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Nr. 80

 

In den Höhlen der Druuf

 

Der SOS-Ruf kommt aus dem Universum der Druuf – aber nur Terraner kennen das Morsealphabet ...

 

von KURT MAHR

 

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Es scheint, als sei mit Thoras tragischem Tod ein düsteres Zeitalter für die Menschheit angebrochen!

Perry Rhodan und mit ihm einige der wichtigsten Stützen des Solaren Imperiums gelten als tot – vergangen in den Gluten der Atomhölle von Gray Beast!

Solarmarschall Freyt übernimmt die vorläufige Regierungsgewalt, Marschall Mercant steht ihm mit dem Sicherheitsdienst zur Seite, und General Deringhouse kümmert sich um die Raumflotte. Die drei Männer, auf die es im Solsystem ankommt, halten zusammen.

Dass Perry Rhodan wahrscheinlich nicht mehr lebt, wird jedoch vor der Weltöffentlichkeit sorgfältig geheim gehalten, da das junge Imperium der Menschheit noch nicht gefestigt genug erscheint, als dass eine solche Katastrophennachricht keine schwerwiegenden politischen Erschütterungen hervorrufen würde.

Aber wie lange lässt sich schon eine Nachricht von solcher Tragweite geheim halten ...?

Oder bedeutet etwa der Notruf aus den HÖHLEN DER DRUUF einen Hoffnungsschimmer ...?

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan, Reginald Bull, Atlan und Fellmer Lloyd – Die Druuf nennen sie »Gäste« – doch sie behandeln die Verschollenen von Gray Beast als Gefangene.

Captain Marcel Rous – Kommandant des Geheimstützpunktes Hades.

Major Clyde Ostal – Er ist das, was man im Jargon der solaren Raumflotte einen »alten Hasen« nennt.

General Deringhouse, Ras Tschubai und Gucky – Die Mitglieder des Kommandounternehmens »Roland«.

1.

 

Das Ding sah aus wie eine Orgel. Es bestand aus metallischen Zylindern, die untereinander starr verbunden waren und von links nach rechts an Größe abnahmen. Das Ding stand an der Wand und schien zu nichts anderem da zu sein, als die vier Gefangenen zu verwirren.

Diese Aufgabe hatte es drei Tage lang erfüllt. Dann hatten die Gefangenen begonnen, dem Ding mehr als nur kontemplative Aufmerksamkeit zu schenken. Sie hatten versucht, es auseinanderzunehmen. Das war ihnen bis zu einem gewissen Grad gelungen. Jetzt, in diesem Augenblick, kniete Perry Rhodan vor einem dieser geöffneten Orgelstäbe und fragte sich, was geschehen würde, wenn er mit dem Finger auf den kleinen Hebel drückte, der aus einem Gewirr von Drähten, Glasstäben, Plastikblättchen und Rädern herausragte.

Nicht, dass er irgendeine Wahl gehabt hätte, was den Hebel anbelangte. Sie hatten hart gearbeitet, um ein paar von den Orgelpfeifen zu öffnen, und es wäre lächerlich gewesen, nach all der Arbeit den Hebel nun nur deswegen in Ruhe zu lassen, weil niemand wusste, welchen Effekt er auslöste.

Perry Rhodan sah sich um. Hinter ihm saßen Atlan, der Arkonide, Reginald Bull und der Mutant Fellmer Lloyd erwartungsvoll in krummbeinigen, monströsen Sesseln. Keiner von ihnen schien Angst zu haben; sie waren alle nur neugierig. Sie waren drei Tage lang durch eine Flucht von unterirdischen Räumen gestreift, die die Druuf ihren Gefangenen zur Verfügung gestellt hatten, waren gewahr geworden, dass es nirgendwo einen erfolgversprechenden Ausgang gab, und schließlich wieder zu der Orgel zurückgekehrt, die ihre Aufmerksamkeit fesselte, weil sie von allen Einrichtungsgegenständen des unterirdischen Gefängnisses der einzige war, dessen Funktion sie nicht kannten.

