cover

Impact Investing

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen, die Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG und die BMW Stiftung Herbert Quandt als Herausgeber dieser Publikation danken den Förderern dieses StiftungsRatgebers:

Image

Impact Investing

Vermögen wirkungsorientiert
anlegen – ein Praxishandbuch

StiftungsRatgeber, Band 7

Image

IMPRESSUM

Hinweis:
Die in diesem Ratgeber veröffentlichten Beiträge geben die Erfahrungen und Meinungen der namentlich erwähnten Verfasser wieder, nicht unbedingt die der Herausgeber oder des redaktionellen Beirates. Die Herausgeber übernehmen keinerlei Haftung dafür.

INHALT

Vorwort

| Von Birgit Radow, Markus Hipp und Carl-August Graf v. Kospoth

Einführung

Bedeutung

„Eine wirkungsorientierte Investmentstrategie ist Ausdruck von Integrität und Glaubwürdigkeit“

| Interview mit Birgit Radow und Carl-August Graf v. Kospoth

Entwicklungen

Perspektivwechsel in der Vermögensanlage von Stiftungen

| Von Berenike Wiener

Standortbestimmung

Stiftungen können ihre Wirkungsbilanz deutlich erhöhen

| Von Mareike van Oosting

Perspektive Gesellschaft

Wertschöpfung durch Schenkgeldschöpfung

| Von Lukas Beckmann

Perspektive Sozialstaat

Kluges Zusammenspiel und Kommunikation gefragt

| Von Jake Benford

Perspektive Ökonomie

An der Schnittstelle von Wirtschaft und Gesellschaft

| Von Rolf D. Häßler

Grundlagen

Definitionen

Was bedeutet Impact Investing?

| Von Johannes P. Weber

Steuerrecht

Grundsatzfragen besser vorher klären

| Von Barbara Koloczek und Sascha Voigt de Oliveira

Abgabenrecht

Abgabenrechtliches Neuland

| Von Carina Leichinger

Bundes- und Landesrecht

Vom Gesetz her grundsätzlich erlaubt

| Von Dr. Peter Lex

Anlagerichtlinien

Für jeden Investor ein hilfreicher Wegweiser

| Von Franz Suntrup

Satzungszweck

Kein Hinderungsgrund

| Von Oliver Rohn und Dr. Verena Staats

Wirkungsanalyse

Größtmögliche Wirkung erzielen

| Von Prof. Dr. Barbara Scheck

Wirkungsmessung

„Wirkungsmessung hilft uns vor allem, besser zu werden“

| Interview mit Hinnerk Hansen, Impact Hub

Kriterien der Vermögensanlage

Wirkung als vierte Dimension

| Von Prof. Dr. Martin Faust

Sozialunternehmen

Eine bessere Welt schaffen

| Von Dr. Dominik B. Domnik und Susanna Eder

Umsetzung

Anlageprozess

Ein schrittweiser Prozess

| Von Mareike van Oosting

Negativ- und Positivkriterien

Schritt für Schritt das Portfolio bereinigen

| Von Georg Bernwieser

Investmentprüfung

Dem Investee auf den Zahn fühlen

| Von Nina Cejnar

Prüfung des Geschäftsmodells

Auf ein überzeugtes Team kommt es an

| Von André Marius Le Prince

Sicht der Fondsmanager

Die Expertise von Impact-Fondsprofis nutzen

| Von Jochen Herdrich

Sicht der Intermediäre

Als Brückenbauer den Markt auf beiden Seiten mitgestalten

| Von Ellinor Schweyer

Sicht der Vermögensverwalter

Vorbehalten durch systematischen Kompetenzaufbau begegnen

| Von Oliver N. Hagedorn

Sicht der Banken

Mut gefordert, aber kein Übermut

| Von Dr. Stefan Fritz

Reporting

Ein zentrales Steuerungsinstrument

| Von Carolin Nierhoff

Beispiele

MRI-Pilotfonds

Ein Anfang

| Von Maren Bianchini-Hartmann

Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft

Konsequente Nulltoleranzstrategie

| Von Dr. Harald Schneider

St. Elisabeth-Stiftung

Sozialimmobilien als Impact Investment

| Von Matthias Ruf

Dialog im Dunkeln

Darf ich bitten?

| Von Prof. Dr. Andreas Heinecke

HOFFNUNGSTRÄGER Stiftung

Einen viel größeren Hebel in Bewegung setzen

| Von Marcus Witzke

Bewegungsstiftung

100 Prozent ethisch-nachhaltig

| Von Dr. Matthias Fiedler

Social Business Stiftung

Kleine Stiftung, große Wirkung

| Von Gerhard Bissinger

Schweisfurth Stiftung

Doppelte Rendite als Leitprinzip

| Von Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald

Internationales

Internationale Trends im Impact Investing

| Von Adrian Fuchs

Schneider Electric Stiftung – Frankreich

Hand in Hand mit Unternehmen

| Von Hannah Rosenkranz und Fabian Suwanprateep

The J.W. McConnell Family Foundation – Kanada

Den Aufbau einer lösungsorientierten Wirtschaft befördern

| Von Erica Barbosa Vargas und Stephen Huddart

F.B. Heron Foundation – USA

Investitionen für den amerikanischen Traum

| Von Deirdre Hess

Akteure

| Die Herausgeber

| Der Expertenkreis Impact Investing

| Der redaktionelle Beirat

| Autoren und Redaktion

Anhang

| Endnoten

| Glossar

| Literaturschau

| Stiftungsgesetze der Bundesländer

Bildnachweis:

Soweit nicht anders ausgewiesen, liegen die Bildrechte bei den in den jeweiligen Beiträgen genannten Personen oder Institutionen.

Cover (von links nach rechts): Eisenhans / fotolia.com; People Image / Getty Images; David Ausserhofer (Bundesverband / Hoffbauer-Stiftung für die StiftungsWelt 03-2015)

Christian Thomas (S. 13 links, S. 17–19); Gerhard Bissinger (S. 223, S. 225)

» Unsere gemeinsame Vision ist, dass alle Stiftungen die Wirkungsdimension als selbstverständlichen Bestandteil bei der Anlage und Verwaltung ihres Vermögens mitberücksichtigen und dieses als Hebel zur Erhöhung ihrer Gesamtwirkung nutzen.

Expertenkreis Impact Investing1

1 Auszug aus dem Mission Statement 2016

Vorwort

VON BIRGIT RADOW, MARKUS HIPP
UND CARL-AUGUST GRAF V. KOSPOTH

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

„um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung“ – sagte einst Antoine de Saint-Exupéry, der Schöpfer des „Kleinen Prinzen“. Wie kaum einem anderen gelang es ihm – dem begnadeten Schriftsteller und passionierten Flieger –, die Herzen der Menschen zu öffnen und zugleich ihren Horizont zu erweitern.

