich erlitten hatte, nie ganz erholt.

„Bei meinen Gasteltern ist es etwas anderes. Sie sind zwar wegen ihres Glaubens keine großen Freunde der weltlichen Vergnügungen, aber es ist doch möglich, dass sie ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommen werden.“

„Tja, mein lieber Herr Graf, damit wäre dieser Traum gleichsam ausgeträumt.“ Bassewitz schien traurig und erleichtert zugleich zu sein.

„Ich werde herausfinden, ob Pritzens an diesem Ball teilnehmen. Falls nicht, kannst du den Grafen von Wedell doch noch anmelden.“

„Gut, einverstanden. Aber nur, wenn ganz sicher ist, dass keiner dort ist, der dich kennt. Auch deine Schwester und dein Schwager nicht.“ Bassewitz wühlte erneut in den Papieren auf seinem Schreibtisch. „Wenn ich bloß wüsste, wo die Einladung ist!“

Ferdi wandte sich zur Tür. „Während ich in Erfahrung bringe, ob jemand von meinen Bekannten dort ist, kannst du ja weiter nach der Einladung suchen.“

„Hier ist sie!“ Triumphierend zog Bassewitz die Karte zwischen den Zeitungen von gestern und vorgestern hervor. „Familie von Schwentin und Herr Oberst a.D. von Mutius geben sich die Ehre, und zwar am 9. Juni.“

„Das ist in zweieinhalb Wochen. Zeit genug, an den Abendanzug zu kommen und meine adeligen Verwandten auszuhorchen.“ Allerdings so auszuhorchen, dass sie keinen Verdacht schöpften. Besonders Regina von Pritzen und seine Schwester Lisa konnten außerordentlich hellhörig sein. Eine Mission, für die er eine gute Portion diplomatischen Geschicks benötigte. Aber wenn er dadurch die Möglichkeit bekam, das Mädchen mit den sanften Reh-Augen und ihre honigblonde Schwester wiederzusehen, würde er es wagen.