Mit Taschenmessern, kleinen Metallschrauben, die sie aus den Sesseln nahmen, und ähnlichen Dingen war es ihnen gelungen, von dreien der Orgelpfeifen die Verkleidung zu entfernen. Was darunter zum Vorschein kam, ermöglichte keinen sicheren Schluss auf die Bedeutung des Gerätes als die verkleidete Orgel. Das einzige, was man an dem Ding verändern konnte, ohne etwas kaputtzumachen, war die Stellung des Hebels.

Perry Rhodan hielt den Finger auf das kleine Metallstück.

»Es geht los«, sagte er. »Haltet die Luft an, wir wissen nicht, was passiert!«

Rhodan verstärkte den Druck im Finger. Er spürte, wie der kleine Hebel nachzugeben begann. Eine Sekunde lang war Rhodan verwundert, dass überhaupt nichts geschah. Dann hatte er plötzlich das Gefühl, es schlüge ihm jemand mit Gewalt auf die Schulter. Der Arm sank herunter, die Hand sank mit, und dabei riss der Finger den kleinen Hebel vollends nach unten.

Jemand schrie. Perry Rhodan war selbst nach Schreien zumute. Etwas drückte ihn mit unwiderstehlicher Gewalt nach unten. Er warf sich nach vorne und versuchte, sich mit den Händen zu stützen; aber ein paar Augenblicke später knickten ihm die Arme ein. Er fiel der Länge nach zu Boden. Es nahm ihm den Atem und zauberte ihm eine bunte Welt feuriger Ringe vor die Augen.

Der Druck ließ nicht nach. Er presste Rhodan die Luft aus den Lungen und machte es fast unmöglich, zu atmen. Rhodan begriff mit schmerzender Deutlichkeit, dass er etwas unternehmen müsse, wenn er nicht ohnmächtig werden wollte.

Er hatte, als er den Hebel drückte, mit so vielen Dingen gerechnet, dass er ein paar Sekunden brauchte, um den Effekt, den er wirklich hervorgerufen hatte, richtig einzureihen.

Die Orgel war ein Antigravgenerator, und der Hebeldruck hatte zur Folge, dass das künstliche Schwerefeld innerhalb des unterirdischen Raumes sich auf das Fünf- oder Sechsfache verstärkte.

Das war enttäuschend und erfüllte keine von den Hoffnungen, die Perry Rhodan zuvor gehabt hatte. Aber im Augenblick waren die Hoffnungen von untergeordneter Bedeutung. Das Wichtigste war, den Hebel wieder zurück in die alte Stellung zu bringen.

Er wusste, dass er es nicht fertigbringen würde, sich auf die Arme zu stützen. Das Gewicht, das ihm das künstliche Schwerefeld verlieh, war zu groß. Also drehte er sich auf die Seite, legte sich auf die rechte Schulter und versuchte, den linken Arm zu heben. Es ging schließlich. Eine zweite Schwierigkeit war, dass er den Hebel diesmal von unten nach oben schieben musste, was weitaus schwerer war als umgekehrt. Aber er schaffte auch das.

Als die Arbeit getan war, blieb Perry Rhodan noch eine Weile liegen. Er brauchte Zeit, um richtig Luft zu holen und das Gefühl der Benommenheit aus dem Körper zu vertreiben. Dann richtete er sich vorsichtig auf.

Das Bild, das sich ihm bot, war aufreizend komisch. Die krummbeinigen Sessel hatten das vervielfachte Gewicht der Sitzenden nicht aushalten können und waren zusammengebrochen. Atlan und Fellmer Lloyd lagen bewusstlos zwischen den Trümmern. Reginald Bull hatte der Schwereschock weniger ausgemacht. Er hielt sich an zwei Stücken Plastikholz fest, die als einzige Bestandteile seines Sessels noch in die Höhe ragten, und starrte ebenso verwundert wie zornig auf die Orgel.

»Ist das alles?«, fragte er mürrisch.