Warum wir das an dieser Stelle erwähnen? Auch wir, die Herausgeber dieses ersten Ratgebers zum Thema „Impact Investing“ für Stiftungen in Deutschland, möchten Sie dazu einladen, Ihren Blickwinkel zu erweitern, eine neue Perspektive bei der Anlage Ihres Stiftungsvermögens einzunehmen und dadurch die Wirkung Ihres Engagements für unsere Gesellschaft zu steigern: Impact Investing – wirkungsorientiertes Investieren – bietet Ihnen als Stiftungsakteur die Chance einer doppelten Rendite. Oder anders formuliert: Sie können damit einen finanziellen Gewinn erzielen und einen Beitrag leisten, unsere Gesellschaft und Ökologie zum Positiven zu verändern.

Wir möchten Ihnen nicht verschweigen, dass dieser Perspektivwechsel und die damit teilweise verbundene Neuausrichtung Ihrer Vermögensanlage für Sie zunächst mit einigem Aufwand verbunden ist und Ihnen auch etwas an Mut abverlangt. Denn Impact Investing erfordert, dass Sie sich vertiefend mit den Grundlagen der Vermögensanlage befassen und die eigene Anlagestrategie kritisch prüfen. Es setzt voraus, dass Sie sich entsprechendes Know-how aufbauen und geeignete Partnerinnen und Partner finden, die Sie gut beraten und mit Ihnen die notwendigen strategischen Schritte einleiten und umsetzen. Und nicht minder wichtig: Es verlangt Ihnen einiges an Überzeugungskraft und kommunikativem Geschick ab. Denn Sie müssen Ihre Stiftungsgremien davon überzeugen, dass sie mit gut ausgewählten Impact Investments über ein zusätzliches starkes Instrument verfügen, um ihren gemeinnützigen Auftrag zu erfüllen und die Gesamtwirkung ihrer Stiftung zum Wohle der Gesellschaft zu erhöhen.

Damit Ihnen all dies gelingt, haben wir diesen Ratgeber gemeinsam mit Partnern aus Stiftungen, Vermögensverwaltung und Finanzwirtschaft für Sie erarbeitet. Er soll Sie für die Aufgaben und Herausforderungen, aber auch die Chancen und neuen Möglichkeiten, die das Impact Investing für Sie bereithält, sensibilisieren. Er soll Ihnen die notwendigen Grundlagen an die Hand geben und Sie bei der Umsetzung Ihrer eigenen „Impact Investing“-Strategie unterstützen. Und er soll Sie dazu ermutigen, die Wirkung Ihrer Stiftung zu potenzieren und damit den Weg für gesellschaftliche Innovation und eine lebenswertere Welt zu bereiten.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und würden uns freuen von Ihnen zu hören, wie es mit Ihrer neuen wirkungsorientierten Perspektive auf Ihr Stiftungsvermögen weitergeht.

Ihre

Image

Birgit Radow ist stellvertretende Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen

Markus Hipp wirkt als geschäftsführender Vorstand der BMW Stiftung Herbert Quandt

Carl-August Graf v. Kospoth ist geschäftsführender Vorstand der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG

image

„Eine wirkungsorientierte Investmentstrategie ist Ausdruck von Integrität und Glaubwürdigkeit“

Impact Investing bietet Stiftungen die Chance, ihre Vermögensstrategie zugunsten einer zusätzlichen gesellschaftlichen Rendite neu auszurichten. Warum es sich für den Stiftungssektor lohnt, diesen Weg einzuschlagen, und vor welche Herausforderungen es ihn stellt – dazu ein Interview mit den Stiftungsmanagern Birgit Radow und Carl-August Graf v. Kospoth

INTERVIEW: ANGELIKA FRITSCHE

Frau Radow, Herr v. Kospoth, gleich zu Beginn möchten wir Sie um eine grundsätzliche Klärung bitten: Was ist das Neue an „Impact Investing“ – sprich „wirkungsorientiertem Investieren“? Stiftungen wollen doch seit eh und je eine positive gesellschaftliche Wirkung erzielen?

Carl-August Graf v. Kospoth: Es war schon immer das Ziel von gemeinnützigen Stiftungen, positive Veränderungen in der Gesellschaft, oder anders gesagt, eine gesellschaftliche Wirkung zu erzielen. Da haben Sie vollkommen recht. Dabei konzentrierte man sich jedoch in erster Linie auf den Förder- und Projektbereich, sprich auf die Verwendung der Erträge – die immer stärker auch investiv eingesetzt werden. Die Frage, welche positive gesellschaftliche Wirkung durch die Anlage des Stiftungsvermögens erzeugt werden kann, wurde meist nicht gestellt. Durch Impact Investing kann nun auch das im Vermögen vorhandene Potenzial bewusst für zusätzliche gesellschaftliche Veränderungen genutzt werden. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Immerhin verfügen deutsche Stiftungen über ein geschätztes Vermögen von mehr als 100 Milliarden Euro.

Birgit Radow: Hier gibt es in der Tat Möglichkeiten, um die Gesamtwirkung der Stiftung zu erhöhen. Dies führte bei vielen Stiftungen – vor allem vor dem Hintergrund eines anhaltend niedrigen Zinsniveaus – zu einem Umdenken und zu Veränderungen in der Anlagestrategie. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat bereits 2012 eine erste Studie zum Thema „Mission Investing“, einer besonderen Form des Impact Investing, herausgegeben. Die Kernaussagen waren: Mission Investing kann weitgehend unabhängig von Größe, Art und Zweck der Stiftung auf sehr unterschiedliche Weise umgesetzt werden. Stiftungen können in der Aufbauphase eines „Mission Investing“-Marktes eine aktive Rolle übernehmen. Zum Beispiel, indem sie weitere Forschung in diesem Bereich unterstützen und sich dafür einsetzen, dass ein positives Umfeld für Mission Investing entsteht. Und: Die in der Studie dargestellten Fallbeispiele zur rechtlichen Umsetzbarkeit einer solchen Anlagestrategie zeigten, dass die aktuelle Rechtslage grundsätzlich keine Hindernisse für Mission Investing darstellt.

Image

Fest vom Potenzial des Impact Investing für das Stiftungswesen überzeugt: Birgit Radow, stv. Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, und Carl-August Graf v. Kospoth, Vorstand der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG

Es geht also darum, wie eine Stiftung ihre Wirkung über die Projekt- / Förderarbeit hinaus, durch eine bewusste Anlage ihres Vermögens, steigert. Entsteht dadurch nicht ein Dauerkonflikt zwischen der Maximierung der finanziellen Rendite und der sozialen/ökologischen Wirkung?

Carl-August Graf v. Kospoth: Diese Annahme ist in der Tat weit verbreitet. Doch Beispiele zeigen, dass finanzielle Rendite und positive soziale / ökologische Wirkung kein Widerspruch sind, vielmehr bedingen sie einander. Denken Sie nur an Organisationen wie das „Impact Hub“-Netzwerk, das sehr erfolgreich Arbeits-, Vernetzungs- und Kommunikationsräume für soziale Start-ups schafft. Je erfolgreicher das Unternehmen wirtschaftlich ist, indem es neue Hubs eröffnet, Start-ups hervorbringt und fördert, desto mehr Nutzen entsteht für die Gesellschaft. Das heißt: Wenn das Geschäftsmodell stimmt, gehen wirtschaftlicher Erfolg und soziale / ökologische Wirkung Hand in Hand.

» Durch Impact Investing kann nun auch das im Vermögen vorhandene Potenzial bewusst für zusätzliche gesellschaftliche Veränderungen genutzt werden.

Carl-August Graf v. Kospoth

Image

ist seit März 2009 Vorstand der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG. Das Stiftungsprojekt „Sinnvestition“ wurde 2011, gemeinsam mit der Schwesterstiftung BMW Stiftung Herbert Quandt, unter dem Motto „Mit Stiftungsvermögen positive Wirkung schaffen“ gestartet. Seit 2013 ist er Leiter des Expertenkreises Impact Investing unter dem Dach des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Seit März 2016 ist er zudem Vorstand der BMW Stiftung Herbert Quandt. Vor dieser Tätigkeit hatte der Wirtschaftsingenieur seit 1994 bei der BMW Group verschiedene Führungspositionen inne.

Weitere Informationen:

kuenheim-stiftung@bmw.de
www.kuenheim-stiftung.de

Das hört sich alles sehr positiv an: Doch Impact Investing ist ein sehr komplexer Prozess. Sind Stiftungen – vor allem die kleineren – damit nicht hoffnungslos überfordert?

Birgit Radow: Prinzipiell kann jede Stiftung Impact Investing machen. Es erfordert ein Umdenken, gewiss. Aber ohnehin beschäftigen sich inzwischen viele Vorstände und Geschäftsführungen sehr intensiv mit der Anlagepolitik ihrer Stiftungen. Sie erarbeiten zum Beispiel vermehrt Anlagerichtlinien oder überarbeiten ihre vorhandenen. Das ist ein guter Anlass, um sich damit zu beschäftigen, wie Stiftungen durch gezieltes Investieren ihren Stiftungszweck direkt proaktiv fördern oder zum Beispiel durch Unterstützung von Social Entrepreneurship unternehmerisches Engagement für gesellschaftlichen Wandel unterstützen. Die intensive Beschäftigung mit Impact Investing und der Vermögensanlage einer Stiftung erhöht die Kompetenz in Vermögensfragen.

Carl-August Graf v. Kospoth: Natürlich ist eine wirkungsorientierte Anlage des Vermögens mit Mehraufwand verbunden. Doch es lohnt sich. Stiftungen können dadurch einerseits ihre Wirkung steigern und andererseits transparent nachvollziehen, wo und wie das Stiftungsvermögen arbeitet und was es bewirkt. Zudem gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um Kosten und Aufwand zu reduzieren. Man denke nur an Fondsmodelle, Co-Investments oder gemeinsame Investmentprüfungen. Dass auch kleine Stiftungen wirkungsorientiert investieren können, zeigt unter anderem die Bürgerstiftung Pfalz. Ihr Grundstockvermögen in Höhe von 70.000 Euro hat sie in das Stiftsgut Keysermühle investiert, das sie nun als integratives Naturhotel und Tagungshaus betreibt.

Birgit Radow

Image

ist seit Oktober 2014 stellvertretende Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Zuvor war sie u.a. in leitenden Funktionen für Greenpeace Deutschland, der gesetzlichen Krankenkasse SECURVITA BKK und der Deutschen Wildtier Stiftung tätig. Sie bringt einen reichhaltigen Erfahrungsschatz aus der Praxis mit.
Weitere Informationen:
birgit.radow@stiftungen.org
www.stiftungen.org

Aber ist es für Stiftungen, die auf die Ewigkeit angelegt und zum Kapitalerhalt verpflichtet sind, nicht viel zu riskant, bei der Vermögensanlage neues Terrain zu betreten – zumal es in Deutschland kaum Vorbilder und Erfahrungswerte, geschweige denn Ratings gibt?

Birgit Radow: Die Vermögensbewirtschaftung einer Stiftung ist eine zunehmende Herausforderung, weil sich die Situation am Kapitalmarkt gravierend verändert hat. Minizinsen erfordern ein Neudenken der Vermögensanlage – weg von sicheren festverzinslichen Wertpapieren hin zu anderen Anlageklassen, darunter Aktien oder Immobilien. Die Volatilität an den Märkten führt zu Schwankungen des Vermögenswertes einer Stiftung und die massive Liquidität birgt immer häufiger Risiken in den Märkten. Das Gebot der Stunde heißt Professionalisierung und Diversifikation und Impact Investing ist ein interessanter Ansatz hierfür. Das Stiftungsrecht ist kein Hindernis für Impact Investing. Für jede Stiftung muss aber konkret geprüft werden, welche Leitlinien durch Stifterwillen und Anlagerichtlinien bestehen und welche Spielräume sich in der Vermögensanlage oder der Förderung ergeben.

» Das Gebot der Stunde heißt Professionalisierung und Diversifikation und Impact Investing ist ein interessanter Ansatz hierfür.

Carl-August Graf v. Kospoth: Wir sollten uns zweierlei bewusst sein: Im aktuellen Niedrigzinsumfeld ist eine passive Vermögensanlage keine Option mehr. Wer heute nur auf deutsche Staatsanleihen setzt, erfüllt in der Regel nicht das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Und: Man muss nicht das gesamte Stiftungskapital wirkungsorientiert anlegen. Vielmehr muss man eine gute Mischung schaffen, bei der die Rendite-Risiko-Relation für das gesamte Portfolio stimmt. Richtig ist aber, dass bei Impact Investments der Prozess der Auswahl und der Entscheidung in der Regel transparenter und klarer dokumentiert werden muss als bei „klassischen“ Investments, die über ein Rating verfügen.