Perry Rhodan hob die Schultern.

»Scheint so«, gab er zurück.

Reginald Bull stand auf. Klappernd fielen die Einzelteile des Sessels zu Boden.

»Dann hätten wir uns die ganze Mühe sparen können«, brummte er verdrossen. »Einen ganzen Tag lang haben wir an dem Ding herumhantiert, und jetzt tut es nichts anderes, als ein künstliches Schwerefeld zu regulieren.«

Er gab der kleinsten der Orgelpfeifen einen verächtlichen Tritt.

»Na und ... ist das nichts?«, fragte Perry Rhodan.

Reginald Bull und Perry Rhodan – sie kannten einander gut genug, um aus dem Tonfall des anderen herauszuhören, ob dieser eine neue Idee hatte oder nicht.

Bull sah verblüfft auf.

»Vorläufig sehe ich noch nichts«, antwortete er vorsichtig. »Aber vielleicht gibst du mir einen Tipp?«

Rhodan lächelte. Im gleichen Augenblick erhob sich Atlan, der wieder zu Bewusstsein gekommen war, aus den Trümmern seines Sessels. Er schien die letzten Sätze der Unterhaltung gehört zu haben.

»Zeitlich veränderliche Gravitationsfelder«, sagte er beiläufig, als sei gar nichts geschehen. »dG nach dt, die Leistung des Gravitationsstrahlers, gleichzeitig proportional der gravitomechanischen Induktion ... sagt Ihnen das nichts?«

Reginald Bull machte große Augen und sah starr in den hintersten Winkel des Raumes.

»O doch«, antwortete er schließlich. »Ich fürchte nur, die Druuf werden es nicht gerne sehen, wenn wir aus ihrem Antigrav einen Morseapparat machen!«

Perry Rhodan legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Die Frage ist«, meinte er, »ob sie überhaupt etwas davon merken.«

 

*

 

Vor zehn Tagen, am 23. Oktober 2043 irdischer Zeitrechnung, hatte das Unglück seinen Anfang genommen. Die Arkoniden hatten den Stützpunkt Gray Beast entdeckt und sofort angegriffen. Die terranische Flotte stand zu dieser Zeit weitab im Raum, zum Angriff auf Arkon bereit. Perry Rhodan, Atlan, Reginald Bull und Fellmer Lloyd befanden sich noch auf Gray Beast. Der Stützpunkt hatte gegen den massierten Angriff keine Chance. Die abgeworfenen Arkonbomben verwandelten den ganzen Planeten innerhalb weniger Stunden in eine nukleare Gluthölle.

Perry Rhodan und seinen Begleitern war es gelungen, sich auf eine Insel zu retten und von dort aus einen Notruf über Mikrokom abzugeben. Ein Schiff war in letzter Sekunde erschienen, um sie abzuholen. Aber es war kein terranisches gewesen, wie sie gehofft hatten, sondern ein arkonidisches. Sie waren dem Tod mit Mühe und Not entronnen und dabei den Arkoniden in die Hände gefallen.

Das arkonidische Schiff, das sie aufgenommen hatte, übergab sie wenige Lichtminuten von Gray Beast entfernt einem anderen Fahrzeug, das ebenfalls im Dienst des Robotregenten von Arkon stand und offenbar die Aufgabe hatte, die Gefangenen so schnell wie möglich nach Arkon zu bringen. Perry Rhodan war aufgefallen, dass der Kommandant dieses zweiten Schiffes, ein Ekhonide namens Chollar, seinen Namen nicht kannte. Er schloss daraus, dass es dem Robotregenten darauf ankam, die Gefangennahme seines wichtigsten Gegners so geheim wie möglich zu halten.

Mit einem Handstreich war es den vier Gefangenen gelungen, die Kommandostandbesatzung des ekhonidischen Schiffes zu überwältigen und einen Notruf abzustrahlen. Der Ruf war so abgefasst, dass sie hoffen durften, nur ein terranisches Schiff werde sich um ihn kümmern.