Die Vermögensanlage basiert immer auf einer vertrauensvollen Kooperation mit Umsetzungspartnern. Doch die Vertrauenswürdigkeit einiger Banken und Finanzberater wurde nicht zuletzt aufgrund der letzten Finanzkrise stark beschädigt. Woher wissen Stiftungen, dass sie dieses Mal auf die richtigen Partner setzen?

Birgit Radow: Stiftungen müssen ihre Kompetenz in Vermögensfragen erhöhen, um in Gesprächen mit Banken und Finanzberatern die richtigen Fragen stellen zu können – daran führt kein Weg vorbei. Die Herausforderung ist eher die zeitliche Komponente. Es dauert eine Weile, bis Stiftungen und Stiftungsvorstände dieses notwendige Know-how aufgebaut haben. Der Bundesverband hat deshalb zahlreiche Hilfen für Stiftungen zum Bereich Vermögen und Anlagerichtlinien veröffentlicht.

Carl-August Graf v. Kospoth: Wir alle sollten aus den Krisen der letzten Jahre gelernt haben, dass man genau hinschauen muss, was unsere Partner tun, wie sie es tun und wer hinter Investmentangeboten und -produkten steckt. Das beginnt schon bei der Auswahl der Hausbank. Hier können Nachhaltigkeitsratings besonders hilfreich sein.

» Wirkung darf nicht ein lästiges Anhängsel sein, sondern muss ein Grundpfeiler der Anlagestrategie und ein zentrales Kriterium im Prüfprozess von Investmentmöglichkeiten sein.

Bei der Suche nach einem geeigneten Partner für die Umsetzung einer „Impact-Investing“-Strategie sind aus meiner Sicht vor allem drei Dinge wichtig: Erstens geht es beim Impact Investing um Wirkung. Das klingt banal, ist aber entscheidend. Wirkung darf nicht ein lästiges Anhängsel sein, sondern muss ein Grundpfeiler der Anlagestrategie und ein zentrales Kriterium im Prüfprozess von Investmentmöglichkeiten sein. Zweitens ist es essenziell, dass die Wirkung nachgehalten wird. Ein Impact Investment endet nicht mit der Investmententscheidung, sondern umfasst auch ein regelmäßiges Monitoring und eine enge Beziehung mit dem Investee. Drittens kommt es, wie so oft, auf die Menschen an. Ein grundlegendes Vertrauen in die agierenden Personen und die Überzeugung, dass diese mit der Kapitalanlage tatsächlich einen gesellschaftlichen Nutzen stiften wollen, ist entscheidend.

An wen können sich Stiftungen wenden, wenn sie sich künftig ernsthaft mit den Möglichkeiten von Impact Investing auseinandersetzen wollen?

Birgit Radow: Der unter dem Dach des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen agierende Expertenkreis Impact Investing ist hier ein wichtiger Ansprechpartner. Seine Mitglieder stehen den Stiftungskollegen gerne beratend zur Seite. Es ist wichtig, dass sich Stiftungen miteinander vernetzen und ihre Erfahrungen austauschen. Der Bundesverband mit seinen verschiedenen Arbeitskreisen und Foren bietet ihnen einen guten Rahmen dafür.

Eine aktuelle Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass sich das investierbare Vermögen für wirkungsorientierte Investitionen in Deutschland seit 2012 verdreifacht hat. Dennoch führt es hierzulande noch ein Nischendasein. Was muss geschehen, damit sich das ändert?

Birgit Radow: Das braucht vor allem Zeit. Stiftungen können aber in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen und zeigen, dass Vermögen auch wirkungsorientiert mit Rendite angelegt werden kann. Ich glaube, wir werden hier eine ähnliche Entwicklung erleben wie im Bereich der nachhaltigen Geldanlagen. Auch hier hat man klein begonnen und heute bereinigen Akteure wie der norwegische Staatsfonds ihre Portfolien und wenden Ausschlusskriterien an.

Carl-August Graf v. Kospoth: Impact Investing steckt in Deutschland, im Vergleich zu anderen Ländern, noch in den Kinderschuhen. Viele der in den letzten Jahren initiierten Programme und Initiativen zur Stärkung des „Ökosystems“ für Impact Investing müssen sich erst noch weiter etablieren und Früchte tragen. Ich denke hier beispielsweise an die Social Entrepreneurship Akademie, das „Impact Hub“-Netzwerk oder die Social Impact Labs. Aus diesen Organisationen gehen Sozialunternehmen hervor, in die wirkungsorientiert investiert werden kann. Stiftungen können diese Entwicklung etwa durch Förderprogramme oder die Bereitstellung von Netzwerken und Kapazitäten maßgeblich mitgestalten. Auch die Intermediärslandschaft muss vielfältiger werden und sich den spezifischen Bedürfnissen der Sozialunternehmen in ihren unterschiedlichen Entwicklungsphasen anpassen. Und Stiftungen als Investoren müssen ein grundlegendes Bewusstsein für die Wirkung – positiv oder negativ – von Geldanlagen entwickeln und sich entsprechendes Know-how und Partnernetzwerke aufbauen.

Bei uns in Deutschland steht man der Vorstellung, privates Investmentkapital in soziale Projekte zu investieren, gemeinhin skeptisch gegenüber. Dies sei nicht kompatibel mit den Prinzipien unseres Sozialstaates: Was halten Sie dem entgegen?

Carl-August Graf v. Kospoth: Das deutsche Sozialsystem ist ohne Zweifel wichtig und schützenswert, es lässt aber noch genügend Raum für unternehmerische Lösungen sozialer und ökologischer Probleme. Der Ende 2014 veröffentlichte Bericht des deutschen National Advisory Boards der Social Impact Investment Taskforce – etabliert im Rahmen der britischen G8-Präsidentschaft – nennt vor allem die Bereiche Innovation, Prävention und Skalierung. Die von der Kuenheim Stiftung zusammen mit der Boston Consulting Group ins Leben gerufene JOBLINGE-Initiative ist das beste Beispiel dafür, dass der deutsche Sozialstaat sinnvoll ergänzt werden kann. Das Ziel der Initiative ist es, langzeitarbeitslose Jugendliche, die keine staatliche Unterstützung mehr erhalten, wieder nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das soziale Franchising-Projekt ist mittlerweile an 17 Standorten in ganz Deutschland aktiv.

» Zu guter Letzt ist eine „Impact Investing“- Strategie auch ein wichtiges Signal an Gesellschaft, Wirtschaft und Investmentbranche, dass eine andere Form des Wirtschaftens und damit des Investierens möglich ist.

Frau Radow, wie kann der Stiftungssektor selber wirkungsorientiertes Investieren unterstützen und seinen Mitgliedern dabei zur Seite stehen?

Birgit Radow: Der Bundesverband hat den Perspektivwechsel durch seine im Juli 2012 veröffentlichte Studie zum Mission Investing im deutschen Stiftungssektor angestoßen. Er hat im April 2013 – gemeinsam mit der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG und einigen Pionierstiftungen – den Expertenkreis Impact Investing gegründet. Mit dem aus dem Expertenkreis hervorgegangenen MRI-Pilotfonds haben wir eine Blaupause für künftige Fonds erstellt. Im Jahr führt der Bundesverband mehrere Hundert Beratungen durch. Dabei geht es vermehrt um solche Themen wie strategische Vermögensverwaltung und wirkungsorientierte Vermögensanlage. Und der vorliegende Ratgeber ist der erste überhaupt, der sich mit dem Thema „Impact Investing“ gezielt an Stiftungsakteure richtet.

Herr v. Kospoth, eine abschließende Frage an Sie: Wenn Stifter Sie fragen, warum sie sich dem Impact Investing zuwenden sollten, welche guten Gründe nennen Sie ihnen?

Carl-August Graf v. Kospoth: Entscheidend ist, dass Stiftungen durch Impact Investing das Wirkpotenzial ihres Vermögens nutzen und so ihre Gesamtwirkung deutlich erhöhen können. Das klingt zunächst relativ abstrakt, wird aber am Beispiel eines Studienkreditfonds, der jungen Menschen aus sozial schwächeren Familien ein Studium ermöglicht, deutlich. Mit einem solchen Investment wird nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine soziale Rendite erwirtschaftet. Anstaltsstiftungen folgen übrigens seit jeher dieser Logik und erfüllen mit ihrem Vermögen unmittelbar den Stiftungszweck. Darüber hinaus können Stiftungen bei wirkungsorientierten Investments oft ihr auf Förder- und Projektseite erworbenes Wissen einsetzen. Zudem ist eine Investmentstrategie, in der die Wirkung ein zentrales Element bildet, Ausdruck von Integrität und Glaubwürdigkeit und reduziert mögliche Reputationsrisiken. Gemeinnützigen Stiftungen, die aufgrund ihrer Tätigkeit für das Gemeinwohl – steuerliche – Privilegien genießen, kann es nicht gleichgültig sein, wie ihr Vermögen angelegt ist. Zu guter Letzt ist eine „Impact Investing“-Strategie auch ein wichtiges Signal an Gesellschaft, Wirtschaft und Investmentbranche, dass eine andere Form des Wirtschaftens und damit des Investierens möglich ist.

Image

Perspektivwechsel in der Vermögensanlage von Stiftungen

„Impact Investing" – wirkungsorientiertes Investieren – ermöglicht Stiftungen, ihre Vermögensstrategie zugunsten einer gesellschaftlichen Rendite neu auszurichten. Ein kurzer Überblick über die Relevanz und die Entwicklung von Impact Investing im deutschen Stiftungswesen

VON BERENIKE WIENER

Stiftungen bewerteten ihre Vermögensanlagen lange Zeit nach der erzielten Rendite und dem dafür eingegangenen Risiko. Doch diese klassischen Dimensionen der Vermögensanlage haben sich als alleinige Optimierungskriterien als unzulänglich erwiesen. Sie reichen nicht mehr aus, um Stiftungen vor den Unwägbarkeiten des globalen Finanzmarktes zu schützen, die sich u.a. in schrumpfenden Erträgen bemerkbar machen. Das haben die Entwicklungen seit der Millenniumswende sehr deutlich gezeigt. So bedarf es zweifelsohne einer Neuorientierung, die sich zum Beispiel in der Neuausrichtung der Anlagestrategie niederschlagen kann: Durch Impact Investing wird die Vermögensanlage um die Dimension der Wirkung ergänzt und zusätzlich nach ihrem gesellschaftlichen Nutzen (gesellschaftliche Rendite) bewertet. Dieser kann sozial oder ökologisch sein.

» Keine Stiftung kann es sich mehr leisten, Titel in ihrem Portfolio zu halten, die den eigenen Satzungszweck konterkarieren.

Den hier skizzierten Perspektivwechsel, der sowohl die grundsätzliche strategische Ausrichtung als auch die konkrete Vermögensanlage von Stiftungen umfasst, hatte der Bundesverband Deutscher Stiftungen bereits 2012 durch seine Studie „Mission Investing im deutschen Stiftungssektor“1 in Deutschland mit auf die Agenda gehoben. Und spätestens seit dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2013 ist das Thema „Impact Investing“ endgültig auf der internationalen Bühne und über das Stiftungswesen hinaus bei vielen wichtigen Akteuren in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft angekommen. Zumindest besteht Konsens darüber, dass die „Global Challenges“ – die großen globalen Herausforderungen – nur dann bewältigt werden können, wenn alle relevanten Bereiche nach den Grundsätzen von Nachhaltigkeit und Wirkungsorientierung handeln.

Dem Non-Profit-Bereich kommt hier eine besondere Rolle zu. Gerade Stiftungen könnten als Vorreiter für wirkungsorientiertes und nachhaltiges Investieren wichtige Impulse setzen. Sie könnten zudem das eigene Image verbessern und dadurch die Neugründung von Stiftungen sowie die Bereitschaft für Zustiftungen deutlich erhöhen. Denn die Öffentlichkeit befasst sich sehr kritisch mit dem Handeln von Stiftungen und der ihnen staatlicherseits zugeschriebenen Sonderrolle. Keine Stiftung kann es sich mehr leisten, Titel in ihrem Portfolio zu halten, die den eigenen Satzungszweck konterkarieren – oder infolge von Missmanagement in der Vermögensanlage Kapital, das ursprünglich für gesellschaftliche Zwecke vorgesehen war, zu vernichten.

Allerdings stellt diese Neuorientierung hin zu einer wirkungsorientierten und nachhaltigen, auf der Basis von transparenten Prüfkriterien erfolgten Anlage des Stiftungskapitals die verantwortlichen Stiftungsakteure vor einige Herausforderungen. Dazu zählt an erster Stelle, dass sie zu einem grundlegenden Perspektivwechsel bereit und fähig sind: Sie müssen nicht nur mehr Zeit für die ertragreiche Bewirtschaftung investieren, sondern auch für die Überprüfung des gesellschaftlichen Nutzens. In den Mittelpunkt rückt die Frage nach der Hebelkraft über das Stiftungsvermögen – also danach, wie die Wirksamkeit als Motor für die gesamte Stiftungsarbeit umgesetzt werden kann. Denn in Zukunft wird es darum gehen, die Dimension der Wirkung als selbstverständlichen Bestandteil der Verwaltung des Stiftungsvermögens zu berücksichtigen und sie als Hebel zur Erhöhung der Gesamtwirkung der Stiftung zu nutzen. Dies führt in der Folge zu einem ganzheitlichen Stiftungsmanagement.