Nach knapp vier Stunden erschien das rettende Raumschiff; aber diesmal war es weder ein terranisches, noch ein arkonidisches – sondern ein Schiff der Druuf. Das Verhältnis zwischen Terranern und Druuf war, politisch gesehen, recht eigenartig. Der eine betrachtete den andern als potentiellen Verbündeten im Kampf gegen Arkon; aber vorläufig überwog das Misstrauen die Bündnisfreudigkeit bei weitem. Die Druuf betrachteten, nicht anders als zuvor die Arkoniden, Perry Rhodan und seine Begleiter als ihre Gefangenen. Sie brachten sie an Bord ihres Schiffes und beeilten sich, aus dem von den Arkoniden kontrollierten Raumsektor zu entkommen. Durch die Überlappungsfront, die derzeit die einzige Verbindung zwischen ihrem und dem Einsteinuniversum darstellte, kehrten sie auf ihre Zeitebene zurück und sperrten ihre Gefangenen auf einem Monstrum von einem Planeten in ein unterirdisches Verlies.

Der Flug hatte zwei Tage gedauert, und bis auf die Besuche eines Druuf-Robots, der ihnen die Mahlzeiten brachte, waren die vier Gefangenen währenddessen allein und scheinbar unbeachtet gewesen. Ihre Kabinen besaßen keine Bildschirme. Sie sahen nichts von dem, was um sie herum vorging. Die Fahrt verlief aber offenbar ohne Schwierigkeiten.

Das Schiff war schließlich gelandet. Perry Rhodan und seine Begleiter hatten inzwischen Zeit gehabt, sich einigermaßen an die an Bord herrschende Gravitation von 1,95-normal zu gewöhnen, wie sie auch auf dem Heimatplaneten der Druuf herrschte.

Die Tatsache der Landung war den vier Gefangenen dadurch offenbar geworden, dass ein Druuf ihre Kabinen betrat und sie mit Hilfe seines elektronischen Sprechgerätes aufforderte, die von dem ekhonidischen Schiff mitgebrachten Raumanzüge anzulegen und das Druuf-Schiff zu verlassen. Der Druuf machte keine weiteren Angaben über Grund und Ziel dieser Aufforderung. Er war ein »Mike«, wie die Terraner die rangniedrigsten Druuf zu nennen sich angewöhnt hatten, und offenbar nicht befugt, Aufklärung zu geben. Es mochte aber auch sein, dass er selbst nicht wusste, worum es ging.

Auf jeden Fall hatten die Gefangenen getan, was man von ihnen verlangte, und das Schiff verlassen. Die Druuf hatten ihr walzenförmiges Fahrzeug flach auf einer weiten Felsebene gelandet. Von der rollenden Landungsbrücke des Druuf-Schiffes aus nahmen Perry Rhodan und seine Gefährten ein Bild in sich auf, das ein surrealistischer Maler zusammengefügt zu haben schien. Dabei war er in der Auswahl der Farben recht skrupellos verfahren.

Die Ebene dehnte sich bis in unendliche Fernen. Das matte Graubraun ihres Felsgesteins war der einzige Farbton, der irdischen Verhältnissen entsprach. Aus der Ebene erhoben sich hier und dort einsam stehende Felsnadeln, Monolithen, und ragten trotz ihrer Schlankheit bis zu schwindelnden Höhen empor. Ihre nadelfeinen Spitzen zeigten in einen braunen Himmel, unter dem türkisfarbene Wölkchen schwebten. Woher der Himmel sein Licht bezog, war nicht zu sehen. Wahrscheinlich stand das Tagesgestirn des Planeten kurz vor dem Aufgang. Unweit des Druuf-Schiffes senkte sich der Felsboden und formte eine mehrere hundert Meter durchmessende Schüssel, die mit einem See aus rubinroter Flüssigkeit gefüllt war. Ein leichter Wind bewegte die Oberfläche des Sees, und von Zeit zu Zeit liefen kleine Wellen über den Rand der Felsschüssel heraus bis auf die Ebene.