» Entscheidend beim Impact Investing ist die Hebelkraft über das Stiftungsvermögen. Die zentrale Frage lautet: Wie kann die Wirksamkeit einer Stiftung durch die vorhandenen Ressourcen erhöht werden?

Professionalisierungsschub im Stiftungswesen

Mit seiner vor nunmehr vier Jahren veröffentlichten Studie „Mission Investing im deutschen Stiftungssektor“ konnte der Bundesverband Deutscher Stiftungen eine weitreichende Diskussion rund um das Thema „Impact Investing“ anstoßen. Zu den zentralen Fragen, die bis heute kontrovers diskutiert werden, zählen unter anderem:

» Können, dürfen und wollen Stiftungen überhaupt wirkungsorientiert investieren?

» Welche Produkte muss der Markt bereitstellen und wie ist das Marktpotenzial?

» Wie können und sollten die Partner aus der Finanzwirtschaft Stiftungen unterstützen?

» Welche rechtlichen Rahmenbedingungen begünstigen oder behindern mögliche „Impact Investing“-Aktivitäten von Stiftungen?

» Wo besteht seitens Politik und Gesetzgeber, aber auch seitens des Stiftungssektors, Handlungsbedarf?

Die Kritiker von Impact Investing behaupten immer noch, dass wirkungsorientiertes Investieren nur vorangetrieben würde, weil die Niedrigzinsphase die Stiftungen zu einem Umdenken zwinge. Doch genau das kann und sollte nicht die Hauptmotivation dafür sein, dass sich Stiftungen ernsthaft mit den Möglichkeiten von Impact Investing auseinandersetzen. Ein überzeugendes Argument ist vielmehr: Impact Investing kann Stiftungen zu einer Professionalisierung verhelfen. Denn unabhängig von den Anlageklassen und Anlageformen, in die investiert werden kann, müssen Stiftungen die allgemeinen Anforderungen an die Vermögensanlage – sprich, die der sicheren und rentierlichen Anlage des Stiftungsvermögens – berücksichtigen. Auf den Punkt gebracht: Impact Investing erfordert, dass Stiftungen ihre Vermögensverwaltung und Anlagestrategie kritisch prüfen, und fördert somit die Professionalisierung im Stiftungssektor. Diese Professionalisierung wiederum führt zu einer Qualitätsverbesserung und Standardisierung und somit zu einer Steigerung der Wirksamkeit.

» Impact Investing erfordert, dass Stiftungen ihre Vermögensverwaltung und Anlagestrategie kritisch prüfen und fördert somit die Professionalisierung im Stiftungssektor.

Expertenkreis treibt den Wissens- und Praxistransfer voran

Die Bundesverband-Studie gab zugleich den Anstoß zur Gründung des Expertenkreises Mission Investing / Impact Investing.2 Unter dem Motto „Nicht nur reden, sondern handeln“ wurde dieser im April 2013 unter dem Dach des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen ins Leben gerufen. Kernaufgaben des von 15 Stiftungen gegründeten und unter der Federführung der Eberhard von Kuenheim Stiftung stehenden Gremiums sind: Die Vernetzung sowie die praktische Umsetzung von Investmentmöglichkeiten im Bereich „Impact Investing“ voranzutreiben. Ein wichtiges Ergebnis der bisherigen Aktivitäten ist der vom Expertenkreis initiierte MRI-Pilotfonds Bildung (siehe auch Beitrag „Ein Anfang“, Seiten 178–184), der als Prototyp für „Impact Investing“-Folgeprodukte dienen kann, und der zeigt, dass wirkungsorientiertes Investieren funktioniert. Übrigens war der Pilotfonds europaweit der erste Fonds, der nach der EuSEF-Verordnung (Europäischer Fonds für soziales Unternehmertum)3 durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) registriert wurde.

Ein weiteres wichtiges Anliegen des Expertenkreises ist, die Expertise zum Thema „Impact Investing“ im Stiftungswesen zu stärken und den Wissens- und Praxistransfer durch gezielte Fachinformationen und Beratung zu fördern. Ein Baustein dazu ist der vorliegende Ratgeber „Impact Investing – Vermögen wirkungsorientiert anlegen“, der Stiftungen als Hilfestellung zur Umsetzung von Impact Investing dienen soll. Er ist der erste Ratgeber für Stiftungen in Deutschland zu diesem Thema „Impact Investing“. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen, der die Publikation gemeinsam mit der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG und der BMW Stiftung Herbert Quandt herausgibt, will damit den skizzierten Perspektivwechsel vorantreiben und begleiten. Sein vorrangiges Ziel: Das Bewusstsein für einen ganzheitlichen Ansatz von Stiftungsmanagement zu fördern, der die beiden tragenden Säulen jeder Stiftung – die Zweckverfolgung und die Vermögensbewirtschaftung – nicht mehr strikt voneinander trennt.

» Ziel ist ein ganzheitlicher Ansatz von Stiftungsmanagement, der die beiden tragenden Säulen jeder Stiftung – die Zweckverfolgung und die Vermögensbewirtschaftung – nicht mehr strikt voneinander trennt.

Image

Stiftungen können ihre Wirkungsbilanz deutlich erhöhen

Deutsche Stiftungen verfolgen die Entwicklungen auf dem „Impact Investing“-Markt mit zunehmendem Interesse. Ein paar grundlegende Gedanken zur Bedeutung wirkungsorientierter Vermögensanlagen für Stiftungen und deren Rolle für die weitere Etablierung des Marktes

VON MAREIKE VAN OOSTING

Die wirkungsorientierte Anlage des Vermögens – Impact Investing – gewinnt für Stiftungen zunehmend an Bedeutung. Dies ist vor allem auf den vorherrschenden Trend im gemeinnützigen Bereich zurückzuführen, sich grundsätzlich stärker wirkungsorientiert auszurichten. Zugleich reduziert die anhaltende Niedrigzinsphase die Budgets von Stiftungen. Sie müssen sich deshalb nach zusätzlichen Hebeln für ihren gesellschaftlichen Auftrag umsehen.