Es war ein Märchenland. Wundervoll anzusehen und giftig wie ein Fliegenpilz. Alles – die Felsformationen, die weite Ebene, die kleinen Wölkchen – deutete darauf hin, dass die Atmosphäre aus Ammoniak und Methan bestand, dass diese Welt nichts anderes war als einer jener grandiosen, aber nutzlosen Planetenriesen, wie man sie fast in jedem Planetensystem findet.

Während sie die Rolltreppe herabglitten, wunderten sie sich darüber, dass die Gravitation der Märchenwelt die gleiche zu sein schien wie an Bord des Schiffes. Sie wussten nicht, dass die Hülle des künstlichen Schwerefeldes das Druuf-Schiff in weitem Kreis umgab. Die Grenze lag mehrere Meter jenseits des Treppenfußes.

Erst, als sie diese Grenze überschritten, erkannten sie ihren Irrtum. Die Faust eines Riesen schlug sie nieder und hielt sie auf den Boden gepresst. Panik befiel sie im ersten Augenblick. Sie krümmten sich und versuchten, schnell wieder auf die Beine zu kommen, und erreichten doch nicht mehr dabei, als dass sich ihre Kräfte erschöpften. Dann lagen sie still und erinnerten sich an die Regeln, die sie für das Verhalten unter besonderer Schwerebelastung gelernt hatten. Sie ruhten sich aus und zwangen die Lungen, Luft zu holen. Langsam zogen sie die Knie an und stützten den Oberkörper auf die Arme, die unter dem gewaltigen Gewicht zu brechen drohten. Zentimeter um Zentimeter richteten sie sich auf. Dann standen sie auf den Beinen und hatten das Gefühl, sie wären in ein Gestell eingespannt, das sie mit aller Macht zu Boden drückte.

Aber sie blieben stehen. Um sie herum schwärmten die Druuf, drei Meter hoch, auf Zyklopenbeinen, höhere Gravitation gewohnt als die Terraner und trotzdem ein wenig gebeugt und unbeholfen unter der gewaltigen Schwere dieser Welt.

Perry Rhodan schätzte die Gravitation auf wenig unter 3-normal. Viel später ergab sich, dass der exakte Wert 2,60-normal war. Das bedeutete eine Belastung, die der menschliche Körper stoßweise ohne Schaden ertragen konnte, unter der er aber zusammenbrach, wenn er ihr längere Zeit ausgesetzt war.

Die Druuf unternahmen nichts, um das Los ihrer Gefangenen zu erleichtern. Sie trieben sie auf den nächsten Monolithen zu, und die Terraner schleppten sich dahin. Wenn sie, als sie über die Rollbrücke herabglitten, sich noch Gedanken darüber gemacht hatten, ob es hier, in der farbenfrohen Einöde der Methanwelt eine Gelegenheit geben werde, sich die Freiheit wieder zu verschaffen, dann waren diese Gedanken längst erloschen unter der mörderischen Anstrengung, für die der Körper alle Kräfte brauchte.

Nur eine Spur kühler Überlegung war Perry Rhodan noch geblieben. Er wusste, dass ihre Lage völlig aussichtslos war, wenn sie nicht in Erfahrung bringen konnten, wo dieser Planet lag. Dabei hatte er selbst keine klare Vorstellung davon, in welcher Form ihm diese Information von größtem Nutzen sein könne. Bislang war die menschliche Kenntnis des fremden Universums, in dem die Druuf lebten, mehr als bescheiden. Die Terraner kannten das Siamed-System, das Heimatsystem der Druuf, und sie kannten außerdem die beiden Einzelwelten, die sie Solitude und Kristallplanet genannt hatten – ohne allerdings zu wissen, in welcher Position die beiden letztgenannten zum Siamed-System standen. Und selbst die Kenntnis des Heimatsystems der Druuf war lückenhaft, der Eile und Heimlichkeit entsprechend, mit der die Untersuchung hatte betrieben werden müssen. Das Siamed-System bewegte sich um eine Doppelsonne, einen roten Riesen und einen Stern, dessen maximale Strahlungsleistung bei einer Wellenlänge von 5000 Ångströmeinheiten lag, so dass er dem menschlichen Auge gelbgrün erschien. Das System bestand aus zweiundsechzig Planeten und einer Unsumme von Monden. Es war, mit irdischen Augen betrachtet, ein Monstersystem und besaß eine ganze Reihe von Methan-Riesen wie den, auf dem das Druuf-Schiff gelandet war.

Das allein genügte jedoch nicht zur Identifizierung. Methan-Planeten gab es in den meisten Planetensystemen, und das Universum der Druuf besaß davon gewiss nicht weniger als der Einsteinraum, in dem Terraner und Arkoniden lebten.

Perry Rhodan hob mühsam den Kopf und starrte in den braunen Himmel hinauf. Sterne waren nicht zu sehen. Aber undeutlich und dunkelrot leuchtend zeigte sich die schmale Sichel eines Mondes dicht neben der Spitze des Monolithen, auf den sie sich zuschleppten.

Nicht das Vorhandensein eines Mondes überhaupt, vielmehr seine Farbe war wichtig. Er stand fast im Zenit und war trotzdem rot. Es mochte sein, dass die Atmosphärenhülle des Methanplaneten so groß war, dass sie an im Zenit stehenden Gestirnen denselben Effekt hervorrief wie die irdische Atmosphäre an solchen, die sich auf den Horizont hinuntersenkten. Es mochte sein, dass die Sichel des fremden Mondes aus keinem anderen Grund rot war als die Scheibe der irdischen Sonne, bevor sie untergeht.

Es konnte aber auch sein, dass die Farbe des Mondes von der Farbe des Zentralgestirns herrührte, das ihn beschien. Wenn es rot war, dann wuchs die Wahrscheinlichkeit, dass der Methan-Riese, auf dem die Druuf gelandet waren, zum Siamed-System gehörte. Das war überaus wichtig zu wissen; denn allein aus dem Siamed-System konnte Hilfe kommen. In diesem System lag der einzige Stützpunkt, den die terranische Flotte bisher in der fremden Zeitebene errichtet hatte: Hades, die merkurähnliche Zwielichtwelt.

Perry Rhodan war noch damit beschäftigt, über die merkwürdige Färbung des Himmels nachzudenken und eine Antwort auf die Frage zu finden, ob die braune Farbe aus dem Zusammenwirken eines roten und eines grünen Tagesgestirns entstanden sein könne, als er im Helmempfänger Reginald Bull einen überraschten Ruf ausstoßen hörte.

Der kleine Trupp, von zehn Druuf flankiert, hatte den Fuß des einsam in die Höhe ragenden Felsens erreicht. Was Reginald Bulls Überraschung ausgelöst hatte, war ein finsteres Loch, so groß wie ein Scheunentor, das in der Felswand gähnte und zuvor, wie Perry Rhodan sich erinnerte, noch nicht dagewesen war.

Der Monolith barg also den Eingang zu einer Höhle oder einem Höhlensystem, das die Druuf unter der Oberfläche des Planeten gefunden oder selbst angelegt hatten. Anscheinend hielten sie diesen Platz für sicher genug, um wichtige Gefangene dort unterzubringen.

Hinter dem Loch, schon im Innern des Monolithen, begann eine Art Rampe, die sich mit mäßiger Neigung nach unten senkte. Das Gestein war glatt geschliffen, wahrscheinlich durch häufige Benutzung, und die vier Gefangenen hatten Mühe, sich auf den Beinen zu halten, anstatt, dem Zug der Schwerkraft folgend, einfach die Rampe hinunterzurollen.

In dem Augenblick, in dem sich der Höhleneingang schloss – es war Perry Rhodan unmöglich zu erkennen, welchen Mechanismus die Druuf dazu benutzten –