Stiftungen sind der Verwirklichung ihres Stiftungszwecks und dem Gemeinwohl verpflichtet. Diese Pflicht, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, legitimiert Begünstigungen (z.B. Steuerbefreiung), fordert von Stiftungen aber zugleich einen selbstkritischen und transparenten Umgang mit den Ergebnissen ihrer Arbeit. Eine Stiftung, die sich zum Beispiel der Förderung von Wissenschaft und Forschung verschrieben hat, sollte die Effekte ihres Tuns in diesem Bereich nachweisen können. Man spricht in diesem Kontext von wirkungsorientiertem Handeln (siehe auch Kasten „Wissenswert: Wirkungsorientierung“, Seite 31).

Bei der Wirkungsanalyse konzentrierte man sich bisher vor allem auf die philanthropische Seite der Stiftungsarbeit im Sinne von Projekten und Förderungen. Eine ganzheitliche Wirkungsorientierung hingegen (siehe auch Grafik, rechts) eröffnet die Chance, ungenutzte Potenziale der Vermögensanlage zu erschließen. Denn ein bewusster und reflektierter Umgang mit dem Stiftungsvermögen kann die Stiftungsarbeit effektiv unterstützen und damit die Wirkungsbilanz insgesamt erhöhen. Bisher bleibt dieses Potenzial oftmals ungenutzt. Eine Befragung der 15 größten deutschen Stiftungen durch das Magazin enorm (Ausgabe Mai / Juni 2015) ergab, dass sich lediglich eine der befragten Stiftungen aktiv mit dem Thema „Wirkung der Vermögensanlage“ auseinandergesetzt hat. Das zeigt, dass die Anlage und die Verwaltung des Stiftungsvermögens von der philanthropischen Stiftungsarbeit gedanklich immer noch stark getrennt werden.

Eine solche isolierte Betrachtung führt im Extremfall dazu, dass die getätigten Investitionen den Zielen der Stiftungsarbeit zuwiderlaufen. So geriet beispielsweise die Bill & Melinda Gates Foundation wegen ihrer stillen Investments in Öl- und Chemiekonzerne öffentlich in die Kritik: „Während sie einerseits Abermilliarden zur Bekämpfung von Krankheit und Armut auf der ganzen Welt ausgebe, investiere sie andererseits den Löwenanteil ihres Vermögens in Konzerne, die diese Ziele sabotierten – Umweltverpester, Ausbeuter, Sozialsünder“, so der Vorwurf der Presse.1

Um solche negativen Effekte zu verhindern, sollten Stiftungen immer ihre gesamte Wirkungsbilanz – das heißt, die Wirkung der Projekte und Förderungen sowie die Wirkung der Vermögensanlage – im Auge behalten. Eine solche ganzheitliche Betrachtung führt dazu, dass der Mitteleinsatz auf der Ausgabenseite und die Geldanlage auf der Vermögensseite nach ähnlichen Wertvorstellungen erfolgen, mit der Intention, einen positiven gesellschaftlichen Nutzen zu erzeugen. Mit diesem Bewusstsein erweist sich Investieren als ein starkes Instrument für Stiftungen, mit dem sie ihren gemeinnützigen Auftrag unterstützen und ihre Gesamtwirkung sogar erhöhen können.

Vermögen als Wirkungshebel benutzen

Image

Quelle: Eberhard von Kuenheim Stiftung (2016)

Eine Neuausrichtung in diesem Sinne fordert von Stiftungen Lernbereitschaft und Mut – denn es wird noch oftmals Neuland betreten. Zudem setzt eine wirkungsorientierte Vermögensanlage die Überzeugung und den Willen voraus, das Wirkungspotenzial des Stiftungsvermögens konsequent mitzudenken. Für die Umsetzung heißt das konkret: In jedem Schritt eines Investmententscheidungsprozesses muss die Dimension der Wirkung eine gleichwertige Rolle spielen – neben den drei klassischen Dimensionen Rendite, Risiko und Liquidität (siehe auch „Wirkung als vierte Dimension“, Seiten 108–114).

» Eine bewusste wirkungsorientierte Anlage des Stiftungsvermögens bietet die Chance, die Gesamtwirkung der Stiftung zu steigern.

Über das eigene Stiftungsportfolio hinaus wirken

Über die wirkungsorientierte Ausrichtung des eigenen Vermögensportfolios hinaus, können Stiftungen auf unterschiedliche Weise zur Entwicklung eines „Impact Investing“-Marktes in Deutschland beitragen, wie zum Beispiel durch:

Stärkung von Sozialunternehmen: Sozialunternehmen gelten seit mehreren Jahren als Hoffnungsträger zur Lösung sozialer Probleme. Mit innovativen Geschäftsmodellen tragen sie dazu bei, gesellschaftlichen Fragestellungen mit unternehmerischen Methoden und wirtschaftlicher Tragfähigkeit zu begegnen. Durch gezielte Wachstumsfinanzierung in stabile sozialunternehmerische Geschäftsmodelle können Stiftungen diesen noch jungen Sektor stärken und bestehende Finanzierungslücken, z.B. in der Skalierungsphase, schließen.

Finanzierung im Sozialbereich: Besonders im Bereich der Prävention und Skalierung gibt es in der hiesigen Sozialwirtschaft genügend Raum für private Finanzierungen. Für Stiftungen ergibt sich hier die Chance, innovative Instrumente der Sozialwirtschaft mit zu finanzieren – dies soll keineswegs bestehende Sozialleistungen ersetzen, sondern komplementär ergänzen (siehe auch Beitrag „Kluges Zusammenspiel und Kommunikation gefragt“, Seiten 40–47).

Impuls in die Finanzbranche: Zur Stärkung eines „Impact Investing“-Marktes in Deutschland können Stiftungen eine vermittelnde Rolle zwischen der klassischen Finanzbranche und dem Dritten Sektor einnehmen. Nach wie vor fehlt ein überzeugendes „Impact Investing“-Angebot von Banken, Fondsmanagern und alternativen Kapitalgebern. Stiftungen können die Angebotsseite stärken, indem sie in direkten Austausch mit Vermögensverwaltern, Banken und Intermediären treten oder selbst Mitentwickler neuer Produkte werden (siehe auch Beitrag „Ein Anfang“, Seiten 178–184).

Wirkungsorientierung

Unter „Wirkungsorientierung“ versteht man vereinfacht gesagt einen Blickwechsel: von dem, was man tut, also Handlungen, Leistungen und Angebote, auf das, was hinterher anders ist, also Verbesserungen in der Lebenslage von Zielgruppen und in der Gesellschaft. Das kann für gemeinnützige Organisationen in dreierlei Hinsicht dienlich sein:

1. Die Organisation kommt in einen regelmäßigen Rückkopplungsprozess mit ihren Zielgruppen,

2. die Arbeitsweise der Organisation wird auf ihre gesellschaftliche Relevanz sowie ihre Effizienz und Effektivität hin überprüft,

3. Vertrauen, Reputation und Legitimität in der Öffentlichkeit werden gestärkt.

Wirkungsorientierung „zwingt“ die verantwortlichen Akteure somit dazu, immer wieder zu hinterfragen, ob sie relevante gesellschaftliche Herausforderungen angehen, wie sie das tun und welcher gesellschaftliche Nutzen tatsächlich entsteht.2

Dialog mit Politik und Aufsichtsbehörden: Wirkungsorientiertes Investieren aus Stiftungsvermögen ist derzeit geprägt von mangelnden Informationen, Unklarheiten und subtilen Ängsten. Seitens der Politik und der Aufsichtsbehörden fehlen nach wie vor eindeutige positive Signale für Impact Investing im Stiftungswesen. Im Prozess des Marktaufbaus können Stiftungen auch Botschafter für diese neue Form der reflektierten Vermögensanlage sein. Sie sind ein wichtiges Sprachrohr, wenn sie aufklärend und aktiv mit den zuständigen Behörden kommunizieren und so dazu beitragen, wirkungsorientiertes Investieren dauerhaft in der deutschen Stiftungslandschaft zu etablieren.

» Nach wie vor fehlt ein überzeugendes „Impact Investing“-Angebot von Banken, Fondsmanagern und alternativen Kapitalgebern.

Einen Beitrag zur Reallokation von Kapital leisten

Was bewirken Stiftungen durch Impact Investing langfristig? Diese Frage ist vielschichtig und muss auf mindestens zwei Ebenen beantwortet werden:

1. Der unmittelbare Nutzen von Impact Investing für Stiftungen liegt primär darin, dass sie sowohl durch die Vergabe und Verwendung von Förder- / Projektmitteln als auch durch die Anlage des Stiftungsvermögens eine gesellschaftliche Wirkung erzielen. Damit können sie ihre Wirkungsbilanz verbessern. Dies setzt eine wirkungsorientierte Anlageentscheidung und die dafür notwendigen internen Richtlinien, Prozesse und Mechanismen voraus (siehe auch Beitrag „Für jeden Investor ein hilfreicher Wegweiser“, Seiten 82–87). Der Stiftungssektor kann darüber hinaus durch ein transparentes und offen kommuniziertes Impact Investing zu einem stärkeren Bewusstsein für die Wirkung von Vermögensanlagen beitragen.

» Im Prozess des Marktaufbaus können Stiftungen als Botschafter für diese neue Form der reflektierten Vermögensanlage wirken.

2. Durch ein verstärktes Engagement von Stiftungen als Impact Investoren werden finanzielle Mittel aus bestimmten Branchen abgezogen (z.B. Rüstungsindustrie oder fossile Energien) und mit der Intention einer positiven gesellschaftlichen Wirkung reinvestiert. Aus einer stärker makroökonomischen Sicht trägt Impact Investing somit zur Reallokation von Stiftungskapital in zukunftsorientierte Bereiche der Gesellschaft bei und setzt in weiterer Folge gesellschaftliches Entwicklungspotenzial frei.

Image AUF EINEN BLICK

Impact Investing ermöglicht es Stiftungen, über die bewusste Anlage ihres Vermögens eine zusätzliche gesellschaftliche Wirkung zu erzeugen und damit ihre Wirkungsbilanz zu erhöhen. Über die wirkungsorientierte Ausrichtung des eigenen Stiftungsportfolios hinaus können Stiftungen auch als Vermittler und Botschafter dazu beitragen, wirkungsorientiertes Investieren am Markt zu etablieren.

Image

Wertschöpfung durch Schenkgeldschöpfung

Reflexionen zum Bedeutungswandel von Stiftungen und dem Einsatz von Vermögen zugunsten des Gemeinwohls1

VON LUKAS BECKMANN

Die Begriffe „Mission Investing“ und „Impact Investing“ haben nach der Finanzkrise 2008 Bedeutung erlangt bei allen, die mit der Anlage von Stiftungskapital zu tun haben. In diesem Kontext ist es eine Folge von Niedrig-, Null- und Strafzinsentwicklungen. Inzwischen wird der Begriff „Impact Investing“ inflationär verwendet. Das ist nicht verwunderlich, eilt doch jeder Investition die Hoffnung auf einen Impact – eine Wirkung – voraus. Umso wichtiger ist es zu beschreiben, welche Bedeutung Impact Investing für Stiftungen haben kann und haben sollte.

Die Zinsentwicklung am Finanzmarkt gefährdet die Fördertätigkeit von Stiftungen, die ihren Satzungszweck (ihre Mission) durch Erträge (Zinsen, Dividende) aus dem Kapitalstock verwirklichen, den sie in der Regel – so heute noch das Gesetz – nicht verbrauchen dürfen. Stiftungen ohne Erträge werden zu einer eingefrorenen Zukunft. Um dies zu verhindern, werden Wege gesucht, unabhängig vom Zinsniveau einen Impact zu ermöglichen. Eine Option besteht in einer bewussten Kapitalanlage, die dem Satzungszweck einer Stiftung entspricht (Mission Investing). Andere setzen auf mehrere Optionen. So investiert z.B. eine Stiftung zur Förderung von Jugendlichen in ein Altersheim, weil dort der Ertrag höher ist und somit für die Förderung von Jugendlichen mehr Geld zur Verfügung steht und zusätzlich ein Impact für das Altersheim entsteht. Ein Nutzen, eine positive Wirkung für beide.

Stiftungen bedürfen einer Selbstvergewisserung

Für die allermeisten Stiftungen war die Wirkungsqualität ihrer Geldanlage bis vor Kurzem kein Thema. Nur die höchstmögliche Rendite bestimmte die Anlagepraxis. Dies führt z.B. dazu, dass Umweltstiftungen ihre Kapitalanlage von einer Bank verwalten lassen, die Atomkraftwerke finanziert, während die Stiftung mit dem Zinsertrag zivilgesellschaftliches Engagement für einen Ausstieg aus der Atomenergie fördert. Die aus einer Fokussierung auf hohe Zinserträge resultierenden Fehlentwicklungen und Verführungen haben einen Impact hinterlassen, der nachwirkt und weitergehende Anlageoptionen in den Blick nimmt: Warum sollten Stiftungen z.B. nicht in öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge investieren, wie z.B. in Energieversorgung, in das Gesundheitssystem, in Straßenbau oder in den Ausbau des Schienennetzes, wenn sie damit einen höheren Ertrag für ihre guten, gemeinnützigen Zwecke erzielen können?

» Das Thema „Impact Investing“ muss zu einer Selbstvergewisserung über die Herkunft und die Aufgaben von Stiftungen führen.